Trierischer Volksfreund

Eigenwerbu­ng Fehlanzeig­e

Von Borussia Dortmund schaffte es zuletzt nur noch ein Spieler ins DFB-Team. Auch gegen Atletico Madrid liefern Mats Hummels & Co. dem Bundestrai­ner nur wenig Argumente für ein Umdenken.

- VON ROBERT PETERS

Zehn deutsche Nationalsp­ieler stehen bei Borussia Dortmund unter Vertrag. Das ist toll. Weniger toll ist – zumindest aus Sicht des BVB –, dass lediglich einer zuletzt im Aufgebot des Deutschen FußballBun­des stand, nämlich der Stürmer Niklas Füllkrug. Das ärgerte seine hochdekori­erten Kollegen natürlich, denn sie wollen möglichst alle noch auf den Zug zur Heim-Europameis­terschaft (14. Juni bis 14. Juli) aufspringe­n. Das wird nicht leicht, soviel ist sicher. Denn Bundestrai­ner Julian Nagelsmann hat zwar pflichtgem­äß beteuert, dass die Tür noch offen stehe, aber er hat nach den beiden überzeugen­den Länderspie­len in Frankreich (2:0) und gegen die Niederland­e (2:1) auch gesagt: „Wir werden nicht mehr viel ändern.“Wie sehen die Chancen der zehn Dortmunder aus?

Zunächst mal hat ihr Klub zuletzt nicht schlecht gespielt – besser zumindest, als die Ergebnisse vermuten lassen. Trotz der 0:1-Niederlage gegen den VfB Stuttgart lieferte der BVB druckvolle Angriffe und ein ordentlich­es Spiel ab. Zuvor gab es in der Bundesliga nach vielen Jahren bitterer Enttäuschu­ngen sogar einen 2:0-Erfolg bei Bayern München. Und in der Champions League kehrte der Klub nach einer extrem fahrigen Anfangspha­se und einem 0:2-Pausen-Rückstand bei Atlético Madrid deutlich verbessert in die Begegnung zurück und hielt sich beim 1:2 fürs Viertelfin­al-Rückspiel am Leben. Julian Brandt hätte mit einem Kopfball, der am Lattenkreu­z landete, mit der letzten Aktion des Spiels gegen schwer ermattete Gastgeber beinahe noch das 2:2 gemacht. Sein Trainer Edin Terzic stellte fest: „Wir hätten es verdient gehabt, den Ausgleich zu erzielen.“

Der Auftritt in Madrid war jedoch keine Werbeveran­staltung für alle jüngst vom DFB-Coach verschmäht­en Nationalsp­ieler.

Abwehr So ließen sich die Innenverte­idiger Mats Hummels und Nico Schlotterb­eck vor allem in der ersten halben Stunde von einer Verlegenhe­it in die andere stürzen. Die Mannschaft des unablässig am Spielfeldr­and mitarbeite­nden Trainers Diego Simeone ließ die Abwehr des BVB ganz schlecht aussehen. Keine Spur von der Sicherheit, die ganz besonders Hummels Ende März in München noch ausgestrah­lt hatte. Er sammelte auf der europäisch­en Bühne keine Argumente. Schlotterb­eck

ist im Wettlauf der Innenverte­idiger bei Nagelsmann ohnehin dritte Wahl. Niklas Süle spielt nicht einmal bei den Dortmunder­n eine Rolle. Er saß in Madrid ebenso volle 90 Minuten auf der Bank wie Marius Wolf. Beide werden die EM am Fernsehger­ät erleben – wenn sie das denn wollen.

Mittelfeld

Emre Can mühte sich im defensiven Mittelfeld um Struktur und defensive Organisati­on, sein Auftritt war bieder, und er wurde nicht zufällig ausgewechs­elt. An seiner Seite war Felix Nmecha für die Verbindung nach vorn zuständig. Er wagte zu wenig und war überhaupt kein Faktor. Das Dortmunder Spiel wurde druckvolle­r und einfallsre­icher, als Julian Brandt ihn zur Halbzeit ablöste. Brandt machte nicht nur wegen seiner Torgefahr Eindruck. Er brachte der Begegnung auch wesentlich­e spielerisc­he Impulse und entzog sich der Madrider Abwehrkuns­t durch sein Gefühl für den Raum. Nagelsmann wird das bestimmt gesehen haben.

Karim Adeyemi lieferte Anschauung­smaterial

für seine hohe Begabung und sein Tempospiel, das ganz große Spiel bot er trotzdem nicht. Ein Spieler, an dem der Bundestrai­ner nicht vorbeigehe­n kann, ist er nicht. Sein Ersatzmann Jamie Bynoe-Gittens erzielte wesentlich mehr Wirkung – er ist aber leider Engländer.

Angriff

Niklas Füllkrug mühte sich auch in Madrid nach Kräften, warf seine körperlich­en Qualitäten in die

Zweikämpfe, durchsetze­n konnte er sich nicht. Dennoch bleibt er wohl auf Nagelsmann­s Zettel – schlicht, weil es in Deutschlan­d keine herausrage­nden Strafraums­türmer gibt. Youssoufa Moukoko hat zwar bereits ein WM-Spiel hinter sich, und er trifft als gesetzte Größe der U-21-Auswahl mit großer Regelmäßig­keit. Er ist allerdings weder bei der westfälisc­hen Borussia noch beim A-Team des DFB auch nur entfernt in Stammplatz­Nähe. Er erlebte das 1:2 in Madrid ebenfalls von der Bank.

Noch haben die Dortmunder sechs Bundesliga­spiele und wenigstens eines in der Champions League, in denen sie Trainer Nagelsmann und sich selbst beweisen können, dass sie gut genug für die EM sind. Die besten Chancen haben zurzeit Füllkrug, weil er als Spielertyp keine Konkurrenz hat, und Brandt, wenn er sich weiter daran erinnert, dass zum übergroßen Talent unbedingt auch Mentalität gehört. In dieser Hinsicht könnte er beim Teamkolleg­en Füllkrug zwischenze­itlich in die Lehre gehen.

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FOTO: DPA Dortmunds Verteidige­r Mats Hummels strahlte auch gegen Atletico Madrid keine Sicherheit aus.

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