Eigenwerbung Fehlanzeige
Von Borussia Dortmund schaffte es zuletzt nur noch ein Spieler ins DFB-Team. Auch gegen Atletico Madrid liefern Mats Hummels & Co. dem Bundestrainer nur wenig Argumente für ein Umdenken.
Zehn deutsche Nationalspieler stehen bei Borussia Dortmund unter Vertrag. Das ist toll. Weniger toll ist – zumindest aus Sicht des BVB –, dass lediglich einer zuletzt im Aufgebot des Deutschen FußballBundes stand, nämlich der Stürmer Niklas Füllkrug. Das ärgerte seine hochdekorierten Kollegen natürlich, denn sie wollen möglichst alle noch auf den Zug zur Heim-Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli) aufspringen. Das wird nicht leicht, soviel ist sicher. Denn Bundestrainer Julian Nagelsmann hat zwar pflichtgemäß beteuert, dass die Tür noch offen stehe, aber er hat nach den beiden überzeugenden Länderspielen in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) auch gesagt: „Wir werden nicht mehr viel ändern.“Wie sehen die Chancen der zehn Dortmunder aus?
Zunächst mal hat ihr Klub zuletzt nicht schlecht gespielt – besser zumindest, als die Ergebnisse vermuten lassen. Trotz der 0:1-Niederlage gegen den VfB Stuttgart lieferte der BVB druckvolle Angriffe und ein ordentliches Spiel ab. Zuvor gab es in der Bundesliga nach vielen Jahren bitterer Enttäuschungen sogar einen 2:0-Erfolg bei Bayern München. Und in der Champions League kehrte der Klub nach einer extrem fahrigen Anfangsphase und einem 0:2-Pausen-Rückstand bei Atlético Madrid deutlich verbessert in die Begegnung zurück und hielt sich beim 1:2 fürs Viertelfinal-Rückspiel am Leben. Julian Brandt hätte mit einem Kopfball, der am Lattenkreuz landete, mit der letzten Aktion des Spiels gegen schwer ermattete Gastgeber beinahe noch das 2:2 gemacht. Sein Trainer Edin Terzic stellte fest: „Wir hätten es verdient gehabt, den Ausgleich zu erzielen.“
Der Auftritt in Madrid war jedoch keine Werbeveranstaltung für alle jüngst vom DFB-Coach verschmähten Nationalspieler.
Abwehr So ließen sich die Innenverteidiger Mats Hummels und Nico Schlotterbeck vor allem in der ersten halben Stunde von einer Verlegenheit in die andere stürzen. Die Mannschaft des unablässig am Spielfeldrand mitarbeitenden Trainers Diego Simeone ließ die Abwehr des BVB ganz schlecht aussehen. Keine Spur von der Sicherheit, die ganz besonders Hummels Ende März in München noch ausgestrahlt hatte. Er sammelte auf der europäischen Bühne keine Argumente. Schlotterbeck
ist im Wettlauf der Innenverteidiger bei Nagelsmann ohnehin dritte Wahl. Niklas Süle spielt nicht einmal bei den Dortmundern eine Rolle. Er saß in Madrid ebenso volle 90 Minuten auf der Bank wie Marius Wolf. Beide werden die EM am Fernsehgerät erleben – wenn sie das denn wollen.
Mittelfeld
Emre Can mühte sich im defensiven Mittelfeld um Struktur und defensive Organisation, sein Auftritt war bieder, und er wurde nicht zufällig ausgewechselt. An seiner Seite war Felix Nmecha für die Verbindung nach vorn zuständig. Er wagte zu wenig und war überhaupt kein Faktor. Das Dortmunder Spiel wurde druckvoller und einfallsreicher, als Julian Brandt ihn zur Halbzeit ablöste. Brandt machte nicht nur wegen seiner Torgefahr Eindruck. Er brachte der Begegnung auch wesentliche spielerische Impulse und entzog sich der Madrider Abwehrkunst durch sein Gefühl für den Raum. Nagelsmann wird das bestimmt gesehen haben.
Karim Adeyemi lieferte Anschauungsmaterial
für seine hohe Begabung und sein Tempospiel, das ganz große Spiel bot er trotzdem nicht. Ein Spieler, an dem der Bundestrainer nicht vorbeigehen kann, ist er nicht. Sein Ersatzmann Jamie Bynoe-Gittens erzielte wesentlich mehr Wirkung – er ist aber leider Engländer.
Angriff
Niklas Füllkrug mühte sich auch in Madrid nach Kräften, warf seine körperlichen Qualitäten in die
Zweikämpfe, durchsetzen konnte er sich nicht. Dennoch bleibt er wohl auf Nagelsmanns Zettel – schlicht, weil es in Deutschland keine herausragenden Strafraumstürmer gibt. Youssoufa Moukoko hat zwar bereits ein WM-Spiel hinter sich, und er trifft als gesetzte Größe der U-21-Auswahl mit großer Regelmäßigkeit. Er ist allerdings weder bei der westfälischen Borussia noch beim A-Team des DFB auch nur entfernt in StammplatzNähe. Er erlebte das 1:2 in Madrid ebenfalls von der Bank.
Noch haben die Dortmunder sechs Bundesligaspiele und wenigstens eines in der Champions League, in denen sie Trainer Nagelsmann und sich selbst beweisen können, dass sie gut genug für die EM sind. Die besten Chancen haben zurzeit Füllkrug, weil er als Spielertyp keine Konkurrenz hat, und Brandt, wenn er sich weiter daran erinnert, dass zum übergroßen Talent unbedingt auch Mentalität gehört. In dieser Hinsicht könnte er beim Teamkollegen Füllkrug zwischenzeitlich in die Lehre gehen.