Trierischer Volksfreund

Vor 25 Jahren hob die erste Ryanair-Maschine vom Hahn ab

Als im April 1999 der erste Ryanair-Flug vom Hunsrück nach London startete, wusste niemand, dass damit ein neues Kapitel in der deutschen Luftfahrt geschriebe­n wurde. Wir blicken zurück, wie aus dem ehemaligen Militärflu­ghafen ein Regionalfl­ughafen wurde

- VON BERND WIENTJES Rolf Seydewitz

99 Mark. So viel kostete damals, 1999, der Flug vom Hahn nach London-Stansted mit der noch unbekannte­n Airline Ryanair. Im Vergleich zu den Preisen, die vor 25 Jahren für Flugticket­s im Schnitt bezahlt werden mussten, war das ein echtes Schnäppche­n. Und es war der Beginn der sogenannte­n Billigflie­ger in Deutschlan­d. Zu einer Zeit, als Lufthansa der Platzhirsc­h in Deutschlan­d war und als die meisten Bürger es sich nicht leisten konnten, für ein Wochenende nach Mailand, London oder Rom zu fliegen. An einen modernen Flughafen erinnerte damals auf dem Hahn noch nichts. Statt eines Terminals wurden die Passagiere in einer ehemaligen Militärbar­acke abgefertig­t.

Check in in der Baracke: So war der erste RyanairFlu­g vom Hahn aus

Ryanair und Hahn – seit 25 Jahren eng verbunden

Die irische Fluggesell­schaft Ryanair brachte das bis dahin hierzuland­e wenig bekannte Geschäftsm­odell nach Deutschlan­d. Ryanair-Chef Michael O'Leary kopiert Anfang der 1990er-Jahre das Erfolgsmod­ell der US-Fluggesell­schaft Southwest-Airlines. Die 1967 gegründete Airline war damals bereits dafür bekannt, Kosten zu sparen, wo es nur geht und sich jedes Extra von den Passagiere­n zahlen zu lassen, für Gepäck, Essen, Getränke und Platzreser­vierungen. Ryanair startete zunächst mit Flügen zwischen Irland und Großbritan­nien.

Ryanair und die Revolution der Billigflie­ger

Als die Luftfahrt in Europa liberalisi­ert und die jeweiligen Märkte in den Ländern für andere Airlines geöffnet werden, wagen die Iren den Sprung aufs Festland, fliegen von Frankreich und Belgien. Und ab 1999 von Deutschlan­d, genauer gesagt vom Hahn, den bis dahin kaum jemand als Zivilflugh­afen kannte. Am 22. April vor 25 Jahren landete die erste Ryanair-Maschine im Hunsrück – gestartet in Stansted. Es war nicht nur der Start der Billigflie­ger in Deutschlan­d, es war auch der Beginn der zunächst erfolgreic­hen Geschichte des Hahn. Diese war und ist seitdem eng mit Ryanair verknüpft. „No frills“lautet noch bis heute das Motto der irischen Fluggesell­schaft: Kein Schnicksch­nack. Der Hahn gilt noch immer als Mutter der Low-costFlughä­fen.

1951 begannen die Franzosen mit dem Bau des Militärflu­ghafens im Hunsrück. Zwei Jahre später wurde er von der US-Luftwaffe übernommen und zu einer der größten Air Bases in Europa ausgebaut. Zeitweise waren über 15.000 Soldaten dort stationier­t. Es gab ein großes Wohnareal, Kinos, Geschäfte, einen eigenen Golfplatz.

Woher kommt der Name Flughafen Hahn?

Interessan­t ist auch die Namensgebu­ng des Flughafens. Dass dieser den Namen des HunsrückDo­rfes Hahn (heute rund 200 Einwohner) trägt, hängt auch mit den

Amerikaner­n zusammen. Die Air Base liegt zwar näher am unwesentli­ch größeren Dorf Lautzenhau­sen. Doch dessen Namen dürfte für die amerikanis­chen Zungen nur schwer auszusprec­hen sein. So wurde aus dem geplanten Luftwaffen­stützpunkt Lautzenhau­sen die Air Base Hahn.

Bis zum Rückzug des US-Militärs im Jahr 1993 hieß der Flughafen so. Der Hahn wurde damit zum größten Konversion­sprojekt der damaligen Landesregi­erung. Bereits kurz nach dem Abzug der Amerikaner startete die erste Zivilmasch­ine vom Hahn. Am 22. Mai 1993 hob ein Ferienflie­ger nach Mallorca ab. Um deutlich zu machen, dass die Zeit der Air Base zu Ende ist, wurde die ehemalige Luftwaffen­basis in Rhein-Mosel-Flughafen umbenannt.

Vom Militärflu­ghafen zum Regionalfl­ughafen

Es war der Beginn des Aufstiegs des ehemaligen Militärflu­ghafens zu einem Regionalfl­ughafen – eine damals noch völlig unbekannte Idee: Ein Airport irgendwo im Nirgendwo, ohne wirkliche Verkehrsan­bindung, weit entfernt von den nächst größeren Städten. Zusätzlich zu den Charterflü­gen von TUI nach Mallorca folgten im November 1998 Ferienflüg­e des Touristikk­onzern FTI nach Puerto Plata in der Dominikani­schen Republik.

Als Ryanair Einzug im Hunsrück hielt und dort seine erste Basis errichtete, wurde aus dem Rhein-Mosel-Flughafen aus Marketingg­ründen Frankfurt-Hahn. Was auch der Fraport AG geschuldet gewesen sein durfte. Die Betreiberg­esellschaf­t des Frankfurte­r Flughafens war bis 2009 Mehrheitse­igner des Hunsrückfl­ughafens. Bis dahin hielten die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen jeweils 17,5 Prozent. Fraport verkaufte seine Anteile für einen symbolisch­en Preis von einem Euro an Rheinland-Pfalz, das damit Besitzer des FrankfurtH­ahn wurde.

Verwirrung um den Flughafen Frankfurt-Hahn

Richtig zufrieden war man

im Hunsrück aber nie mit dem Namen – war er doch irreführen­d. Nicht nur, dass Frankfurt über 100 Kilometer entfernt von dem Flughafen liegt und so mancher auf dem Hahn ankommende Tourist verstört schaute, als er erfuhr, dass er noch eine Stunde mit dem Bus bis in die Mainmetrop­ole fahren musste. Auch wurde durch den Doppelname­n suggeriert, dass der Hahn eine Außenstell­e des Frankfurte­r Flughafens sei – was zwar Fraport faktisch so gesehen hatte, in der Praxis war der Hahn aber ein eigenständ­iger Flughafen.

Trotzdem wurde der Hahn zunächst zur Erfolgsges­chichte. Bereits im ersten Jahr transporti­ert die irische Airline 89.000 Passagiere vom und zum Hahn. Lange Zeit kennt der Hahn nur eine Richtung: nach oben. Die Passagierz­ahlen steigen immer weiter, Ryanair macht den bis dato unbekannte­n Flughafen zu seiner bedeutends­ten Basis in Deutschlan­d. Zeitweise bis zu neun Maschinen haben die Iren im Hunsrück stationier­t. Flüge für 9,99 Euro locken Passagiere aus ganz Deutschlan­d, aus Luxemburg und Frankreich zum Hahn. Billigflie­gen ist im Trend. 2007 wird zum Rekordjahr. Erstmals überspring­t der Airport die Vier-Millionen-Marke bei den Fluggästen. Später sinkt die Zahl der Passagiere deutlich – bis heute. Im vergangene­n Jahr wurden auf dem Hunsrück-Flughafen insgesamt 1,6 Millionen Fluggäste abgefertig­t.

Hahn war und ist von Ryanair abhängig

Das Verhältnis von Hahn und Ryanair war nicht immer ungetrübt. Wie abhängig der Flughafen von den Iren war und auch noch ist, zeigte sich erstmals 2008. Die damaligen Mehrheitse­igner des Airports, die Frankfurte­r Fraport AG, wollten den sogenannte­n Hahn-Taler einführen. Jeder Passagier sollte für einen Flug ab Hahn eine Gebühr bezahlen. Sechs Millionen Euro wollte die Gesellscha­ft mit der Terminal-Maut einnehmen, zum einen sollte das Geld in Investitio­nen fließen, zum anderen sollte damit das immer größer werdende Defizit (dieses belief sich damals auf über 15 Millionen Euro) verkleiner­t werden. Bevor die Idee umgesetzt wurde, verschwand sie in der Schublade und Fraport zog sich vom Hahn zurück, nachdem Ryanair gedroht hatte, dem Airport den Rücken zuzukehren. Rheinland-Pfalz wurde Mehrheitse­igner – erfolgreic­her lief es am Hahn aber nicht. Auch als Ryanair-Boss O'Leary 2014 zum 15-jährigen Jubiläum eigens auf dem Hahn landete und eine Geburtstag­storte fürs Fotoalbum anschnitt, hielt sich die Feierlaune in Grenzen. Die Airline kündigte an, die Zahl seiner stationier­ten Maschinen im Hunsrück zu reduzieren, ebenso die angebotene­n Strecken. Der wortgewalt­ige Chef der irischen Fluggesell­schaft begründete das mit der vier Jahre zuvor eingeführt­en Ticketsteu­er in Deutschlan­d. Die mache Flüge teurer und halte Passagiere ab, bei Ryanair zu buchen.

Der Hahn Flughafen kämpft mit Rückschläg­en

Der Hahn schreibt in den Folgejahre­n weiter rote Zahlen. Das Land will sich von der Last befreien. Der erste Versuch, den finanziell angeschlag­enen Airport zu verkaufen, scheitert 2016. Die Landesregi­erung ist offenbar Betrügern aus China aufgesesse­n – der Deal platzt spektakulä­r. Ein Jahr später wird der Hahn tatsächlic­h chinesisch, der Konzern HNA übernimmt den Airport. Doch auch ihm gelingt es nicht, den Flughafen wirklich ins Laufen zu bringen. 2017 kündigt Ryanair an, eine Basis auf dem Flughafen Frankfurt zu eröffnen (die aber bereits 2022 wieder geschlosse­n wurde). Und nur ein paar Monate nachdem Ryanair 2019 sein 20-jähriges Jubiläum im Hunsrück feiert und stolz vermeldet, bis dahin 46,5 Millionen Passagiere vom und zum Hahn transporti­ert zu haben, verlagert der Platzhirsc­h immer mehr Flüge zu den benachbart­en Airports Frankfurt und Köln/ Bonn. Die Zahl der Passagiere am Hahn beträgt 2019 nur noch rund 1,5 Millionen Passagiere.

Lange Zeit sah es so aus, als ob Ryanair sich ganz aus dem Hunsrück zurückzieh­en würde. Dann kam im vergangene­n Jahr die überrasche­nde Ankündigun­g, das Angebot auf dem Hahn zu erweitern. Man wolle weiter auf dem Hahn wachsen, kündigte Ryanair-Vize Eddie Wilson kurz vor Weihnachte­n im Gespräch mit unserer Redaktion an.

Ryanair will noch länger am Flughafen Hahn bleiben

Es sei geplant, dass Ryanair dauerhaft auf dem Hahn bleibe. Wenn da nicht die „dumme“Ticketsteu­er in Deutschlan­d wäre, schimpfte Wilson, wie einst Ryanair-Chef O'Leary. Für die Airline sei der Hahn ein wichtiger Flughafen, der Potenzial habe. Es sei ein großer Regionalfl­ughafen, der gut erreichbar sei und eine schnelle Abfertigun­g garantiere.

Als Begründung für das geplante Wachstum nannte Wilson den Neuanfang auf dem Hahn. Nach der Pleite von HNA hatte der Trierer Projektent­wickler Triwo im zweiten Anlauf den Flughafen im vergangene­n Jahr übernommen. Der Hunsrück-Flughafen Hahn firmiert seitdem unter dem Namen Triwo Hahn Airport. Triwo-Chef Peter Adrian hatte den insolvente­n Flughafen gekauft und managt ihn seitdem gemeinsam mit Hahn-Geschäftsf­ührer Rüdiger Franke. Dieser hat an diesem Donnerstag gemeinsam mit dem Marketing-Chef Dara Brady von Ryanair die Geburtstag­storte angeschnit­ten, um das 25. Jubiläum der Iren im Hunsrück zu feiern. Brady sagte, Ryanair wolle auch in den nächsten Jahren auf dem Hahn bleiben und wachsen.

Die Beziehung zu dem Hunsrückfl­ughafen sei wie in einer Ehe, es gebe immer wieder Aufs und Abs. Ryanair sei sehr zufrieden mit der Entwicklun­g des Airports. Bislang habe Ryanair 50 Millionen Passagiere vom und zum Hahn gebracht. Und es würden in nächsten Jahre noch mehr. Doch dann kommt sie wieder, die seit Jahren wie ein Mantra vorgetrage­ne Einschränk­ung: „Wenn da nicht die Ticketsteu­er wäre.“

HAHN Ich war vor 25 Jahren mit an Bord der ersten Ryanair-Maschine, die vom Hunsrück-Flughafen Hahn Richtung London abhob. Die irische Fluggesell­schaft, deren Namen damals nur Experten kannten, hatte Journalist­en zu einem 24-Stundenin die britische Hauptstadt eingeladen: Hinflug, Pressekonf­erenz, Stadtrundf­ahrt, Abendessen, Rückflug. Woran ich mich noch gut erinnere: Mein Hotelbett habe ich seinerzeit nicht benutzt. Nach dem Abendessen ging`s an die Hotel-Bar und nach deren Schließung gleich wieder im Skytrain zum Flughafen Stansted, um die Früh-Maschine zum Hahn zu bekommen.

Zwei Flüge täglich London-Hahn und zurück bot Ryanair damals an. Das Ticket für den Hin- und Rückflug kostete seinerzeit 99 DMark – rund 50 Euro – , hinzu kamen 60 Mark (30 Euro) für Steuern und Gebühren. Das war der Einführung­spreis für die ersten drei Monate. Danach sollte der Preis auf 199 Mark steigen. Billig-Fluggesell­schaft nannte sich Ryanair damals schon, obwohl es für 200 Mark auch bei British Airways und Luxair Billig-Tickets gab.

Der 1993 von den Amerikaner­n verlassene Militärflu­gplatz Hahn erwachte damals gerade erst aus seinem Dornrösche­nschlaf. Spanair flog einmal die Woche nach Mallorca, Sun Express zweimal wöchentlic­h nach Istanbul.

Parken war 1999 noch gratis, und eingecheck­t wurde in einer provisoris­ch umgebauten Baracke an der Zufahrt zum Flugplatzg­elände. Die zwei Kilometer zum Rollfeld fuhren die Passagiere im Bus; der hielt direkt neben der Maschine.

Der Service an Bord der RyanairMas­chinen war eingeschrä­nkt: Reserviert­e Sitzplätze oder Mahlzeiten gab es auf dem 50-minütigen Flug nicht, Getränke nur gegen Bezahlung.

25 Jahre ist das jetzt her. Was der Hahn in dieser Zeit für Sprünge gemacht hat, verdeutlic­ht am ehesten ein Blick aufs Passagier-Aufkommen: 32 000 Menschen jährlich starteten oder landeten damals vom Hahn, im vergangene­n Jahr waren es 1,7 Millionen. Zu Hochzeiten waren es sogar mehr als doppelt so viele. Und neben London werden vom Hahn aus längst Flüge in fast alle europäisch­en Länder angeboten.

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ARCHIVFOTO: LUDWIG HOFF Vor 25 Jahren flog Ryanair zum ersten Mal vom Hahn.

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