Wie die rheinland-pfälzische AfD mit völkischen Burschenschaften vernetzt ist
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich in der Landeshauptstadt ein völkisches Netzwerk gebildet. Der Verfassungsschutz beobachtet deshalb seit Kurzem eine Mainzer Burschenschaft. Und die ist eng verwoben mit der rheinland-pfälzischen Alterna
„Freiheit – Ehre – Vaterland“– mit diesem Wahlspruch begrüßt die Burschenschaft „Germania Halle zu Mainz“Besucher auf ihrer Website. Im Hintergrund ist ein schwarz-weißes Foto einer Mensur zu sehen. Die Mainzer Burschen sind pflichtschlagend, sie müssen mit scharfen Klingen fechten. Immer wieder werden solche Männerbünde wegen ihrer Rituale wie Fackelmärschen, dem Farbentragen oder eben der Mensur kritisch beäugt. Doch im Fall der Mainzer Germania Halle gehen offenbar auch politische Bestrebungen über die Grenzen des Grundgesetzes hinaus. Wegen ihrer völkischen Gesinnung hat der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz die Burschenschaft nun zum Beobachtungsobjekt erklärt. Die Behörde kann dazu auch Telefone abhören oder verdeckte Ermittler einsetzen.
Burschenschaften rekrutieren sich üblicherweise aus Studenten. Doch ihr Wirken geht über die Universitäten hinaus, es sind Bünde fürs Leben. Und im Fall der Mainzer Burschenschaft gehören diesem Bund mit zweifelhaften Verbindungen und Bestrebungen eben nicht nur aktive Studenten an, sondern auch einflussreiche rheinland-pfälzische AfD-Politiker.
Wer schwarz ist, kann kein Mitglied werden
Rechtsextremes völkisches Gedankengut – so lautet der Vorwurf. Darunter versteht der Verfassungsschutz eine durch „Rassentheorie begründete Zugehörigkeit zum deutschen Volk“. Es gehe also nicht um das im Grundgesetz beschriebene Staatsvolk, sondern um eine rassisch „rein“definierte Gruppe – etwa mit dem Merkmal der Abstammung. Ein solcher „völkischabstammungsmäßiger Volksbegriff“und eine „rassische Klassifizierung deutscher Staatsangehöriger“verstoße gegen die Menschenwürde, erklärt das Innenministerium. Einige Burschenschaft hatten die völkische Abstammung zum Aufnahmekriterium gemacht, auch bekannt als Ariernachweis. Der deutsche Pass reichte da nicht aus. In einer Reportage aus dem Jahr 2017 sagte ein Mitglied der Mainzer Burschenschaft dem SWR, ein schwarzer Student könne nicht Mitglied werden, weil er „ganz einfach nicht deutscher Abstammung ist“.
Warum der Verfassungsschutz genauer hinschaut
Was die Burschenschafter in ihrem Haus tun, ist das eine. Weil der Verfassungsschutz aber auch nach außen „verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Tätigkeiten“beobachtet hat, nimmt er die Gruppe jetzt genauer ins Visier. Als Begründung nennt das Innenministerium aber nicht nur die „kontinuierliche rechtsextremistische und völkische Weltanschauung“, sondern auch „zahlreiche und zunehmend intensive Verbindungen in die rechtsextreme Szene“. Das Verbindungshaus der Germania Halle zu Mainz werde „seit Jahren von rechtsextremen Personen aus der Region und anderen Teilen Deutschlands frequentiert“. „Es ist längst kein Geheimnis mehr, wer dort ein- und ausgeht“, sagte Innenminister Michael Ebling (SPD). Szenekenner von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus halten die Entscheidung des Verfassungsschutzes deshalb für überfällig. Das komme gar zehn Jahre zu spät, sagte ein Mitarbeiter dem Trierischen Volksfreund.
Enges Geflecht zwischen und Burschenschaft Bei der Mainzer Germania Halle fielen dem Verfassungsschutz vor allem personelle Überschneidungen zur „Identitäten Bewegung“und der „Jungen Alternative“( JA), der Jugendorganisation der AfD, auf. Beide werden bereits seit Längerem als gesichert rechtsextrem eingestuft. Die Verbindungen der Burschenschaft reichen allerdings nicht nur in die Jugendpartei. Vielmehr existiert ein enges personelles Geflecht aus Burschenschaftsmitgliedern und einflussreichen Politikern der rheinland-pfälzischen AfD.
JA, AfD
Das Netzwerk Münzenmaier Zuvorderst gehört dazu der Mainzer Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier. Er sitzt bereits seit 2017 im Berliner Parlament. Münzenmaier hat sich aber vor allem in Rheinland-Pfalz eine breite Machtbasis aufgebaut – auch mit Hilfe der Burschenschaft. Szenekenner sprechen vom „Netzwerk Münzenmaier“, das auch keinen kleinen Anteil am Sturz des ehemaligen AfD-Fraktionschefs im Landtag, dem Trierer Michael Frisch, gehabt haben soll. Zum Netzwerk gehört auch Damian Lohr, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion. Lohr war ehemals Bundesvorsitzender der Jungen Alternative. Ein vor gut zwei Jahren aus der AfD-Fraktion ausgetretener Abgeordneter sagte damals, dass Personen wie Münzenmaier und Lohr nichts in einer demokratischen Partei verloren hätten.
Münzenmaier und Lohr sind mit der nun vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft eng verbunden. Nach Volksfreund-Informationen sollen sie nicht – wie üblich – als Studierende, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt beigetreten sein. Im Verbindungshaus der Mainzer Germania Halle wurde auch der Verein „Zentrum Rheinhessen“gegründet, dessen Gebäude in einem Gewerbegebiet der Landeshauptstadt nicht nur Platz für deren Parteibüros bot. Innenminister Ebling hatte vor einiger Zeit gemahnt, das „Zentrum Rheinhessen“habe sich zu einer zentralen
Örtlichkeit für die Vernetzung der AfD, der JA und Akteuren der „Neuen Rechten“entwickelt.
Beim zehnjährigen Jubiläum der JA soll sogar der Hitlergruß gezeigt worden sein – die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ermittelt weiter, wie sie unserer Redaktion erklärte. Inzwischen ist die Örtlichkeit dicht, das Zentrum ist laut „Allgemeine Zeitung“in einen Nachbarort umgezogen.
Die Beteiligten nutzen das Netzwerk aber nicht nur für ihre politischen Ziele. Vielmehr dienen Partei und Burschenschaft der eigenen Karriere. So sind einige AfD-Lokalpolitiker sowie Mitarbeiter der Landtagsfraktion ebenfalls Mitglied in der Mainzer Burschenschaft. Die AfD sei der Ort, um Bundesbrüder von als rechtsextrem eingestufter Burschenschaften in Anstellungen zu bringen, sagt die Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus über das Netzwerk Münzenmaier. Dieses habe seit 2013 die JA dominiert und in der Folge schrittweise deren Personal auf einflussreiche Positionen gesetzt.
Die Mainzer Burschenschaft weist die Vorwürfe des Verfassungsschutzes indes zurück. Die Germania Halle zu Mainz lehne Extremismus jeglicher Art ab, teilt sie auf Anfrage mit. Vielmehr sieht man offenbar die AfD-Mitgliedschaft der beiden einflussreichen Politiker als Grund für die Beobachtung der ganzen Burschenschaft. Die Gruppe werde sich nicht vereinnahmen lassen, erklärt ein Mann, der mit dem Pseudonym
Thorsten Schulze spricht.
Auch andere Burschenschaften spielen eine Rolle
Das AfD-Burschenschaftsnetzwerk geht aber über die Landeshauptstadt hinaus. Die
Germania Halle zu Mainz ist Mitglied im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“(DB). Laut Innenministerium bildet sie gemeinsam mit zwei weiteren Gruppen, die von Behörden als rechtsextremistisch eingestuft sind, das „Schwarz-WeißRote Kartell“. Und freundschaftlich verbunden sind die Mainzer mit der „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks“zu Bonn.
Von dort wiederum entstammen zwei weitere bedeutende rheinlandpfälzische AfD-Mitglieder. Zum einen ist da der Landtagsabgeordnete Joachim Paul aus Koblenz. Bereits 2019 wurde er als Vorsitzender des Medienausschusses im Landtag abgewählt, weil er unter Pseudonym für eine NPD-nahe Zeitschrift geschrieben haben soll. Paul bestritt dies. In jüngerer Vergangenheit fiel er unter anderem mit einer Einladung des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner auf, der der Kopf der rechtsextremen Identitäten Bewegung war. Zum Kreis der Bonner Burschenschaft gehört auch der Europa-Spitzenkandidat Alexander Jungbluth aus Rheinhessen. Mit Platz fünf auf der Bundesliste hat er gute Chancen, bei der Wahl im Juni ins EU-Parlament einzuziehen.
Spitzenplatz für Europa, Parlamentsgeschäftsführer, Bundestagsabgeordneter – das Netzwerk hat viele entscheidende Positionen der Partei im Land besetzt. Ein Mitarbeiter der Mobilen Beratung sagt gar: „Die Vernetzung zwischen den DBBurschenschaften und der AfD ist vermutlich nirgendwo in Deutschland enger als in Rheinland-Pfalz“.