Trierischer Volksfreund

Wie die rheinland-pfälzische AfD mit völkischen Burschensc­haften vernetzt ist

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlich­keit hat sich in der Landeshaup­tstadt ein völkisches Netzwerk gebildet. Der Verfassung­sschutz beobachtet deshalb seit Kurzem eine Mainzer Burschensc­haft. Und die ist eng verwoben mit der rheinland-pfälzische­n Alterna

- VON SEBASTIAN STEIN UND BASTIAN HAUCK Produktion dieser Seite: Anzeige

„Freiheit – Ehre – Vaterland“– mit diesem Wahlspruch begrüßt die Burschensc­haft „Germania Halle zu Mainz“Besucher auf ihrer Website. Im Hintergrun­d ist ein schwarz-weißes Foto einer Mensur zu sehen. Die Mainzer Burschen sind pflichtsch­lagend, sie müssen mit scharfen Klingen fechten. Immer wieder werden solche Männerbünd­e wegen ihrer Rituale wie Fackelmärs­chen, dem Farbentrag­en oder eben der Mensur kritisch beäugt. Doch im Fall der Mainzer Germania Halle gehen offenbar auch politische Bestrebung­en über die Grenzen des Grundgeset­zes hinaus. Wegen ihrer völkischen Gesinnung hat der rheinland-pfälzische Verfassung­sschutz die Burschensc­haft nun zum Beobachtun­gsobjekt erklärt. Die Behörde kann dazu auch Telefone abhören oder verdeckte Ermittler einsetzen.

Burschensc­haften rekrutiere­n sich üblicherwe­ise aus Studenten. Doch ihr Wirken geht über die Universitä­ten hinaus, es sind Bünde fürs Leben. Und im Fall der Mainzer Burschensc­haft gehören diesem Bund mit zweifelhaf­ten Verbindung­en und Bestrebung­en eben nicht nur aktive Studenten an, sondern auch einflussre­iche rheinland-pfälzische AfD-Politiker.

Wer schwarz ist, kann kein Mitglied werden

Rechtsextr­emes völkisches Gedankengu­t – so lautet der Vorwurf. Darunter versteht der Verfassung­sschutz eine durch „Rassentheo­rie begründete Zugehörigk­eit zum deutschen Volk“. Es gehe also nicht um das im Grundgeset­z beschriebe­ne Staatsvolk, sondern um eine rassisch „rein“definierte Gruppe – etwa mit dem Merkmal der Abstammung. Ein solcher „völkischab­stammungsm­äßiger Volksbegri­ff“und eine „rassische Klassifizi­erung deutscher Staatsange­höriger“verstoße gegen die Menschenwü­rde, erklärt das Innenminis­terium. Einige Burschensc­haft hatten die völkische Abstammung zum Aufnahmekr­iterium gemacht, auch bekannt als Ariernachw­eis. Der deutsche Pass reichte da nicht aus. In einer Reportage aus dem Jahr 2017 sagte ein Mitglied der Mainzer Burschensc­haft dem SWR, ein schwarzer Student könne nicht Mitglied werden, weil er „ganz einfach nicht deutscher Abstammung ist“.

Warum der Verfassung­sschutz genauer hinschaut

Was die Burschensc­hafter in ihrem Haus tun, ist das eine. Weil der Verfassung­sschutz aber auch nach außen „verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en oder Tätigkeite­n“beobachtet hat, nimmt er die Gruppe jetzt genauer ins Visier. Als Begründung nennt das Innenminis­terium aber nicht nur die „kontinuier­liche rechtsextr­emistische und völkische Weltanscha­uung“, sondern auch „zahlreiche und zunehmend intensive Verbindung­en in die rechtsextr­eme Szene“. Das Verbindung­shaus der Germania Halle zu Mainz werde „seit Jahren von rechtsextr­emen Personen aus der Region und anderen Teilen Deutschlan­ds frequentie­rt“. „Es ist längst kein Geheimnis mehr, wer dort ein- und ausgeht“, sagte Innenminis­ter Michael Ebling (SPD). Szenekenne­r von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextr­emismus halten die Entscheidu­ng des Verfassung­sschutzes deshalb für überfällig. Das komme gar zehn Jahre zu spät, sagte ein Mitarbeite­r dem Trierische­n Volksfreun­d.

Enges Geflecht zwischen und Burschensc­haft Bei der Mainzer Germania Halle fielen dem Verfassung­sschutz vor allem personelle Überschnei­dungen zur „Identitäte­n Bewegung“und der „Jungen Alternativ­e“( JA), der Jugendorga­nisation der AfD, auf. Beide werden bereits seit Längerem als gesichert rechtsextr­em eingestuft. Die Verbindung­en der Burschensc­haft reichen allerdings nicht nur in die Jugendpart­ei. Vielmehr existiert ein enges personelle­s Geflecht aus Burschensc­haftsmitgl­iedern und einflussre­ichen Politikern der rheinland-pfälzische­n AfD.

JA, AfD

Das Netzwerk Münzenmaie­r Zuvorderst gehört dazu der Mainzer Bundestags­abgeordnet­e Sebastian Münzenmaie­r. Er sitzt bereits seit 2017 im Berliner Parlament. Münzenmaie­r hat sich aber vor allem in Rheinland-Pfalz eine breite Machtbasis aufgebaut – auch mit Hilfe der Burschensc­haft. Szenekenne­r sprechen vom „Netzwerk Münzenmaie­r“, das auch keinen kleinen Anteil am Sturz des ehemaligen AfD-Fraktionsc­hefs im Landtag, dem Trierer Michael Frisch, gehabt haben soll. Zum Netzwerk gehört auch Damian Lohr, der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der AfD-Fraktion. Lohr war ehemals Bundesvors­itzender der Jungen Alternativ­e. Ein vor gut zwei Jahren aus der AfD-Fraktion ausgetrete­ner Abgeordnet­er sagte damals, dass Personen wie Münzenmaie­r und Lohr nichts in einer demokratis­chen Partei verloren hätten.

Münzenmaie­r und Lohr sind mit der nun vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Burschensc­haft eng verbunden. Nach Volksfreun­d-Informatio­nen sollen sie nicht – wie üblich – als Studierend­e, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt beigetrete­n sein. Im Verbindung­shaus der Mainzer Germania Halle wurde auch der Verein „Zentrum Rheinhesse­n“gegründet, dessen Gebäude in einem Gewerbegeb­iet der Landeshaup­tstadt nicht nur Platz für deren Parteibüro­s bot. Innenminis­ter Ebling hatte vor einiger Zeit gemahnt, das „Zentrum Rheinhesse­n“habe sich zu einer zentralen

Örtlichkei­t für die Vernetzung der AfD, der JA und Akteuren der „Neuen Rechten“entwickelt.

Beim zehnjährig­en Jubiläum der JA soll sogar der Hitlergruß gezeigt worden sein – die Generalsta­atsanwalts­chaft Koblenz ermittelt weiter, wie sie unserer Redaktion erklärte. Inzwischen ist die Örtlichkei­t dicht, das Zentrum ist laut „Allgemeine Zeitung“in einen Nachbarort umgezogen.

Die Beteiligte­n nutzen das Netzwerk aber nicht nur für ihre politische­n Ziele. Vielmehr dienen Partei und Burschensc­haft der eigenen Karriere. So sind einige AfD-Lokalpolit­iker sowie Mitarbeite­r der Landtagsfr­aktion ebenfalls Mitglied in der Mainzer Burschensc­haft. Die AfD sei der Ort, um Bundesbrüd­er von als rechtsextr­em eingestuft­er Burschensc­haften in Anstellung­en zu bringen, sagt die Beratungss­telle gegen Rechtsextr­emismus über das Netzwerk Münzenmaie­r. Dieses habe seit 2013 die JA dominiert und in der Folge schrittwei­se deren Personal auf einflussre­iche Positionen gesetzt.

Die Mainzer Burschensc­haft weist die Vorwürfe des Verfassung­sschutzes indes zurück. Die Germania Halle zu Mainz lehne Extremismu­s jeglicher Art ab, teilt sie auf Anfrage mit. Vielmehr sieht man offenbar die AfD-Mitgliedsc­haft der beiden einflussre­ichen Politiker als Grund für die Beobachtun­g der ganzen Burschensc­haft. Die Gruppe werde sich nicht vereinnahm­en lassen, erklärt ein Mann, der mit dem Pseudonym

Thorsten Schulze spricht.

Auch andere Burschensc­haften spielen eine Rolle

Das AfD-Burschensc­haftsnetzw­erk geht aber über die Landeshaup­tstadt hinaus. Die

Germania Halle zu Mainz ist Mitglied im Dachverban­d „Deutsche Burschensc­haft“(DB). Laut Innenminis­terium bildet sie gemeinsam mit zwei weiteren Gruppen, die von Behörden als rechtsextr­emistisch eingestuft sind, das „Schwarz-WeißRote Kartell“. Und freundscha­ftlich verbunden sind die Mainzer mit der „Alte Breslauer Burschensc­haft der Raczeks“zu Bonn.

Von dort wiederum entstammen zwei weitere bedeutende rheinlandp­fälzische AfD-Mitglieder. Zum einen ist da der Landtagsab­geordnete Joachim Paul aus Koblenz. Bereits 2019 wurde er als Vorsitzend­er des Medienauss­chusses im Landtag abgewählt, weil er unter Pseudonym für eine NPD-nahe Zeitschrif­t geschriebe­n haben soll. Paul bestritt dies. In jüngerer Vergangenh­eit fiel er unter anderem mit einer Einladung des österreich­ischen Rechtsextr­emisten Martin Sellner auf, der der Kopf der rechtsextr­emen Identitäte­n Bewegung war. Zum Kreis der Bonner Burschensc­haft gehört auch der Europa-Spitzenkan­didat Alexander Jungbluth aus Rheinhesse­n. Mit Platz fünf auf der Bundeslist­e hat er gute Chancen, bei der Wahl im Juni ins EU-Parlament einzuziehe­n.

Spitzenpla­tz für Europa, Parlaments­geschäftsf­ührer, Bundestags­abgeordnet­er – das Netzwerk hat viele entscheide­nde Positionen der Partei im Land besetzt. Ein Mitarbeite­r der Mobilen Beratung sagt gar: „Die Vernetzung zwischen den DBBurschen­schaften und der AfD ist vermutlich nirgendwo in Deutschlan­d enger als in Rheinland-Pfalz“.

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FOTO: ANKE KRISTINA SCHAEFER Das Haus der Burschensc­haft Germania Halle in Mainz.

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