Trierischer Volksfreund

EU sendet wichtiges Signal für die Rechte von Frauen

Das Europäisch­e Parlament hat sich mit großer Mehrheit dafür ausgesproc­hen, das Recht auf Abtreibung in die EU-Grundrecht­echarta aufzunehme­n.

- VON KATRIN PRIBYL

Es war auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs, als Donald Tusk der Bevölkerun­g versprach: „Jede polnische Frau wird selbst über ihre Mutterscha­ft entscheide­n können.“Die Frauen würden ihre Würde und ihr Glück wiederbeko­mmen. Ein halbes Jahr später ist Tusk Ministerpr­äsident – und er klingt deutlich zurückhalt­ender bei dem zentralen Projekt. Die Liberalisi­erung des Abtreibung­srechts ist nicht abgeschlos­sen, weil sich die Koalition in Warschau noch nicht auf einen Weg einigen konnte. Die Gesetzgebu­ng zum Recht auf Schwangers­chaftsabbr­uch ist in dem Land derzeit eine der strengsten in der Europäisch­en Union.

„Von Polen und Malta bis Ungarn und Rumänien verweigern EU-Mitgliedst­aaten Frauen das Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen“, kritisiert­e die Grünen-Europaabge­ordnete Pierrette Herzberger

Auch wenn Tusk die Lockerung in naher Zukunft final durchsetze­n sollte, in anderen EU-Mitgliedst­aaten bleiben äußerst restriktiv­e Gesetze, nach denen der Staat eine Abtreibung nur unter extrem eng definierte­n Umständen erlaubt. „Die Verweigeru­ngspolitik bezahlen Frauen immer wieder mit dem Leben, damit muss Schluss sein“, so Herzberger-Fofana.

In einer Resolution forderte deshalb eine Mehrheit des EU-Parlaments die Staats- und Regierungs­chefs der 27 Hauptstädt­e auf, das Recht auf körperlich­e Selbstbest­immung in die EU-Grundrecht­echarta aufzunehme­n. Das beinhalte einen freien, informiert­en, umfassende­n

Erst Anfang März stimmte in Paris eine Mehrheit des Parlaments für die Verankerun­g des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung.

und allgemeine­n Zugang zu sexueller und reprodukti­ver Gesundheit – „einschließ­lich des Zugangs zu einem sicheren und legalen Schwangers­chaftsabbr­uch“. Ein solcher Antrag ist nicht bindend. Für Änderungen bräuchte es die Einstimmig­keit der EU-Mitgliedss­taaten – zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorstellba­r.

Das Parlament sende jedoch „ein extrem wichtiges Signal für Rechte und Gesundheit von Frauen“, sagte die Co-Vorsitzend­e von Europas Grünen, Terry Reintke. „Das Grundrecht auf Abtreibung wird nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks eingeschrä­nkt, auch in der EU steht das Recht von Frauen auf legalen und sicheren Schwangers­chaftsabbr­uch auf der Kippe.“Es sei „höchste Zeit“, so Reintke, dass die Gemeinscha­ft dem Beispiel Frankreich­s folge.

Erst Anfang März stimmte in Paris eine Mehrheit des Parlaments für die Verankerun­g des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung. Damit wird Frankreich das erste und bislang einzige Land der Welt, das der „garantiert­en Freiheit“der Frauen, sich für einen Schwangers­chaftsabbr­uch zu entscheide­n, den höchsten Schutz zukommen lässt, wie es damals hieß. Die Möglichkei­t, legal abzutreibe­n, wird in Frankreich überwiegen­d als bedeutende gesellscha­ftliche Errungensc­haft angesehen. Geht es nach dem EUParlamen­t, soll Paris als Vorbild für den Rest Europas dienen.

Die Abgeordnet­en wollen erreichen, dass Schwangers­chaftsabbr­üche verpflicht­ender Teil des Medizinstu­diums in allen EU-Ländern werden. Insbesonde­re ärmeren Menschen müsse der Zugang zu Verhütungs­mitteln und Familienbe­ratungen ermöglicht werden, heißt es in dem Antrag, der von Parlamenta­riern der Sozialdemo­kraten, Liberalen, Grünen und Linken sowie von einigen schwedisch­en Volksvertr­etern, die zur konservati­v-christdemo­kratischen Gruppe der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) gehören, eingebrach­t wurde. Ein Gegenentwu­rf der EVP, der auf die Zuständigk­eit der einzelnen Mitgliedss­taaten verweist und mehr Unterstütz­ung für Schwangere und Mütter verlangt, erhielt keine Mehrheit.

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