1984: Als Trier k
Zur 2000-Jahr-Feier durfte sich Deutschlands älteste Stadt in altem Glanze sonnen – und setzte glanzvolle Meilensteine für die Zukunft.
In Trier, so besagt ein gängiges Vorurteil, dauert es immer etwas länger, bis Innovationen ankommen oder neue Trends sich etablieren. Für den Fall, dass da etwas dran sein sollte, hier die regelbestätigende Ausnahme: 1984! Ältere Semester unter den Einheimischen wissen, was damit gemeint ist. Für die jüngeren hier ein kleiner Rückblick auf Trier vor 40 Jahren. Eine Stadt in mehrmonatigem Ausnahmezustand der Marke Freudentaumel.
Das hatte natürlich seine Vorgeschichte. Dass Trier die älteste Stadt Deutschlands ist, hatte man schon in der Schule eingetrichtert bekommen. Im Gegensatz zu anderen Städten, die ebenfalls diesen Titel für sich beanspruchten, konnte die schöne, aber tatsächlich etwas verschlafene Moselmetropole, einen handfesten Beweis präsentieren. Der Querschnitt durch einen aus der Mosel geborgenen Eichenpfahl der ersten Trierer Römerbrücke ( VorVorgängerin der heutigen) wurde im Dendrochronologischen Labor des Rheinischen Landesmuseums untersucht. Ergebnis: Der 91-jährige Baum wurde anno 18 oder 17 v. Chr. für den Brückenbau gefällt. Ohne Brücke keine Stadt und ohne Stadt keine Brücke. Die Holzscheibe gilt also als „Gründungsurkunde“für die sprichwörtlich auf der Grünen Wiese im zuvor spärlich besiedelten Moseltalweite aus dem Boden gestampfte Augusta Treverorum, Stadt des Kaisers Augustus im Land der Treverer, der keltischen Ureinwohner.
Knapp zwei Jahrtausende später erkannten die neuzeitlichen Treverer clevererweise die Zeichen der Zeit: Wir können, wenn wir wollen, ein epochales Jubiläum feiern. Und sie wollten! Am 29. März beschloss der Stadtrat, 1984 „2000 Jahre Stadt Trier“zu zelebrieren. Was zugegebenermaßen erst mal nicht nur Jubel auslöste, sondern auch auf Skepsis stieß. Zuviel „Uuwerraasch“(trierisch für Umstände, Verwirrung oder Durcheinander) ist ja nach einem gängigen Vorurteil des Trierers Sache nicht.
Doch die Protagonisten im Stadtvorstand machten einen guten Job. Felix Zimmermann (1933–2014), von 1980 bis 1989 Oberbürgermeister, brachte dank seiner enormen Popularität die Zweifler schnell auf Kurs. Helmut Schröer (81), damals Wirtschaftsdezernent, entfaltete auf ganzer Linie sein Organisations- und Strippenzieher-Talent, und Walter Blankenburg (91) bekommt heute noch feuchte Augen, wenn er daran denkt, was er als Kulturdezernent im Zeichen von „2000 Jahre Stadt Trier“alles ermöglichen konnte.
Als 1984 anbrach, war die Vorfreude groß. Und sie sollte nicht trügen. Beim Festakt auf dem Hauptmarkt – nur eines von vielen Highlights der Haupt-Feierlichkeiten vom 25. bis 28. Mai – bezeichnete Bundespräsident Karl Carstens Trier als „Geburtsstätte abendländischer Kultur“. Top-Wissenschaftler aus aller Welt trafen sich zu einer Festakademie in der Europahalle, Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand entsandte die legendäre Militärstaffel Garde Républicaine zum ersten
Auftritt außerhalb der Landesgrenzen – Trier war damals die nach Paris größte französische Garnisonsstadt. Die Region wie auch die Partnerstädte Gloucester, Metz, Herzogenbusch, Ascoli Piceno und Pula gratulierten mit eigenen Programmbeiträgen. Die Bundespost brachte eine Sonder-Briefmarke mit Porta-Nigra-Motiv heraus, Fernsehsender aus aller Welt entsandten ihre Kamerateams. Trier stand endlich wieder so im internationalen Blickpunkt wie im vierten Jahrhundert. Von Treveris aus, wie die vormalige Augusta Treverorum nun hieß, regierten Konstantin und seine Kaiser-Nachfolger das sich von Schottland bis Nordafrika erstreckende Weströmische Reich. Das Geld kam, erkennbar am TR-Münzzeichen, aus Trierer Prägestätten.
Freilich hatte man auch alles
Menschenmögliche getan, um sich würdig zu präsentieren. Mit dem 1980 erstmals gefeierten Altstadtfest konnte Trier „Großveranstaltung üben“, die Restaurierung des ergrauten Petrusbrunnens brachte wieder mehr Farbe auf den Hauptmarkt, die Schaffung des KonstantinBasilika-Vorplatzes nach Plänen des Stararchitekten Oswald Mathias Ungers brachte die Initialzündung für die Befreiung weiterer Altstadt-Plätze vom Autoblech. Am 1. Mai 1984 fuhren letztmals Linienbusse durch die Fußgängerzone. Nicht zu vergessen das grandiose 2000-Jahr-Signet des legendären Schweizer Grafikers Celestino Piatti, das Poster, Aufkleber und Weinflaschen-Etiketten zierte.
Bis Ende des Jahres kamen einige Hundert Stadtjubiläums-Veranstaltungen zusammen, darunter hochkarätige Historienausstellungen in
allen Museen und sogar im DomKreuzgang.
1984 war für Trier auch das „ZweiPräsidenten-Jahr“. Am 30. November gab sich Richard von Weizsäcker, Carstens` Nachfolger als Staatsoberhaupt, die Ehre und pries bei dieser Gelegenheit den von Klaus Apel geschaffenen Handwerkerbrunnen in der Fahrstraße, das Geschenk des regionalen Handwerks zum Stadtjubiläum, als „Kleinod der Schmiedekunst“.
Was vom Jubiläum blieb: In zentralen Punkten prägte 1984 die Entwicklung der Stadt. Die Besucher- und Übernachtungszahlen erreichten neue Dimensionen – der Aufwärtstrend hält bis heute an. Der gewachsene Stolz auf das eigene antike Erbe bewirkte bei vielen Trierern einen positiven Lokalpatriotismus und ein verändertes Bewusstsein im Umgang
mit den römischen Stätten. Es wurden Veranstaltungen im Amphitheater möglich, in den Kaiserthermen, vor der Porta Nigra.
Auch das Kultur- und Kommunikationszentrum Tuchfabrik ist ein „Kind“der 2000-Jahr-Feier. Weil Trier zum Jubiläum dringend eine Stätte für die Ausstellung zur Stadtentwicklung seit der Römerzeit brauchte, wurde die vor sich hingammelnde ehemalige Textilfabrik an der Wechselstraße reaktiviert. 1985 überredeten OB Zimmermann und Kulturdezernent Blankenburg den Stadtrat, seinen Segen für die Umwandlung der Immobilie in ein Zentrum für Alternativ-Kultur zu geben.
An so etwas hatte beim 1979erPlazet für die 2000-Jahr-Feier 1984 gewiss keiner der Stadträte gedacht. Damals hatte man eher die Festigung der Freundschaft mit den europäischen Nachbarn und die Betonung der historischen Bedeutung Triers als Zielvorstellung im Sinne.
Trier war erste deutsche Stadt, die ihr 2000-Jähriges feierte, 1985 gefolgt von Augsburg und 1989 von Bonn. Und sie wird die erste sein, die ihren 2050. Geburtstag feiern kann – wenn man denn will.
Kleiner Fun-Fact zum Abschluss: Im Vorfeld der Trierer 2000-Jahr-Feier mokierte man sich in Köln, dass ihre Stadt doch die älteste in Deutschland sei. Da schlug Helmut Schröer, geboren in Köln und seit einem halben Jahrhundert Trierer (und von 1989 bis 2007 Oberbürgermeister), genüsslich zurück: Per Leserbrief an eine Kölner Zeitung erinnerte er in launigen Mundart-Zeilen daran, dass Köln bereits 1950 gefeiert hat – und zwar sein 1900-jähriges Bestehen .