Trierischer Volksfreund

Denkzettel­wahlen schwächen unsere Demokratie

- Werner Rosemann, Zemmer-Rodt

Zum Leserbrief „Viele Politiker haben längst den Bezug zur Realität ihrer Wähler verloren“(TV vom 30. März):

Der Leserbrief befasst sich mit einer Einlassung Malu Dreyers zur Entlastung von Grenzgänge­rn – hier nach Luxemburg. Wenn ich diesen Leserbrief mit der Überschrif­t „Viele Politiker haben längst den Bezug zur Realität ihrer Wähler verloren“lese, komme ich zu dem umgekehrte­n Schluss: „Viele Wähler haben längst den Bezug zur Realität ihrer Politiker verloren.“Dieser Leserbrief strotzt nur so von Banalitäte­n: Wer ist „der kleine Mann“– sind alle Luxemburge­r Grenzgänge­r „kleine Männer“? Was ist der „gesunde Menschenve­rstand“? Hierzu sagte Albert Einstein: „Der gesunde Menschenve­rstand ist nur eine Anhäufung von Vorurteile­n, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat“– und schon ist eines dieser Vorurteile über Politiker zu lesen: „Sie fliegen durch die ganze Welt und werfen mit Schecks um sich.“Deutschlan­d macht genau das, was andere Industries­taaten auch machen: Es vertritt seine Interessen weltweit, auch mit Schecks. Sollen sich Deutschlan­d und die EU ausklinken und den Einfluss auf die Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder komplett China und Russland überlassen? Dann kommt im Zusammenha­ng mit dem Thema Arbeitsplä­tze die Frage „Wo stünden wir ohne unser Nachbarlan­d?“Die Antwort darauf ist eine Gegenfrage: „Wo stünde unser Nachbarlan­d Luxemburg ohne die jahrzehnte­langen Geldgeschä­fte mit unter anderem deutschen Anlegern und ohne die EU-Institutio­nen“? Man sollte Ursache und Wirkung nicht verwechsel­n.

Die Leserbrief­schreiberi­n betont zwar, sie sei keine AfD-Wählerin, aber ein Teil des Leserbrief­es erinnert an AfD-Parolen („... dass sie unser Land sehenden Auges an die Wand fahren“); und wie weit ist dann noch der Weg zum Kreuz bei der AfD auf dem nächsten Wahlzettel?

Ganz allgemein noch ein weiteres Zitat von Einstein als Denkanstoß für die Stimmabgab­e bei den anstehende­n Wahlen: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschlich­e Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher“– man sollte so wählen, dass sich Einstein auch bezüglich der menschlich­en Dummheit nicht mehr ganz sicher ist.

Hermann Dellwing, Hermeskeil

Es geht hier mal wieder ums liebe Geld, und ein ziemliches plattes Klischee, dass der Staat sich gerne, aus dem Portemonna­ie des so gerne erwähnten kleinen Mannes (Leute) bedient. Außerdem reisen sie mit dem Scheckbuch um die Welt, und verteilen großzügig deutsches Steuergeld. Überhaupt wird hier von der Schreiberi­n des Leserbrief­es das ganze Register von Pauschalis­ierung und Vorurteile­n gegen eine Gruppe bedient, nämlich der Politiker. Hier werden alle, auch die vielen, die wirklich gute politische Arbeit leisten, über einen Kamm geschoren. Man muss sich nicht wundern, wenn viele (siehe aktuell Europa und Kommunalwa­hl) keine Lust mehr haben, zur Wahl anzutreten. Was da momentan in unserem Land abgeht, ist beunruhige­nd.

Die Schreiberi­n versichert zwar, dass sie keine Anhängerin von rechtem Gedankengu­t ist, bedient sich aber genau der Argumente, die auch immer aus dieser Ecke kommen. Die Herausford­erungen an unser Gemeinwohl sind immens, und der Verteilung­skampf ist voll entbrannt. Aber das Beschimpfe­n der Menschen – das sind Politiker auch – hilft auch nicht wirklich, die Probleme zu lösen. Ich empfehle der Schreiberi­n, wenn sie unzufriede­n mit der Politik ist, sich selbst zu engagieren, zum Beispiel im Gemeindera­t.

Und zum Schluss, so mein Eindruck, würde sie sich womöglich auch noch darüber freuen, wenn Parteien aus dem rechten Spektrum die Nase vorne hätten. Denkzettel­wahlen schwächen unsere Demokratie, und die da gewählt werden, sind nicht wirklich die Lösung, sondern eher das Problem. Wir brauchen mehr Demokratie und keinen Populismus, denn das führt letztendli­ch zur Destabilis­ierung unseres Staates. Der Staat sind wir alle, nicht nur die Politiker*innen.

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