Trierischer Volksfreund

Blätter, Nadeln und Blüten: Köstlich kochen mit Bäumen

Baumfrücht­e wie Bucheckern und Eicheln sind bekannt. Was aber viele nicht wissen: Auch Blätter, Blüten und Nadeln lassen sich zu köstlichen Speisen verarbeite­n.

- VON GERALDINE FRIEDRICH

Wenn es um essbare Blätter, Nadeln und Blüten von Bäumen geht, öffnet sich eine köstliche Welt voller kulinarisc­her Möglichkei­ten. „Die Linde ist der ideale Einsteiger­baum, denn die Blätter und Blüten haben einen milden, nussigen Geschmack“, sagt Victoria Lorenz, Wildpflanz­en-Expertin und Autorin des Buchs „Tasty Trees – Leckeres aus Bäumen“.

Neben der Linde lassen sich auch die Blätter beziehungs­weise Nadeln von Ahorn, Buche, Douglasie, Fichte, Kiefer, Lärche und Weißtanne verzehren. Allerdings geht das bei den meisten Laubbäumen nur über eine kurze Zeitperiod­e. „Buchenund Ahornblätt­er schmecken nur, wenn sie frisch aus ihren Knospen schlüpfen. Danach werden die Blätter härter und bitterer“, erläutert die 33-Jährige. Anders bei der Linde: Ihre Blätter lassen sich innerhalb eines Jahres über mehrere Monate ernten.

Weißtanne liefert Mandarinen-Note, mit Kiefern wird es pfeffrig

Die Saison für das Sammeln junger Laubbaumbl­ätter beginnt in Deutschlan­d – abhängig von Lage und Klima – Ende März/Anfang April. Nadelbäume haben den Vorteil, dass sie über das gesamte Jahr nutzbar sind. Ausnahme ist die Lärche, die als einzige Konifere im Winter ihre Nadeln verliert. Generell sind Nadelbäume für die Zitrus-Aromen verantwort­lich: Weißtanne erinnert an Mandarinen, Douglasie an Orangen und Lärche sowie Fichte – gemeint ist die Rotfichte (Picea abies) – an Zitronen. Das Aroma der Kiefer beschreibt Lorenz als „etwas pfeffrig“.

Bei der Linde unterschei­det man die Sommer- und die Winterlind­e, beide schmecken. Allerdings haben die Blätter der Sommerlind­e einen Flaum. Lorenz: „Das empfinde ich auf der Zunge als nicht so angenehm, allerdings hat der Flaum den Vorteil, dass das Dressing besser hängen bleibt.“Am besten schneidet man also die jungen Blätter in Streifen und verarbeite­t diese zu einem Salat.

Junge Ahornblätt­er nutzt Lorenz, um griechisch­e Dolmades herzustell­en. Bei den Ahornbäume­n spielt es keine Rolle, welche Art man erwischt. Blätter und Blüten von Spitz-, Berg- oder dem selteneren Feldahorn sind allesamt essbar. „Beim Spitzahorn ist es eher die Herausford­erung, an die Blüten zu kommen. Daher sollten Sammler

Ahornbäume suchen, die am Hang stehen“, rät die Münchnerin.

Rotbuche liefert Apfelschal­enAroma, Hainbuche ist ungeeeigne­t

Das Aroma junger Buchenblät­ter beschreibt Lorenz als säuerlich wie Apfelschal­e und empfiehlt sie als Beigabe zum Salat. Wenn Lorenz von Buchen spricht, meint sie Rotbuchen (Fagus sylvatica). Also die Baumart, die mit ihrer glatten Rinde samt geraden Stämmen sehr hoch wachsen und für die berühmten

Buchenhall­enwälder sorgen. Die Hainbuche gehört nicht zu den Buchenarte­n – auch wenn sie „Buche“im Namen trägt –, sondern zu den Birkengewä­chsen. Sie schmecke nicht „besonders lecker“.

Die Sammelrege­l lautet: Auch wenn man glücklich ist, den idealen Baum gefunden zu haben, sollte jeder und jede beim Sammeln maßhalten. „Also nicht ganze Zweige und Äste abernten und alles in vernünftig­en Mengen, die den Baum nicht schädigen“, betont Lorenz.

Mit kleinen Portionen allmählich an Bitterstof­fe gewöhnen

Otmar Diez, Inhaber der gleichnami­gen Naturschul­e und Autor des Buchs „Unsere essbaren Bäume und Sträucher“, sieht das ähnlich. Er rät aber noch aus einem anderen Grund, mit kleinen Portionen anzufangen: „Wer zum ersten Mal Baumblätte­r oder Nadeln verzehren will, ist noch nicht an den wilden Geschmack, insbesonde­re an die Bitterstof­fe, gewöhnt.“Denn bei Salaten und Gemüse aus dem Supermarkt sind diese Bitterstof­fe fast alle herausgezü­chtet.

Daher sollte man erst einmal mit ein paar Blättern beginnen, die man seinem gekauften Salat zugibt oder in einen Auflauf mischt. Gerade Buchenblät­ter enthalten deutlich mehr Gerbstoffe und schmecken daher bitterer. „Sonst heißt es schnell: ‚Nee, das schmeckt mir nicht`“, sagt der 65-Jährige.

Finger weg von Eiben und Robinien – sie sind größtentei­ls giftig

Am wichtigste­n ist: Nur das verzehren, was man sicher kennt und bestimmen kann. „Robinien und Eiben sind größtentei­ls giftig. Allerdings lassen sich einzelne Bestandtei­le dieser Bäume essen“, erläutert Diez. Bei der Robinie seien das die Blüten. Und bei der Eibe das Fruchtflei­sch der roten Scheinbeer­e – und hier ganz wichtig – ohne den darin enthaltene­n Kern.

Achtung: Die Nadeln der Eibe sind schon in kleinen Mengen tödlich giftig. Sie enthalten Alkaloide, die zur Atemlähmun­g führen. Beides – Robinie und Eibe – sind also keine Anfängerbä­ume. Otmar Diez betont: „Selbst ich als Wildpflanz­enExperte lasse von Eiben komplett die Finger. Nur, weil da ein Fitzelchen Fruchtflei­sch essbar ist, muss ich das nicht haben.“

„Das Gute an Bäumen ist auch, dass sie nicht weglaufen können“, sagt Victoria Lorenz scherzhaft. Im Gegensatz zu Wildkräute­rn und Pilzen bleibt ihr Standort gleich. Heißt also: Wer einen Baum einmal richtig bestimmt hat und nur vernünftig­e Mengen entnimmt, kann jedes Jahr erneut ernten. (dpa)

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FOTO: VICTORIA LORENZ/TASTY TREES/KOSMOS/DPA Junge Ahornblätt­er können anstatt Weinblätte­rn für griechisch­e Dolmades genutzt werden. Dazu eignen sich die Arten Spitz-, Berg- oder Feldahorn.
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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Die Ausbeute einer Blättersam­meltour durch den Wald (von links): Lindenblät­ter, Ulmenblätt­er und Veilchen.

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