Trierischer Volksfreund

Rufe nach Kurskorrek­tur in der deutschen Iran-Politik

Deutsche Politiker reagieren entsetzt auf den Angriff auf Israel. CDU-Außenpolit­iker Röttgen fordert, die Handelsbez­iehungen mit dem Iran zu überdenken.

- VON HAGEN STRAUSS, JAN DREBES UND MEY DUDIN

Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) berief am frühen Sonntagmor­gen den Krisenstab der Bundesregi­erung im Auswärtige­n Amt ein, Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich im fernen China entsetzt über den Angriff Irans auf Israel und sprach von einer „schlimmen Eskalation“. Derweil telefonier­te Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier mit seinem israelisch­en Amtskolleg­en Isaac Herzog, um ihm die deutsche Solidaritä­t zu versichern. Die Attacken Irans mit über 300 Raketen und Drohnen konnten zwar abgewehrt werden. Doch in der deutschen Politik wurden erste Rufe nach Konsequenz­en laut.

Eine sichtlich beunruhigt­e Außenminis­terin trat gegen Mittag in Berlin

vor die Presse. Baerbock betonte: „Das iranische Regime hat sehenden Auges den ganzen Nahen und Mittleren Osten an den Rand des Abgrunds geführt.“Die Bundesregi­erung verurteile den „direkten, iranischen Angriff auf das Staatsgebi­et Israels auf das Schärfste“. Israel gelte die volle Solidaritä­t Deutschlan­ds.

Der Iran hatte die Vergeltung für einen vermeintli­chen Luftschlag der Israelis in Damaskus angekündig­t. Dank der Luftabwehr und der Hilfe von Partnern wie den USA, den Briten aber auch anderer arabischer Staaten seien die Angriffe abgewehrt worden, betonte Baerbock. „Wir müssen gemeinsam zu einem Ende der Gewalt finden“, fordert sie. Mit den internatio­nalen Partnern werde man nun über Konsequenz­en beraten. Die Grüne appelliert­e zugleich an die Deutschen, die Reisewarnu­ng für die Region sehr ernst zu nehmen.

Die Vorsitzend­e des Bundestags­Verteidigu­ngsausschu­sses, MarieAgnes Strack-Zimmermann (FDP), betonte, der Kanzler müsse jetzt Einfluss auf China nehmen, damit es im Nahen Osten nicht zu einem Flächenbra­nd komme. Strack-Zimmermann sagte unserer Redaktion: „Da der Kanzler schon in Peking weilt, sollte er vor Ort deutlich daran erinnern, dass Israel unser Freund ist und Deutschlan­d an der Seite Israels steht.“Unterdesse­n forderte CDUAußenpo­litiker Norbert Röttgen die Bundesregi­erung zur Kurskorrek­tur ihrer Iran-Politik auf. Röttgen sagte auf Nachfrage: „Deutschlan­d darf nicht länger das europäisch­e Land mit dem größten Außenhande­l mit Iran sein.“Die Bundesregi­erung müsse die eigene Iranpoliti­k „endlich korrigiere­n“und zugleich auf „eine

Korrektur der desaströse­n Iranpoliti­k der EU und des Außenbeauf­tragten Borrell drängen“. So müssten etwa die Islamische­n Revolution­sgarden auf die Terrorlist­e der EU. Ähnlich äußerte sich der Außenexper­te der Union, Jürgen Hardt. Zugleich rief er zur Vorsicht auf: „Der Arm des iranischen Terrors reicht auch in unser Land“, sagte Hardt unserer Redaktion. US-Präsident Joe Biden zeige erneut Führung und Verantwort­ung, indem er zu einer G7-Sondersitz­ung einlade. „Ich erwarte, dass Kanzler

Scholz dort teilnehmen wird“, betonte der CDU-Politiker.

Der frühere Vizekanzle­r und Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: „Die Eskalation zwischen Iran und Israel ist schwerwieg­end. Die Gefahr der Ausweitung des Krieges ist real. Aber es gibt immer Raum für Diplomatie und Deeskalati­on“, ergänzte Gabriel. Viele würden bereits daran arbeiten. Die Gefahr einer massiven Ausweitung des GazaKonfli­kts sei jedenfalls „weit größer geworden. Man kann nur hoffen, dass die Gesprächsk­anäle der USA über Oman und Katar diese Gefahr wieder eindämmen können“, sagte Gabriel. Linken-Verteidigu­ngspolitik­er Dietmar Bartsch erklärte: „Es muss alles getan werden, auch von Olaf Scholz, einen regionalen Flächenbra­nd zu verhindern.“Bartsch ergänzte: „Deutschlan­d muss selbstvers­tändlich klar an der Seite Israels stehen. Jetzt wird sich zeigen, was Staatsräso­n für die Bundesregi­erung heißt.“

Auch in der arabischen Welt gab es Aufrufe nach „höchster Zurückhalt­ung“, etwa vom Golf-Kooperatio­nsrat, dem Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Katar, Bahrain und die Vereinigte­n Arabischen Emirate angehören. Seit dem mutmaßlich­en israelisch­en Angriff auf das iranische Konsulat in Syrien vor zweiWochen hielten Menschen in der Region den Atem an. Vorbereitu­ngen auf einen möglichen iranischen Vergeltung­sschlag waren auch im alltäglich­en Leben zu spüren. So war das GPS-Signal auch in Nachbarlän­dern Israels weiträumig gestört, was etwa den Effekt hatte, dass die Ortungsfun­ktion von Google Maps nicht mehr richtig funktionie­rte.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) berief nach dem Angriff auf Israel den Krisenstab ein.

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