Kann Scholz China von Deeskalation überzeugen?
Kanzler Olaf Scholz’ wichtige Reise nach China wird überschattet vom Angriff des Iran auf Israel: Scholz managt die Krise vom Hotel aus.
Es ist verwirrend. Auch für einen Kanzler. Wenn Olaf Scholz in die Lobby seines Hotels will, dann muss er in den 42. Stock. Wenn er dort aus der Tür tritt, ist er auf der Straße und kann gegenüber in den achten Stock des nächsten Hotels laufen. Die erste Station der dreitägigen China-Reise des Kanzlers ist das am Jangtse-Fluss in Zentral-China gelegene Chongqing, das als größte Stadt der Welt gilt. Im Verwaltungsgebiet, das so groß wie Österreich ist, leben etwa 32Millionen Menschen. Die Stadt ist bergig, von Flüssen zerklüftet, dennoch dicht besiedelt. Die Architektur ist daher verwirrend – und sie ist faszinierend zugleich.
Doch Scholz zweite Reise als Kanzler in das Riesen-Reich findet während größten diplomatischen Spannungen statt: Der Iran hat Israel angegriffen. An Bord der Regierungsmaschine macht die Nachricht schnell die Runde. Der SPD-Regierungschef erfährt davon in der Nacht, auf halber Strecke zwischen Berlin und Chongqing. An Schlaf ist eher nicht zu denken. Erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik hatte der Iran seinen Erzfeind Israel in der Nacht zum Sonntag direkt angegriffen. Die Revolutionsgarden feuerten Hunderte Drohnen und Raketen ab als Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien.
Kaum gelandet, verurteilt Scholz die schweren iranischen Luftangriffe auf Israel „mit aller Schärfe“. „Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand“, erklärt Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Namen des Kanzlers. „In diesen schweren Stunden steht Deutschland eng an der Seite Israels. Über weitere Reaktionen werden wir uns nun eng mit unseren G7-Partnern und Verbündeten besprechen.“
Umdrehen und zurückfliegen wird Scholz nicht, dafür ist der Besuch zu wichtig, stehen doch am Dienstag Gespräche mit Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang in Peking an. Doch schon der erste Tag verläuft anders als geplant. Das Programm wird verkürzt, und er sitzt im Hotel und leitet – verschlüsselte – Schalten in Berlin. In Deutschland konferiert er mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Verteidigungsministerin Boris Pistorius und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD). Am Abend wird es auf Ebene der Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten eine Schalte geben. Den
Nachmittag über hält Scholz' Delegation Kontakt nach Israel.
Am frühen Abend steht der Kanzler am Ufer des Flusses Jialing vor eindrucksvoller Kulisse und sagt: „Wir können nur alle warnen, insbesondere den Iran, so weiterzumachen“, sagt Scholz. Er betont erneut die deutsche Solidarität mit Israel, das seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober jedes Recht habe, sich zu verteidigen. Im Hintergrund schwingt die bange Frage mit, was Israel als Antwort auf die Angriffe unternehmen wird. Die Krisen nehmen nicht ab. Es ist eine weitere außenpolitische Bewährungsprobe für den deutschen Kanzler. Gelingt es ihm, direkt mit China zu sprechen und das Land dazu zu bewegen, zur internationalen Deeskalation beizutragen, dann ist der Besuch ein Erfolg. Bei Ankunft ist das allerdings unklar.
In einer ersten Reaktion zeigt China sich „zutiefst besorgt“. Peking rufe alle auf, Ruhe zu bewahren, um eine weitere Zunahme der Spannungen zu vermeiden, teilte das chinesische Außenministerium mit. Die verschärfte Lage sei der jüngste Ausdruck dessen, dass sich der Gaza-Konflikt ausbreite. China rufe die internationale Gemeinschaft und vor allem einflussreiche Länder auf, sich in konstruktiver Weise für Frieden und Stabilität in der Region einzusetzen. Für Scholz geht es in diesen drei Tagen auch um den Beweis, ob Deutschland außenpolitisch noch Gewicht hat in der Welt.