Sorgen und Mahnungen im Fall junger Terrorverdächtiger
Vier Jugendliche aus zwei Bundesländern sollen einen islamistischen Terroranschlag geplant haben – Polizeigewerkschaften fordern von allen mehr Wachsamkeit.
(dpa) Polizeigewerkschaften haben den Fall der vier jugendlichen Terrorverdächtigen aus Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg als besorgniserregend bezeichnet und zur Wachsamkeit aufgerufen. Die vier Minderjährigen sollen einen islamistischen Terroranschlag „gemäß den Zielen und der Ideologie des Islamischen Staats (IS)“vorbereitet haben, sie sitzen seit Ostern in Untersuchungshaft, wie die
Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag mitteilte.
Die Tatverdächtigen entsprächen nicht dem vorherrschenden Bild von mutmaßlichen Extremisten mit islamistischem Hintergrund, also um die 30 Jahre alt, männlich und möglicherweise kampferprobt, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sondern es handele sich um „Jugendliche, die normal unter uns leben und zu uns gehören“. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Michael Mertens, sagte: „Egal, welches Alter und welches Geschlecht, Terror ist ernst zu nehmen.“Bei der Generalstaatsanwaltschaft hieß es am Wochenende, man werde keine Angaben über Zwischenstände in dem laufenden Ermittlungsverfahren machen.
Bei den Festgenommenen handelt es sich laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) um eine 15-Jährige aus Düsseldorf, einen 15-Jährigen aus Lippstadt, eine 16-Jährige aus Iserlohn und einen 16-Jährigen aus Ostfildern in Baden-Württemberg. Sie sollen sich den Ermittlern zufolge zu einem Verbrechen – Mord und Totschlag – „in Tateinheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“bereit erklärt haben. Es ist dem Minister zufolge davon auszugehen, dass das Internet bei ihrer Radikalisierung eine Rolle gespielt habe. Islamistische
Influencer richteten sich inzwischen besonders an Jugendliche, hatten Ermittler gewarnt.
Auch in der Schweiz nahmen die Sicherheitsbehörden drei Jugendliche im Alter von 15, 16 und 18 Jahren fest. Laut dem Schaffhauser Staatsanwalt Peter Sticher geht es konkret um die Planung von Sprengstoffanschlägen in der Schweiz. Den Inhaftierten würden strafbare Vorbereitungshandlungen zu vorsätzlicher Tötung und die Unterstützung der verbotenen Terrororganisation IS vorgeworfen. Die drei jungen Männer waren demnach am Osterwochenende verhaftet worden. Es würden etwaige Verbindungen zu den Fällen in Deutschland geprüft, hieß es.
Wendt appellierte an alle – Eltern, Lehrkräfte, Freunde, Bekannte – entsprechend aufmerksam zu sein: „Alles deutet sich irgendwie an.“So könnten neue merkwürdige Freunde, ein ungewohntes, übertriebenes Vokabular, Verschlossenheit und Rückzug
Hinweise sein oder auch SchuleSchwänzen womöglich ein Indiz für eine Wesensveränderung bedeuten. GdP-Landeschef Mertens wies auf Anfrage darauf hin, wie wichtig gezielte Ermittlungen heute im Netz seien. „Es geht fast alles über das Internet, über die Messenger-Dienste, über die man sich auch zu Straftaten verabredet.“Es sei eine gesamtpolitische Diskussion darüber notwendig, „ob wir nicht etwas mehr Datenschutz aufgeben wollen, um mehr Sicherheit zu bekommen“. Nach Mertens Einschätzung ist Deutschland „Datenschutzland Nummer eins und Bedenkenträger Nummer eins beim Datenschutz“. Häufig sei man auf Hinweise von ausländischen Nachrichtendiensten angewiesen.
Die jungen Verdächtigen hatten den Sicherheitskreisen zufolge keinen konkreten Anschlagsplan mit Zeit und Ort, als Anschlagsstädte seien aber Dortmund, Düsseldorf und Köln diskutiert worden und man habe über Angriffe mit Messern und Molotow-Cocktails auf Menschen in Kirchen oder auf Polizisten in Polizeiwachen nachgedacht. Der Hinweis auf Angriffe gegen Polizeiwachen „schockt uns nicht“, stellte Rainer Wendt klar. „Mit dieser Gefahr leben Kollegen und Kolleginnen seit Jahren.“Es habe auch bauliche Veränderungen wie Schleusen an Eingängen gegeben, Polizeibeamte seien gut geschützt und schützten sich auch selbst gut. Allerdings könne man nie vollständig gegen Überraschungsangriffe draußen geschützt sein.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser reagierte entsetzt auf die mutmaßlichen Terrorpläne der vier Jugendlichen. Es sei „erschütternd“, dass sich Kinder und Jugendliche so massiv radikalisiert und offenbar islamistische Terrorpläne verfolgt hätten, sagte die SPD-Politikerin der unserer Zeitung. „Erneut sehen wir die hohe islamistische Bedrohungslage.“