Trierischer Volksfreund

Wo sollen die Geflüchtet­en im Kreis unterkomme­n?

Obwohl die Zahlen ab Mai steigen sollen, findet der Kreis Trier-Saarburg keinen Platz für eine Sammelunte­rkunft für Geflüchtet­e. Damit hat er dasselbe Problem wie die Landesregi­erung. Doch gibt es auch eine Lösung?

- VON CHRISTIAN KREMER TRIER/SAARBURG/KONZ/SCHWEICH/ HERMESKEIL

Krieg, Natur- und Umweltkata­strophen, Hunger, Wasserknap­pheit und Armut. Es gibt etliche Gründe, warum Millionen Menschen ihre Heimatländ­er verlassen und nach einer besseren Zukunft suchen. Viele von ihnen landen in Deutschlan­d und letztlich auch im Kreis Trier-Saarburg (siehe Info). Viele wollen oder müssen dort auch bleiben. Deshalb ist zuletzt der Wohnraum knapp geworden. Obwohl der Kreis Trier-Saarburg dafür fünf Millionen Euro in den Haushalt eingeplant hat, fehlen die Flächen zur Errichtung einer neuen Sammelunte­rkunft. Das ist die Ausgangsla­ge, mit der sich der rheinland-pfälzische Staatssekr­etär Janosch Littig (Integratio­nsminister­ium/Bündnis 90/Die Grünen) im jüngsten Kreisaussc­huss konfrontie­rt sieht.

Hohe Belegung und Grundstück­e Landrat Stefan Metzdorf wählt ein Bild, um die Situation zu schildern: „Wenn ein nasser Schwamm vollgesoge­n mit Wasser ist, kann er nicht mehr aufnehmen.“Wegen des akuten Wohnraumma­ngels sei der Kreis auf die Verbandsge­meinden zugegangen, um dort um Unterstütz­ung zu bitten. Hermeskeil und Konz seien zunächst außen vor. Hermeskeil wegen der Erstaufnah­meeinricht­ung (Afa) mit bis zu 1600 Bewohnern und Konz wegen der Sammelunte­rkunft, in der bei voller Belegung bis zu 284 Menschen sechs Monate lang nach

keine neuen

Zuweisung in den Kreis leben sollen. Die angebotene­n Grundstück­e der anderen seien jedoch zum Bau einer größeren Unterkunft nicht geeignet, erläutert der Landrat. Es seien keine Flächen mehr verfügbar. „Wie stehen Sie insgesamt zu der Entwicklun­g?“, fragt er den Staatssekr­etär.

Eine für die Kommunen befriedige­nde Antwort liefert Littig nicht. „Die Probleme, die die kommunale Familie im Kleineren hat, haben wir als Land genauso. Auch wir finden keine Liegenscha­ften mehr“, sagt er. Zuletzt habe das Land die Afa-Kapazitäte­n mehr als verdoppelt auf 7600 Plätze. Dadurch bleibe die Zahl der auf die verschiede­nen Kommunen zu verteilend­en Geflüchtet­en stabil. Auch die Zeiträume, die Geflüchtet­e in den Afa verbringen, seien länger geworden. Die Kommunen bekämen so mehr Planungssi­cherheit. „Wir haben eigentlich noch vor, weitere

Kapazitäte­n zu schaffen“, führt Littig weiter aus. Aber: „Sobald die Politik vor Ort das mitbekommt, formiert sich der Widerstand.“Deshalb prüfe das Land, Kapazitäte­n durch weitere Thermohall­en an anderen Standorten zu schaffen.

Neue Aufnahmeei­nrichtung im Norden von Rheinland-Pfalz?

Bernhard Henter (CDU) und andere im Ausschuss betonen, dass es aus ihrer Sicht unfair ist, dass das Land die meisten Afa-Kapazitäte­n in der Region Trier geschaffen hat. In Trier, Hermeskeil, Bitburg und Bernkastel-Kues sind mehr als die Hälfte derjenigen untergebra­cht, die neu in Rheinland-Pfalz ankommen. Weitere Landeseinr­ichtungen gibt es nur noch in Kusel und Speyer. Littig versteht die Argumentat­ion. Er sagt deshalb: „Sollte ich einen neuen Afa-Standort finden, wird der definitiv nicht mehr im Westen sein.“Er habe großes Interesse an einer Afa im Norden des Landes. Damit meint er die Region Westerwald/Koblenz.

Wie schwer es gerade für die Kommunen in der Region Trier ist, Wohnraum zu finden, erläutern die Verantwort­lichen aus verschiede­nen Verbandsge­meinden: Jürgen Dixius (Saarburg-Kell), Michael Holstein ( Trier-Land) und Stephanie Nickels (Ruwer). Dixius beschreibt das Bevölkerun­gswachstum durch den luxemburgi­schen Arbeitsmar­kt und den dadurch steigenden Druck auf den Wohnungsma­rkt in Grenznähe, der zusätzlich zu dem durch die Geflüchtet­en entstehe. Die Geflüchtet­en, die das Land nicht mehr in der

Afa-Statistik führe, hätten die Kommunen aufgenomme­n. Sie lebten in den Wohnungen, die dort gefunden worden seien. „So hat sich der Topf der verfügbare­n Wohnungen absolut gefüllt, und es sind keine mehr verfügbar“, sagt Dixius. Zudem sei die Bauaktivit­ät zurückgega­ngen wegen der Preissteig­erungen im Baugewerbe.

Endgültige Antworten Nickels und Holstein beschreibe­n die Lage ähnlich. „Wir sind in den Gemeinden an einem Punkt, wo wir nicht mehr weiter können“, sagt Nickels. Holstein weist darauf hin, dass die Mitarbeite­r, die nach Wohnraum suchten, ausgebrann­t seien. Er beklagt zusätzlich überborden­de Regelungen und Gesetze, die das Erschließe­n neuen Wohnraums noch schwerer machten. „Was empfiehlt uns die Landesregi­erung, wenn ich keinen Wohnraum mehr finden?“, fragt er. Metzdorf spitzt die Frage noch einmal zu: „Was ist, wenn wir uns abmelden, weil es nicht mehr geht?“

Littig hat darauf keine Antwort. „So wie sich ein Landkreis nicht abmelden kann, kann ich auch das Land nicht abmelden“, sagt er. Die staatliche­n Ebenen sollten zusammenar­beiten. Die Mitarbeite­r des Landes hätten auf einer anderen Ebene exakt die gleichen Probleme wie die der Kommunen. Und er trage die Probleme des Landes und der Kommunen weiter an den Bund. „Ich habe auch keinen Spaß daran, 2000 Menschen in Speyer oder 1600 Menschen in Hermeskeil

fehlen

zusammenzu­pferchen“, sagt er. Und dann wiederholt er, womit die Debatte angefangen hat. „Wir brauchen Gemeinscha­ftsunterkü­nfte – es wird nicht anders gehen.“Das betone er seit acht Monaten in jedem Schreiben an die Kommunen.

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FOTO: ANDREAS SOMMER Die Zahl der Menschen, die nach Deutschlan­d kommen, steigt vermutlich ab Mai wieder. Wo die Neuankömml­inge untergebra­cht werden sollen, ist vielerorts noch offen.
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FOTO: ARCHIV/ DIETER SOLTAU In diesen Containern und ähnlichen Unterkünft­en kommen im Roscheider Weg in Konz Geflüchtet­e unter.

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