Sorge um Eskalation in Nahost – und Risiken in Deutschland
(jd/mdu/dpa) Die USA, Großbritannien und die Europäische Union fordern von Israel mit Blick auf eine mögliche Vergeltung für den iranischen Angriff Zurückhaltung. „Wir stehen am Rand der Klippe und müssen uns von dort wegbewegen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag im spanischen Radiosender Onda Cero. „Wir müssen auf die Bremse treten und den Rückwärtsgang einlegen.“Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Rande seines China-Besuchs, auch Israel müsse jetzt zur Deeskalation beitragen. Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Außenminister David Cameron.
Die Bundesregierung verurteilte die Attacke Irans am Montag erneut. Diese sei „klar völkerrechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sicherte zu, dass sich auch in diesem Fall „Deutschland solidarisch an die Seite von Israel“stelle. Das Auswärtige Amt bestellte den iranischen Botschafter ein. Auch in Frankreich und Großbritannien wurden die iranischen Geschäftsträger einbestellt – umgekehrt ließ Irans Außenminister die Botschafter der drei Länder in Teheran einbestellen.
Iran hatte in der Nacht zum Sonntag erstmals in der Geschichte von seinem Staatsgebiet aus direkt Israel angegriffen. Nach israelischen Angaben wurden fast alle der 300 vom Iran abgefeuerten Drohnen und Raketen abgewehrt. Iran betrachtet die Attacke als Reaktion auf den von dem Land Israel zugeschriebenen Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus. Fast alle auf Israel abgefeuerten Geschosse wurden abgefangen, auch mit Unterstützung der USA, Großbritanniens und Frankreichs sowie arabischer Länder. Von deutscher Seite gab es laut Verteidigungsministerium „keine aktive Beteiligung“. Allerdings gab es nach Auskunft eines Sprechers im Rahmen der internationalen AntiIS-Operation in Irak und Syrien drei deutsche Luftbetankungen von zwei französischen Jets, jedoch demnach nicht während der Abfangoperation.
In der Sorge um einen massiven Schlag Israels gegen Iran im Nachgang des Angriffs vom Wochenende hat auch der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul vor einer weiteren Eskalation gewarnt. „Wir hoffen, dass es Zurückhaltung gibt“, sagte der für Außen- und Sicherheitspolitik zuständige Unionsfraktionsvize am Montagmorgen im
Deutschlandfunk. Die Gefahr einer Eskalation bleibe nach dem ersten direkten Angriff des Irans auf Israel in der Nacht zum Sonntag aber „bedauerlicherweise hoch, weil man schon davon ausgehen muss, dass Israel reagiert“. Es sei zu hoffen, dass Israel den Vorschlägen aus Washington folge und in einem angemessenen Rahmen reagiere, betonte er. Ein „zweiter voll entflammender Krieg hier ganz in der Nachbarschaft zu Europa“wäre für alle eine Katastrophe, warnte Wadephul.
Der Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour, der selbst aus dem Iran stammt, sagte am Montag bei einer Veranstaltung seiner Partei: „Dieses Regime spielt mit dem Feuer.“Die Grünen verurteilten den „massiven Angriff“Irans auf Israel. Die Gewalt müsse umgehend beendet werden. Doch Israel sei stark genug, sich wehren zu können und könne sich auf seine Verbündeten, darunter Deutschland, verlassen. Nouripour dankte der Bundeswehr für ihren Einsatz an einer „defensiven Mission“.
Unterdessen befürchtet Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch Auswirkungen des Angriffs auf die Sicherheitslage in Deutschland. „Was wir am Wochenende erlebt haben ist eine brandgefährliche Eskalation im Nahen Osten durch den furchtbaren Angriff des Irans, des dortigen Mullah-Regimes auf Israel. Das verurteile ich aufs Schärfste. Es geht jetzt dort um Deeskalation“, sagte Faeser. „Wir sehen natürlich bei Gewaltspiralen im Nahen Osten leider auch Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland. Das haben wir nach dem furchtbaren Terrorangriff der Hamas auf Israel seit letztem Oktober gesehen. Und das gilt es jetzt zu vermeiden“, so die Ministerin. „Für uns ist wichtig, dass die Behörden sehr genau hingucken: Was wird zum Beispiel in den sozialen Medien gepostet“, fügte Faeser hinzu. Sie betonte zugleich: „Wir haben keine unmittelbare Gefahr, die uns bevorsteht, aber selbstverständlich führen diese Gewalteskalationen aus dem Nahen Osten auch möglicherweise zu einer höheren Gefährdung der Jüdinnen und Juden in Deutschland“, sagte Faeser. Mit Blick auf das umstrittene Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das nach dem Angriff Irans am Wochenende wieder verstärkt in den Blick geraten war, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, dass die Auswertung von beschlagnahmten Beweismitteln nach Durchsuchungsmaßnahmen laufe. Es handele sich um ein rechtsstaatliches Verfahren, das sehr intensiv geführt werde.