Eine planlose Reformidee der Ampel-Koalition
Es ist ein schweres und hochsensibles Thema: Die Frage, ob Frauen eine Schwangerschaft auf legalem Weg abbrechen dürfen oder ob dieser Schritt weiterhin rechtswidrig bleiben soll, ist ethisch komplex und politisch extrem heikel. Denn sie betrifft das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren ebenso wie das Lebensrecht des Ungeborenen. Zwei Rechte, die unbedingt schützenswert sind und sich nicht gegeneinander aufwiegen lassen. Dennoch können schwangere Frauen in Situationen kommen, in denen sie sich damit auseinandersetzen müssen, ob sie das ungeborene Kind zur Welt bringen oder die Schwangerschaft beenden. Es sind Extremsituationen, die aus großer Not und existenziellen Sorgen entstehen können, und Entscheidungen, die mit Sicherheit keine Frau leichtfertig trifft. Umso schwieriger ist es, wenn der Gesetzgeber für diese persönlichen Lebenslagen Regeln vorgeben und diese neu ausrichten will.
Genau das hat sich die AmpelKoalition vorgenommen. Allen voran SPD und Grüne wollten den Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch reformieren. Die Bundesregierung holte sich dafür externe Expertise ein. Seit Montag liegt nun der Bericht der Expertenkommission vor, die eine Legalisierung von Abtreibungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Schwangerschaft empfiehlt. Na dann, gutes Gelingen, möchte man dem Regierungsbündnis zurufen.
Denn gerade lässt sich beobachten, dass die aufgeheizte politische und gesellschaftliche Debatte über das Thema, die es bereits in der Vergangenheit gab, erneut aufflammt. Die Union droht bereits damit, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, sollte die Ampel Abtreibungen tatsächlich entkriminalisieren. Selbst zwischen evangelischer und katholischer Kirche herrscht Dissens. Und auch die Koalitionspartner sind sich uneins, wie es nun weitergehen soll. Kurzum: Die Positionen sind kontrovers, die Spannungen immens.
Nach dem Abschlussbericht der Sachverständigen gibt es nun zu Recht die Erwartung, dass die Ampel politische Schlüsse daraus zieht und noch in dieser Wahlperiode Reformen anstößt. Warum hätte sie sonst eine Kommission einsetzen müssen, wenn deren Empfehlungen am Ende ohne Folgen bleiben? Doch nichts deutet darauf hin, dass die Ampel einen Plan hat, wie sie mit dem Expertenbericht umgehen will, geschweige denn, wie eine Gesetzesreform aussehen könnte. Hinzu kommt: Das Timing ist denkbar schlecht. In weniger als zwei Monaten steht die Europawahl an, im Herbst folgen drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, dann steht das Jahr der Bundestagswahl bereits bevor. Wenn man es genau nimmt, kommt die Ampel bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr aus dem Wahlkampf heraus. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten spitzen sich gefährlich zu, die weltweiten Krisen nehmen zu – und damit auch die Unsicherheit in der Bevölkerung. In dieser volatilen Lage braucht es keine weitere Debatte, die das Potenzial hat, die Gesellschaft zu spalten, und die Regierungskoalition in einen neuen Streit zu stürzen.