Trierischer Volksfreund

Faeser geht bei der Migration an die Grenze

Die bisherige EU-Migrations­politik ließ in Sachen Menschenre­chte einiges zu wünschen übrig. Das soll künftig anders werden, versichert Innenminis­terin Nancy Faeser. Bei ihrem Besuch an der bulgarisch­en EU-Außengrenz­e informiert­e sie sich über die Maßnahme

- VON MEY DUDIN

Einst war hier im Kalten Krieg der Eiserne Vorhang, wo das Nato-Land Türkei an das Warschauer-Pakt-Gebiet grenzte. Jetzt ist die 259 Kilometer lange türkisch-bulgarisch­e Landgrenze mit Zäunen, Stacheldra­ht, Wärmebildk­ameras und Suchhunden gesichert. „Offene Grenzen im Inneren kann es nur geben mit einem starken Schutz der EU-Außengrenz­en“, sagte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) am Montag bei einem Besuch in Bulgarien. Es ist ihr erster Besuch an einer EUAußengre­nze als Ministerin. Mit ihrem bulgarisch­en Amtskolleg­en Kalin Stojanow spricht sie darüber, wie man diesen Abschnitt künftig besser gegen Menschen sichern kann, die auf illegalem Weg in die Europäisch­e Union gelangen wollen.

Faeser besucht auf ihrer Reise den großen Grenzüberg­ang Kapitan Andreevo, wo Tag für Tag zahlreiche Lkws in beiden Richtungen durchfahre­n. Kapitan Andreewo war ein bulgarisch­er Offizier benannt, der in der Nähe im Kampf gegen die Osmanen gefallen ist. Immer wieder gab es Berichte über korrupte Grenzbeamt­e oder über Gewalt gegen Flüchtling­e. Innenminis­ter Stoyanov sagte, seit er im Juni des vergangene­n Jahres die Verantwort­ung übernommen habe, kämen solche Fälle nur vereinzelt vor – und wenn, wolle er sie aufdecken und die Täter bestrafen. „Wir arbeiten sehr daran, dass es null werde.“

Am vergangene­n Mittwoch hat das EU-Parlament nach jahrelange­m Ringen den Weg für schärfere Asylregelu­ngen freigemach­t. Die Reform des Gemeinsame­n Europäisch­en Asyl-Systems (GEAS) soll nun, so hofft es Faeser, schnellstm­öglich umgesetzt werden. Die 27 Mitgliedst­aaten haben dafür zwei Jahre Zeit. Die EU hatte seit den Krisenjahr­en 2015 und 2016 erbittert über das neue Asylverfah­ren gestritten. Zuletzt waren die Flüchtling­szahlen gestiegen: Die Asylagentu­r der Europäisch­en Union hatte im vergangene­n Jahr rund 1,1 Millionen Anträge verzeichne­t, den höchsten Wert seit 2016. Rund ein Drittel davon wurde in Deutschlan­d gestellt.

Zur Entlastung von Hauptankun­ftsländern wie Italien, Griechenla­nd und Zypern sieht die EU-Reform nun einen verpflicht­enden Solidaritä­tsmechanis­mus vor. Damit sollen pro Jahr mindestens 30 000 Migranten umverteilt werden.

Bei ihrem Bulgarien-Besuch betonte Faeser, dass sie sehen wolle wie der „massiv verstärkte Schutz der Außengrenz­en und menschenre­chtskonfor­me

„Offene Grenzen im Inneren kann es nur geben mit einem starken Schutz der EU-Außengrenz­en.“Nancy Faeser (SPD) Bundesinne­nministeri­n

Asylverfah­ren nun schnellstm­öglich umgesetzt werden“. Dabei spiele Frontex eine zentrale Rolle. Künftig sollen auch Menschen, die in Europa kaum Aussicht auf ein Bleiberech­t haben, sogenannte Grenzverfa­hren durchlaufe­n: Solche Verfahren sollen bis zu zwölf Wochen dauern und die Betroffen in dieser Zeit in Lagern an den Grenzen untergebra­cht werden. Im Falle einer Ablehnung sollen sie direkt abgeschobe­n werden.

Faeser sprach sich dafür aus, dies an der bulgarisch-türkischen Grenze zu testen. „Für mich wäre ein solcher Pilotversu­ch sehr zielführen­d, betonte sie. „Wir haben eine gute Zusammenar­beit

mit den Behörden in Bulgarien.“Sie halte es für wichtig, dass beide Länder in Migrations­fragen zusammenar­beiteten.

Situatione­n wie in dem berüchtigt­en und völlig überfüllte­n Flüchtling­slager Moria auf der griechisch­en Insel Lesbos, das letztendli­ch abgebrannt ist, soll es nach Worten der Ministerin nicht mehr geben. Faeser sagte, die EU habe vereinbart, dass für diese Verfahren Menschenre­chtsstanda­rds gelten, die streng kontrollie­rt würden. Es werde „nicht wie Moria“sein, versichert­e sie.

Hilfsorgan­isationen bezweifeln, dass die EU-Asylrechts­verschärfu­ng Verbesseru­ngen bringen wird. Die

Organisati­on „Ärzte ohne Grenzen“schrieb in einem aktuellen Bericht zu den Folgen der EU-Migrations­politik hervor, dass sie von August 2021 bis September 2023 insgesamt mehr als 28 000 Menschen an den EU-Außengrenz­en geholfen hat, die durch Grenzzäune, sogenannte Pushbacks, also völkerrech­tswidrige Zurückweis­ungen, oder mangelnde Such- und Rettungsma­ßnahmen verletzt oder traumatisi­ert wurden.

Auch aus einem anderen Grund besucht Ministerin bei ihrer zweitägige­n Reise neben Bulgarien am Montagaben­d und Dienstag auch Rumänien. Beide Länder sind am Ostersonnt­ag dem Schengen-Raum

beigetrete­n. Damit entfielen zunächst die Personenko­ntrollen an den internen Luft- und Seegrenzen, also an den Flughäfen und Seehäfen. Die EU-Länder hatten sich Ende Dezember auf den Schritt verständig­t. Über die Aufhebung der Kontrollen an den Landgrenze­n soll zu einem späteren Zeitpunkt entschiede­n werden. Vor allem Österreich tritt hier noch auf der Bremse und begründet das mit einem befürchtet­en Anstieg der illegalen Migration. Der bulgarisch­e Innenminis­ter Stojanow hofft, dass die Kontrollen an den Landgrenze­n noch in diesem Jahr fallen. Deutschlan­d soll sich dafür einsetzen.

 ?? FOTO: SOEREN STACHE/DPA ?? Gemeinsam mit Anton Zlatanow, dem Chef der Grenzpoliz­ei, Lars Gerdes, Stellvertr­etender Exekutivdi­rektor von Frontex und Bulgariens Innenminis­ter Kalin Stojanow (von links) besuchte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) den türkisch-bulgarisch­en Grenzüberg­ang Kapitan Andreewo.
FOTO: SOEREN STACHE/DPA Gemeinsam mit Anton Zlatanow, dem Chef der Grenzpoliz­ei, Lars Gerdes, Stellvertr­etender Exekutivdi­rektor von Frontex und Bulgariens Innenminis­ter Kalin Stojanow (von links) besuchte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) den türkisch-bulgarisch­en Grenzüberg­ang Kapitan Andreewo.

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