Der Pitter und der gute Viez
Autor Bernhard Hoffmann aus Korlingen (Landkreis Trier-Saarburg) erzählt eine neue Geschichte vom Pitter aus dem frühen 19. Jahrhundert — illustriert von Christina Bublitz. Diesmal geht es um einen Wald.
Eine richtige Revolution sollte das werden. Keine politische, nein, eine landwirtschaftliche, bei der höchstens Kohlköpfe rollten. Ach, gab das wieder einen Lärm, sage ich euch. Die Dreifelderwirtschaft hatte ausgedient, so las der Pitter in den Annalen des Ackerbaus vom preußischen Arzt und Ökonomen Albrecht Daniel Thaer. Dabei wurde nämlich auf einem Acker im Herbst gepflügt und Winterweizen ausgesät, im folgenden Sommer der Hafer gesät und im dritten Jahr eine Brache gelassen. Dies im Wechsel der Felder, so dass immer zwei bebaut waren. Aber auch die in der Vierfelderwirtschaft zusätzlich angebauten Hackfrüchte wie Kartoffeln oder Rüben hatten nicht wirklich geholfen, die Armut aus Korlingen zu vertreiben. Es reichte zum Leben kaum und zum Sterben war es noch zu viel.
Und jetzt las er in dieser Schrift des preußischen Ökonomen von den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen
zur Verbesserung der ausgelaugten Böden und zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit: Man musste Luzerne säen, die die Nährstoffe aus den tieferliegenden Bodenschichten nach oben transportierte. Und man musste den Humusgehalt erhöhen – und da war sie, die Revolution!
„Wir halten ab dem Frühjahr Rinder“, sagte er in der Korlinger Versammlung. – „Was? Wie?“– „Ach je, morgens um fünf raus ...“– „Mir reicht unsere Milchkuh vollkommen!“– „Uh, das stinkt!“– „Weißt du, was eine Kuh kostet?“– „Die stoßen einem ins Auge mit ihren Hörnern, meinem Schwager …“– „Hört auf zu jammern, hört zu!“Und so erklärte er, dass mit Mutterkuhhaltung, bei der die Tiere die meiste Zeit auf der Weide verbringen, der Aufwand gering, die Ausbeute jedoch bedeutend sei, also die Kälber und der Mist. So werde der Ertrag vermehrt, ja verdoppelt und verdreifacht. Und da ja das Mehr jeder gerne hört, begannen also die Korlinger, Rinder zu halten und den Mist als Dünger auszubringen. Aber warum erzähle ich das, das wisst ihr ja alles. Das hängt mit dem lieben Vieh zusammen, für das jetzt eine ganze Menge Wald gerodet werden musste, damit man Weiden hatte.
Da passiert nämlich Folgendes: Eines Tages reitet der französische „Officier de gardes à cheval“, der Revierförster, zum Pitter, dem „maire“. Der soll ihm für die Garnison in Trier 100 Ster* Holz geben, die Stelle hat er schon gefunden. Da hilft kein Ärger, kein Schimpfen, kein Weigern. Befehl Napoleons! Sogar die dicksten
Stämme durften die Franzosen jetzt von den Gemeinden nehmen, zumal in Frankreich die Wälder über weite Strecken verwüstet waren. 1809 galt die Erlaubnis auch für die Artillerie, denn die Österreicher hatten sich zum Befreiungskampf erhoben.
So kamen sie also zur Naumetter Kupp, der eine hoch zu Ross, ein zweiter Förster, der „Garde à pied“, zu Fuß, der Pitter mit hängendem Kopf hinterher. Was würden die anderen nachher wieder fluchen und schimpfen. An ihm würde es wieder hängen bleiben.
„Hier!“, zeigt der auf dem Pferd, und der Förster soll es abstecken. „Aber das ist unser Eichenschälwald“, ruft der Pitter, „den brauchen wir für die Lohe!“– „Ça m'est égal“, brummt der Revierförster. „So habt doch ein Einsehen“, fleht der Pitter, „damit verdienen sich unsere Bauern ein kleines Zubrot.“Denn die Eichenrinde war für die Lohe der vielen Ledergerber in Trier nötig und wurde gut bezahlt. „Befehl ist Befehl!“, herrscht ihn der Mann an. Und beide sehen zu, wie die roten Pflöcke für ein 50 mal 20 Meter breites Waldstück eingeschlagen werden. Dann steht der
Pitter da und schaut verbittert auf die vier- und fünffingrigen Eichenstämmchen. Das Geld hätten sie im Winter gut gebrauchen können.
Eine Woche später erschien der „Garde à pied“wieder, um die Holzfäller in den Wald zu führen. Die aber kamen nicht. Also bot der Pitter ihm etwas zu essen an und dazu natürlich den guten Korlinger Viez aus sauren Äpfeln und bitteren Birnen. Das ließ der Franzose sich nicht zweimal sagen und trank auf das Wohl Pitters eine und dann noch eine Porz des erfrischenden Getränks – das er aber nicht gewohnt war. Uiuiui, das schlug heftig ein oder besser durch, der kam von dem gewissen Örtchen gar nicht mehr runter. Aber was tun, jetzt, wo die Holzfäller endlich da waren? „Geh vor!“, rief es aus dem Häuschen mit dem Herz. Da ging also der Pitter mit den Arbeitern den Tarforster Weg empor. Vor und hinter den Wacken hatten sie schon gerodet, für die neuen Rinder brauchten sie mehr Weiden. Danach begann der Wald. „Halt!“, sagte der Pitter und schaute auf das kleine Buchenwäldchen. „Was ist?“, fragte der Anführer. „Wir warten noch auf den Förster.“– „Wir haben keine Zeit zu verlieren, also weiter!“Und der Pitter besah wieder das kleine Buchenwäldchen. Stumm zeigte er darauf. „Na also“, brummten die Männer, nahmen die Äxte und Sägen von den Schultern und legten los.
Das könnt ihr euch denken, dass der Pitter sich jetzt eilig davonmachte. An genau der Stelle sollte nämlich demnächst eine weitere Heuwiese entstehen für das Winterfutter der Rinder. Diese Arbeit war somit gespart. Der Pitter dankte im Stillen dem guten Viez. Der Förster, als er das Dilemma sah, in dem er jetzt in mangelnder Pflichterfüllung aus durchschlagenden Gründen war, setzte heimlich die Pflöcke um und ging stillschweigend über die Umwidmung hinweg. Warum auch nicht, denn Holz ist Holz.
Das Buch „Pitter, Napoleon und das Trierer Land“– 25 Geschichten aus der Besatzungszeit um 1800 mit 50 farbigen Illustrationen von Christina Bublitz – mit 140 Seiten ist für 22 Euro erhältlich per E-Mail an mail@treves. de oder im örtlichen Buchhandel. ISBN: 978-3-88081-704-3.