Kröten-Massaker: Waren es Waschbären?
Haben Waschbären bei Kirf Hunderte von Kröten bei lebendigem Leib gehäutet und gefressen? Es spricht einiges für diesen Verdacht von Förster Dietmar Schwarz. Er hatte zuvor die Rettung der Tiere vor dem Autoverkehr organisiert, an der sich viele Helfer be
KIRF/TRASSEM Die Kröten haben es Förster Dietmar Schwarz angetan. Er kommt ins Schwärmen, wenn er beschreibt, wie sich nächtens Hunderte dieser Amphibien vom Winterquartier zum Laichgewässer ziehen, um dort ihre Eier abzulegen.
Wie die Kröten vor den Autos gerettet werden Auf dem Weg dorthin droht den Tieren allerdings mittlerweile häufig Lebensgefahr, denn oft müssen sie Straßen überqueren. Damit sie dabei nicht überfahren werden, organisiert Schwarz seit Jahren zusammen mit der Waldjugend Trassem und weiteren ehrenamtlichen Helfern eine Art Bringservice. Auf der einen Seite der Straße wird ein Zaun aufgestellt und entlang des Zauns werden Eimer in den Boden eingegraben. Dort plumpsen die Tiere auf ihrer Wanderung hinein, die Tierschützer holen sie bei ihren nächtlichen Einsätzen wieder heraus und bringen sie auf die andere Straßenseite zum Laichgewässer. Der Shuttleservice ist aufwendig. Haben doch knapp 50 Helfer innerhalb von sechs Wochen allein in Kirf 1786 Erdkröten und 102 Grasfrösche vor allem bei nächtlichen Einsätzen sicher über die Straße geleitet.
Wie die Tierschützer darauf kamen, dass Waschbären am Werk waren
Um so schockierender ist für Dietmar Schwarz das, was sich anschließend wohl am Kirfer Weiher zugetragen hat. Die Helfer fanden dort nur noch Überreste eines Gemetzels: die Häute vieler, vieler Kröten. „An einem Morgen haben da rund 100 Häute auf den Steinen gelegen. Das habe ich in mehr als 20 Jahren nicht gesehen“, sagt Schwarz. Frustrierend sei das insbesondere für die jungen Helfer nach so vielen Mühen.
Intensiv haben er und seine Helfer gerätselt, wer die Kröten auf dem Gewissen haben könnte. Kormorane? Schlucken die Tiere ganz. Natürliche Fressfeinde wie Mäusebussarde, Reiher oder auch Nutria? Sie kommen auch nicht infrage. Letztere interessieren sich beispielsweise eher für den Laich. Schließlich stieß einer der Helfer auf Bilder im Internet, die denen in Kirf stark ähneln. Sie stammen von Nordhessen, wo Waschbären mittlerweile zur Plage geworden sind. Auch dort hatten die Säuger Kröten gehäutet. Was ebenfalls für Waschbären als Täter spricht: Ein Jäger hat laut Schwarz ein Waschbärpaar im Leuktal bei Kollesleuken beobachtet.
Wieso Waschbären die Kröten häuten Doch wieso häuten die Waschbären, oder wer auch immer die Kröten gefressen hat, die Lurchtiere? Die Erdkröte verfügt über ein Hautgift, das sie normalerweise davor schützt, gefressen zu werden. Um das Gift zu umgehen, häuten die Waschbären die Kröten vor dem Verzehr mit ihren geschickten Pfoten. Das haben Wissenschaftler im Projekt Zowiac (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren), das von der Frankfurter Uni und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung unterstützt wird, mit Hilfe vieler Opfer-Funde belegt. Die erwachsenen Tiere brächten ihren Jungen bei, wie sie die giftige Haut abschälen könnten, heißt es. In dem Projekt wird untersucht, wie es sich auf Ökosysteme auswirkt, dass sich eingewanderte Arten wie der Waschbär hierzulande ausbreiten.
Sind Waschbären gefährlich? Die Wissenschaftler
für manche Arten
konnten nachweisen, dass Grasfrösche, Erdkröten, Gelbbauchunken und andere geschützte Amphibien zu den Beutetieren von Waschbären zählen. Offenbar kann es in der Laichzeit zu regelrechten Fressorgien kommen, bei denen die Räuber es nur noch auf spezielle Leckerbissen abgesehen haben: So schmausen die Bären dann bevorzugt den noch in den Tieren befindlichen Laich und lassen den Rest des Opfers liegen. Ähnliches wird für Froschschenkel berichtet. Die niedlichen Bären sind also echte Feinschmecker, die für gewisse Arten durchaus gefährlich werden können. Norbert Peter von der GoetheUniversität Frankfurt stellt in einer Veröffentlichung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung fest: „Wir sehen einen Fraß-Druck auf geschützte Amphibien und Reptilien in bestimmten Gebieten, der für diese Arten teilweise bestandsbedrohend ist.“
Wie stark ist der Waschbär im Kreis Trier-Saarburg verbreitet?
Und wie sieht es im Kreis Trier-Saarburg aus? Der Unteren Naturschutzbehörde beim Kreis sind keine weiteren Fälle bekannt, bei denen gehäutete Kröten gefunden wurden. Die Entwicklung der WaschbärPopulation lässt sich ansonsten nur indirekt verfolgen, denn laut Kreisverwaltung werden nur vereinzelte Tiere gemeldet.
Hannah Schmitz, Pressesprecherin der Verwaltung, meldet gestiegene Jagdzahlen, was darauf schließen lässt, dass sich die Art im Gebiet munter fortpflanzt. So wurden im Jagdjahr 2022/23 rund 80 Waschbären in Trier-Saarburg erlegt, 2023/24 waren es 107 Tiere. Allerdings stehen laut Schmitz noch Meldungen aus ein paar Gebieten aus, sodass die Zahl noch steigen könnte.