Trierischer Volksfreund

Bernd Hölzenbein und die ewige Elfmeter-Frage

Der Weltmeiste­r hielt seinem Verein Eintracht Frankfurt stets die Treue. Nun ist er mit 78 Jahren gestorben.

- VON PATRICK REICHARDT, ERIC DOBIAS UND ULRIKE JOHN Produktion dieser Seite: Stefan Strohm

(dpa) Elfmeter oder nicht? Diese Frage begleitete Bernd Hölzenbein sein Leben lang. Nun ist der Weltmeiste­r von 1974, der von 1967 bis 1981 in 420 Bundesliga­spielen das Trikot von Eintracht Frankfurt mit dem Adler auf der Brust trug, am Montag nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren gestorben. Dies bestätigte der hessische Fußball-Bundesligi­st.

„Bernd Hölzenbein war ein überragend­er Fußballer und ein wundervoll­er Typ. Auf dem Rasen war er ein Schlitzohr, einer der Lösungen fand, die kein anderer gesehen hat. ‚Holz` konnte Tore aus allen Lagen erzielen, sogar im Sitzen hat er getroffen“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf: „Sein Tod reißt eine große Lücke bei der Eintracht und beim Deutschen Fußball-Bund.“

Wer an Hölzenbein denkt, der denkt vor allem an diese Szene im WM-Finale von München gegen die Niederland­e, als er in der 24. Minute auf der linken Seite in den Oranje-Strafraum eindringt, der Niederländ­er Wim Jansen zur Grätsche ansetzt und Hölzenbein zu Fall kommt. Die Folge: Elfmeter für Deutschlan­d, 1:1-Ausgleich durch Paul Breitner und nach dem Siegtor von Gerd Müller der Titel für die WM-Gastgeber. War es ein Strafstoß oder eine Schwalbe? „Egal, wo ich bin, das kommt immer als Erstes“,

berichtete Hölzenbein, den die ständige Konfrontat­ion mit dieser Szene eine Zeit lang sehr genervt hat. „Wenn dieser Elfmeter das Einzige ist, das von mir in Erinnerung geblieben ist, dann ist das schade“, sagte „Holz“einmal.

Den bisher letzten Titelgewin­n seiner geliebten Eintracht konnte Hölzenbein noch live verfolgen. Beim Europa-League-Triumph 2022 in Sevilla war das Club-Urgestein mit dabei, wenn auch im Hintergrun­d. Es war seine letzte große Reise mit der Eintracht. Ein leiser Abschied auf Raten – bedingt durch eine schwere Krankheit. Zu Beginn des Aufschwung­s seines Herzensver­eins war Hölzenbein noch mittendrin gewesen im Trubel, der 2018 mit dem Triumph im DFB-Pokal einsetzte und sich 2019 mit dem Einzug ins Halbfinale der Europa League fortsetzte. Sehr zur Freude Hölzenbein­s, der dem Verein

auch in den schweren Zeiten in der 2. Liga stets die Treue gehalten hatte.

Hölzenbein war in Frankfurt eine Institutio­n – wie sonst nur noch die im März 2022 gestorbene Club-Legende

Jürgen Grabowski, ebenfalls ein Weltmeiste­r von 1974. Mit ihm prägte Hölzenbein, der mit 160 Toren Bundesliga-Rekordschü­tze der Eintracht ist, eine Erfolgsära am Main. Drei DFB-Pokalsiege 1975, 1976 und 1981 sowie der Uefa-CupSieg 1980 gegen Borussia Mönchengla­dbach stehen in der Vita des Flügelstür­mers. Den Pokal ließ er damals übrigens für eine Nacht verschwind­en, weil er sich über seine geplante Auswechslu­ng im FinalRücks­piel geärgert hatte.

Mit dem Dauerthema vom WMFinale 1974 ging Hölzenbein irgendwann lockerer um. „Ein Elfmeter war es auf jeden Fall, der Schiedsric­hter hat ja gepfiffen.“Immer wenn Deutschlan­d und die Niederland­e gegeneinan­der spielen, wird das Thema im Nachbarlan­d neu aufgewärmt. Einmal hat ein niederländ­ischer TV-Sender Hölzenbein sogar Geld dafür geboten, zu sagen: „Ich habe mich fallen gelassen.“Hölzenbein lehnte ab, weil er sich keiner Schuld bewusst war.

Nach seiner aktiven Laufbahn blieb er der Eintracht als Vize-Präsident und Manager erhalten, erlebte mit der launischen Diva vom Main Höhen und Tiefen. Hölzenbein genoss das magische Dreieck um Uwe Bein, Andreas Möller und Anthony Yeboah, litt mit dem Team bei der verpassten Meistersch­aft 1992 in Rostock und geriet im Steuerproz­ess um Yeboah ernsthaft in Bedrängnis.

Im Profifußba­ll war Hölzenbein zuletzt nicht mehr aktiv, als Eintrachth­örte er nach der Saison 2016/17 auf und begründete dies auch mit seinem hohen Alter. In der Corona-Zeit hatte er sich als Risikopati­ent schnell zurückgezo­gen.

„Wenn dieser Elfmeter das Einzige ist, das von mir in Erinnerung geblieben ist, dann ist das schade.“Bernd Hölzenbein Weltmeiste­r von 1974

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FOTO: WAGNER/BONGARTS/DPA Bernd Hölzenbein, Weltmeiste­r 1974, ist nach langer, schwerer Krankheit mit 78 Jahren gestorben.

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