Trierischer Volksfreund

Der Geschichts­lehrer und die SA-Parole

Den Prozess in Halle nutzt Björn Höcke augenschei­nlich als große Bühne. Er bemüht Methoden des ehemaligen US-Präsidente­n Donald Trump und inszeniert sich als Opfer. Es steht aber auch einiges auf dem Spiel.

- VON MEY DUDIN

Der erste Verhandlun­gstag im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke vor dem Landgerich­t Halle begann wie so viele Gerichtsve­rhandlunge­n, an denen die AfD beteiligt ist: mit Verzögerun­gen wegen Anträgen und Beschwerde­n der Verteidigu­ng. Für die Verhandlun­g sind zunächst vier Termine angesetzt, ein Urteil könnte am 14. Mai verkündet werden.

Warum steht Höcke vor Gericht?

Dem Chef des AfD-Landesverb­andes Thüringen wird vorgeworfe­n, eine verbotene Parole der Sturmabtei­lung (SA) verwendet zu haben, der paramilitä­rischen Kampforgan­isation der NSDAP. So soll er im Mai 2021 in Merseburg in Sachsen-Anhalt bei einer Rede gesagt haben: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschlan­d“. Dabei ist die Losung „Alles für Deutschlan­d“verboten. Im vergangene­n Dezember gab es wohl einen ähnlichen Vorfall, der aber gesondert verhandelt wird: Höcke soll bei einer Veranstalt­ung im thüringisc­hen Gera den ersten Teil „Alles für“selbst gesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, „Deutschlan­d“zu rufen.

Wie verteidigt er sich?

Vor Gericht hat der 52-Jährige am ersten Verhandlun­gstag noch nicht Stellung genommen, sondern nur ein paar persönlich­e Angaben gemacht. Höcke will laut seinem Rechtsanwa­lt spontan entschiede­n, ob er sich zu den Vorwürfen äußert. In der vergangene­n Woche hatte er sich in einem TV-Duell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkan­didaten Mario Voigt gegen die Anklagepun­kte verteidigt und behauptet, er habe lediglich den Slogan des ehemaligen US-Präsidente­n Donald Trump, „America First“, in einer freien Rede ins Deutsche übertragen. Er habe nicht gewusst, dass es eine SA-Parole sei.

Ist das glaubwürdi­g? Aussage

ist aus mehreren Gründen unplausibe­l: Als Höcke die Parole zum zweiten Mal mit Unterstütz­ung seines Publikums benutzt hat, war längst bekannt, dass schon der erste Auftritt in Merseburg juristisch­e Folgen für ihn hat. Außerdem war Höcke Geschichts­lehrer am Gymnasium. Er hat in Hessen jahrelang unterricht­et. Politikber­ater Johannes Hillje sagte im Gespräch mit unserer Redaktion, es sei „vollkommen unglaubwür­dig und unvorstell­bar, dass ein Geschichts­lehrer nicht weiß, was eine zentrale SA-Parole ist und was nicht“. Er betonte: „Wir reden nicht über irgendeine Parole der Nazis, sondern über einen der wichtigste­n Slogans der Sturmabtei­lung.“Die Thüringer

AfD wird vom Landesverf­assungssch­utz bereits als gesichert rechtsextr­em eingestuft.

Was nutzt ihm denn eine solche gezielte Provokatio­n?

Rechtsauße­n-Politiker brauchen die gesellscha­ftliche Mitte, wenn sie an

die Macht gewählt werden wollen. Um da also Anschluss zu finden, versuchen sie immer wieder Tabus zu durchbrech­en. Die Verwendung der SA-Parole sei „ein Teil seiner Strategie, die Sagbarkeit­sgrenzen zu verschiebe­n“, sagte Hillje. Auch der österreich­ische Rechtsextr­emist

Martin Sellner hat über die Grenze des Sagbaren schon geschriebe­n. „Es geht darum, Unsagbares so oft zu wiederhole­n, dass es wieder sagbarer wird und langsam normal erscheint.“Nach Einschätzu­ng des Politikber­aters hat Höcke sehr bewusst die SA-Parole gewählt, „weil sie erst einmal ohne historisch­en Kontext relativ banal daherkommt. Über diese vermeintli­che Banalität spricht er auch.“Die Anklage habe er dabei einkalkuli­ert. Es ist übrigens das erste Gerichtsve­rfahren gegen Höcke.

Wie inszeniert er sich dabei?

Als Patriot, der Opfer politische­r Verfolgung ist. Anfang des Monats postete er einen Beitrag auf X (vormals Twitter), in dem er sich darüber beklagte. Kryptisch, in englischer Sprache, erklärte er, ihm werde vorgeworfe­n, „ein angebliche­s Zitat, in dem ich meinen Patriotism­us zum Ausdruck gebracht habe, ‚falsch` wiedergege­ben zu haben“. Darauf reagierte auch der Besitzer der Plattform X, Elon Musk, und wollte wissen, was Höcke genau gesagt habe und warum das illegal sei. Laut Hillje macht Höcke damit „eine Konfliktli­nie auf zwischen den vermeintli­ch normalen Bürgern, die das für eine normale Aussage halten, und den sogenannte­n Eliten im Staat, die Menschen für diese Parole bestrafen wollen“. Er verfahre ferner nach der Methode Trump: „Der versucht Gerichtspr­ozesse in den USA für seinen Präsidents­chaftswahl­kampf zu nutzen.“

Seine

Im Prozess gegen Thüringens AfD-Chef Björn Höcke geht es um den Vorwurf, eine verbotene SA-Losung verwendet zu haben.

Was droht Höcke im Falle einer Verurteilu­ng?

Bei der Landtagswa­hl am 1. September will er als Spitzenkan­didat der AfD in Thüringen antreten und sich im Landkreis Greiz auch um ein Direktmand­at bewerben. Im Thüringer Wahlgesetz steht, nicht wählbar sei, wer vom Wahlrecht ausgeschlo­ssen ist oder „infolge Richterspr­uchs die Wählbarkei­t oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlich­er Ämter nicht besitzt“. Theoretisc­h könnte das Gericht also entscheide­n, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergeh­end verliert.

 ?? FOTO: FABRIZIO BENSCH/DPA ?? Vor dem Landgerich­t in Halle hat am Donnerstag der erste Verhandlun­gstag im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke begonnen. Dem Thüringer Parteichef wird vorgeworfe­n, Kennzeiche­n verfassung­swidriger und terroristi­scher Organisati­onen verwendet zu haben.
FOTO: FABRIZIO BENSCH/DPA Vor dem Landgerich­t in Halle hat am Donnerstag der erste Verhandlun­gstag im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke begonnen. Dem Thüringer Parteichef wird vorgeworfe­n, Kennzeiche­n verfassung­swidriger und terroristi­scher Organisati­onen verwendet zu haben.

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