Zwei Deutsch-Russen sollen Anschlagsziele ausspioniert haben
Der Generalbundesanwalt hat zwei Männer festnehmen lassen. Sie werden der Spionage für Russland verdächtigt. Auch Sabotageakte waren wohl in Planung.
(dpa) Ein neuer Fall mutmaßlicher russischer Spionage schlägt hohe Wellen – auch in der Politik. In Bayern hat die Polizei zwei Männer festgenommen, die für Moskau mögliche Anschlagsziele in Deutschland ausgekundschaftet haben sollen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ließ am Donnerstag den russischen Botschafter einbestellen.
Den beiden Russlanddeutschen, die von Beamten des Bundeskriminalamtes an zwei unterschiedlichen Orten im Raum Bayreuth abgeholt wurden, ging es nach Angaben des Generalbundesanwalts um Sabotageaktionen. Diese sollten insbesondere dazu dienen, „die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren“. Über den Fall hatte zuerst Der Spiegel berichtet.
Die Beschuldigten seien dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, teilte der Generalbundesanwalt mit. Dem Älteren der beiden am Mittwoch Festgenommenen, Dieter S., wird auch die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zur Brandstiftung sowie Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vorgeworfen.
Die in Russland geborenen Männer haben den Angaben zufolge beide die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft. Ermittler durchsuchten ihre Wohn- und Arbeitsorte. Konkret soll sich Dieter S. mit jemandem, der mit einem russischen Geheimdienst in Verbindung steht, seit mindestens vergangenem Oktober über mögliche Sabotageaktionen ausgetauscht haben. Er soll sich bereiterklärt haben, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen. Dieter S. sammelte dem Generalbundesanwalt zufolge Informationen über potenzielle Anschlagsziele, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., half ihm demnach spätestens seit diesem März.
Zu den ausgekundschafteten Orten gehören der US-Stützpunkt Grafenwöhr sowie andere militärische Einrichtungen in Bayern. Einige der ins Visier genommenen Objekte soll
Dieter S. vor Ort ausgespäht und fotografiert haben, etwa Militärtransporte. Ein Angriff auf eines der Objekte soll aber dem Vernehmen nach nicht unmittelbar bevorgestanden haben. Ob Dieter S. bei seinen Erkundungen womöglich auch eine kleine Drohne einsetzte, muss noch geklärt werden.
Für ihn ordnete ein Ermittlungsrichter am Mittwoch Untersuchungshaft an. Der Haftbefehl gegen J. wurde am Donnerstag in Vollzug gesetzt.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ließ nach der Festnahme den russischen Botschafter einbestellen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigte einen entsprechenden Bericht der „Bild“-Zeitung. „Der Verdacht, dass Putin bei uns Agenten anwirbt, um Anschläge auf deutschem Boden zu verüben, ist extrem schwerwiegend“, schrieb die Ministerin auf der Plattform X. Die Bundesregierung werde nicht zulassen, dass der russische Präsident „seinen Terror nach Deutschland trägt“. Das sei dem Botschafter am Donnerstag mitgeteilt worden.
Bundesjustizminister Marco
Buschmann (FDP) sagte: „Wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt.“Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Russland. „Wir werden die Ukraine weiter massiv unterstützen und uns nicht einschüchtern lassen“, versicherte sie.
Dieter S. steht laut Generalbundesanwalt zudem im dringenden Verdacht, sich als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der als ausländische terroristische Vereinigung eingestuften „Volksrepublik Donezk“angeschlossen zu haben. Er soll zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine für diese prorussische Vereinigung aktiv gewesen sein und über eine Schusswaffe verfügt haben. 2014 hatten sich moskautreue Separatisten nach dem Sturz des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch von Kiew losgesagt. Die neue prowestliche Führung in Kiew hatte danach mit einem Militäreinsatz vergeblich versucht, die Kontrolle über Donezk und andere Ortschaften im Donbass zurückzuerlangen.
„Es bleibt dringend notwendig, Hinweise auf verschiedene Operationen zusammenzuführen, die ganzheitliche Strategie dahinter zu erkennen und sich daraus ergebende Muster zu analysieren, um sich dagegen wehrhaft aufzustellen und zu behaupten“, sagte der GrünenInnenpolitiker Konstantin von Notz (Grüne). Er ist Vorsitzender des geheim tagenden Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste und forderte: „Deutschland muss sich zukünftig deutlich robuster, resilienter und wehrhafter aufstellen.“
Auch der Grünen-Vorsitzende, Omid Nouripour, fragt sich, ob hier genug getan wird. „Die im Raum stehenden Vorwürfe sind ein erneutes Zeichen dafür, wie tief russische Agentennetzwerke in Deutschland verwurzelt sind und wie langfristig Planungen erfolgen“, sagt der CoVorsitzende.