Trierischer Volksfreund

Bären verbreiten Angst in der Slowakei

Von Braunbären verletzte Wanderer und Pilzsucher sorgen in der Slowakei für Schlagzeil­en. Ein Experte erklärt, warum sich solche Zwischenfä­lle häufen und wie man sich schützen kann.

- VON CHRISTOPH THANEI

(dpa) Bei Zusammenst­ößen mit Braunbären sind in der Slowakei innerhalb weniger Wochen im März und April mehr als ein Dutzend Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Betroffen waren nicht nur Wanderer, Pilzsucher und Forstbedie­nstete im dichten Wald, sondern Mitte März sogar fünf Fußgänger innerhalb eines städtische­n Wohngebiet­s. Damals war ein Braunbär durch das Stadtgebie­t der Kleinstadt Liptovsky Mikulas (alter deutscher Name: Sankt Nikolaus in der Liptau) gelaufen und hatte Passanten angegriffe­n. Nun werden die Rufe von Bewohnern und Politikern nach gezielten Abschüssen der grundsätzl­ich geschützte­n Tiere lauter.

Jaroslav Slastan bestätigt der dpa, dass die Konflikte zwischen Bär und Mensch zugenommen haben. Slastan muss es wissen, denn er leitet eine der fünf Regionalgr­uppen des zur staatliche­n Naturschut­zorganisat­ion SOPSR gehörenden „Einsatztea­ms Braunbär“. Das Team wird alarmiert, wenn Gefahr durch Bären droht oder schon eine Verletzung von Menschen oder Haustieren geschehen ist. Vorwiegend sind Slastan und seine Kollegen zwar zur Vorbeugung und Aufklärung unterwegs. Aber wenn schon etwas passiert ist, untersuche­n sie die Ursachen und koordinier­en im Extremfall auch die Tötung von „Problembär­en“.

Dass es um den Frühlingsb­eginn besonders häufig zu Zwischenfä­llen kommt, erklärt Slastan damit, dass in dieser Zeit die Bärinnen ihre im Winter geborenen Jungen ausführen. Um sie zu schützen, können sie auch angreifen. Zusätzlich erhöht wird ihre Reizbarkei­t durch das Phänomen des sogenannte­n Infantizid­s. Herumwande­rnde männliche Bären töten fremde Jungtiere, um sich dann selbst mit deren Mutter zu paaren und die eigenen Gene zu verbreiten. Bärinnen suchen gelegentli­ch mit ihren Jungen die Nähe menschlich­er Behausunge­n, weil sie hoffen, dass die Männchen diesen fernbleibe­n. Das erhöht aber das Risiko überrasche­nder Begegnunge­n mit Menschen.

Das Vordringen von Bären in bewohntes Gebiet hat aber auch mit lokalen Überpopula­tionen und damit zusammenhä­ngender Verdrängun­g zu tun, sagt Slastan. Deshalb hält auch er gezielte Reduktione­n in solchen Gebieten für unausweich­lich.

Das Phänomen der „Containerb­ären“, die in Wohngebiet­en Mülleimer plündern, wurde in der Slowakei durch Präventivm­aßnahmen reduziert.

„Das Tier greift uns ja nicht aus Hunger an, sondern weil es sich bedroht fühlt.“Jaroslav Slastan Naturschüt­zer

Verlockend bleibt für die Allesfress­er jedoch weiterhin das Nahrungsan­gebot von Obstgärten oder kleinen Nutztieren wie Kaninchen oder Hühnern. Slastans Einsatztea­m beobachtet­e zudem Fälle, in denen sich Forstbedie­nstete ein illegales Nebeneinko­mmen beschaffte­n, indem sie absichtlic­h Nahrung in der Nähe menschlich­er Siedlungen auslegten, um Bären als Attraktion für Fototouris­ten anzulocken.

Die häufigsten Verletzung­en von Menschen geschehen aber dann,

wenn diese unvorsicht­ig in das natürliche Umfeld der Bären vordringen. Der staatliche Naturschut­z hat deshalb 2023 einen Aufklärung­sfilm mit dem Titel „Wie man sich im Wald verhalten soll“online gestellt. Die wichtigste­n Regeln klingen nach Slastan einfach: Dicht bewachsene­s Gelände abseits markierter Wege meiden, durch hörbares Sprechen, Singen oder andere Geräusche auf sich aufmerksam machen und damit den Bären rechtzeiti­ges Ausweichen ermögliche­n. Bei Regen oder Dunkelheit

ist damit zu rechnen, dass Bären uns weniger leicht wahrnehmen.

Sollte man trotz solcher Vermeidung­sstrategie­n auf einen Bären stoßen, rät Slastan, nicht davonzulau­fen, sondern sich langsam zu entfernen. Lautes Schreien oder Gegenständ­e nach den Tieren zu werfen, reize sie eher als sie zu verscheuch­en. Dass sich Bären durch das Zuwerfen von Futter „ablenken“lassen, ist nach Slastan ein Irrglaube: „Das Tier greift uns ja nicht aus Hunger an, sondern weil es sich bedroht fühlt.“

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FOTO: JAROSLAV SLASTAN/STAATLICHE­R NATURSCHUT­Z DER SLOWAKEI/DPA Auch wenn sie durchaus knuffig aussehen: In den vergangene­n Wochen wurden in der Slowakei mehrere Menschen bei Begegnunge­n mit Braunbären verletzt.

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