Ist richtiges Schreiben noch wichtig, Frau Krome?
Verliert die Rechtschreibung im Zeitalter von Whatsapp und E-Mail-Kommunikation an Bedeutung? Die Geschäftsführerin des Rechtschreibrates hat eine klare Meinung.
Groß- und Kleinschreibung? Egal. Schnell ist eine Whatsapp-Nachricht geschrieben. Rechtschreibung? Spielt oft keine Rolle. Auch bei E-Mails wird gerne mal geschludert. Alltagssprache statt korrekter Orthografie.
Was macht das mit der deutschen Rechtschreibung? Wie wichtig ist korrektes Schreiben heute noch? Dazu äußert sich Sabine Krome im Interview. Die Fragen stellte unser Redakteur Bernd Wientjes. Krome ist Geschäftsführerin des Rates der deutschen Rechtschreibung mit Sitz in Mannheim. In dessen Selbstbeschreibung heißt es, er sei gegründet worden, um „die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln“.
Frau Krome, mich würde Ihre Haltung zur angeblich schwindenden Bedeutung von Rechtschreibung interessieren. Sehen Sie diesen Bedeutungsverlust?
SABINE KROME Ja, der ist sichtbar. Das zeigt sich auch an den Ergebnissen der Pisa-Studien. Die belegen, dass die Fähigkeiten im Lesen und Schreiben zurückgegangen sind. Zu einem großen Teil hat dazu die weitreichende Digitalisierung beigetragen, aber natürlich auch andere gesellschaftliche Faktoren wie zum Beispiel die heterogene Klassenzusammensetzung von Lernenden in der Schule. Dazu hat der Rat bereits im Jahr 2013 eine Stellungnahme herausgegeben: „Rechtschreiben – eine Grundkompetenz in Schule und Gesellschaft.“Verbunden damit ist die Hoffnung, allen Menschen möglichst gleichen Zugang zu Bildung und Ausbildung zu gewähren.
Welchen Stellenwert hat Rechtschreibung im Zeitalter von Whatsapp und Autokorrekturen heute noch?
KROME Im Zeitalter von Digitalisierung, immer stärker fortschreitender Technisierung und der rasanten Entwicklung von KI, von Künstlicher Intelligenz, kommt Rechtschreibung – dem richtigen, authentischen Schreiben – eine eher noch höhere Bedeutung zu. Die Kommunikation etwa in den sozialen Medien orientiert sich stark am mündlichen Gebrauch der Sprache. Bei der Korrektur verlässt man sich zum großen Teil auf Rechtschreibprogramme. Damit macht sich der Mensch auch abhängig von technischen Systemen. Die bieten zwar große Entwicklungschancen, doch die technisch generierten Texte sind häufig von eigenständig entwickelten Sätzen nicht zu unterscheiden. Eine Botschaft auf dem Smartphone schreibe ich anders als einen offiziellen Text. Durch den intensiven Gebrauch von Social Media kann ich vielleicht irgendwann die Textformen nicht mehr auseinanderhalten. Und das wirkt sich auf das
Textverständnis aus.
Warum sollten Schüler und Schülerinnen heute noch korrekte Rechtschreibung lernen?
KROME Richtiges und angemessenes Schreiben ist auch ein Zeichen allgemeiner sprachlicher Kompetenzen, und es ist eine Kulturtechnik, die Menschen ermöglicht, sich in angemessener Weise als Individuum im sozialen Miteinander zu
bewegen. Nicht nur in der Schule, sondern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Bei der empirischen Auswertung von Texten von Lernenden – zum Beispiel von Abitur- oder Studierendentexten – im Leibniz-Institut für Deutsche Sprache hat sich gezeigt, dass Rechtschreibung ein wichtiger Teil anderer sprachlicher Fähigkeiten ist, die mit dem Denken und dem Textverständnis verbunden sind.
Wie zeigt sich das konkret?
KROME Das zeigt sich in vielen Alltagssituationen – persönlich, vor allem aber im Beruf. So fehlen vielen Bewerberinnen und Bewerbern sprachliche Kompetenzen, die wichtig sind für berufliches Fortkommen und für die eigene Stellung in der Gesellschaft. Der Rat für deutsche Rechtschreibung bemüht sich in seiner Arbeit intensiv – zum Beispiel mit dem 2024 erscheinenden neuen amtlichen Regelwerk –, die orthografischen Regeln nachvollziehbar und dem aktuellen Schreibgebrauch entsprechend zu gestalten und so die Bedeutung der Rechtschreibung auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.
Laura Krabsch