Was die Vorschläge der FDP taugen
Die Liberalen wollen mit einem Zwölf-Punkte-Programm die Wirtschaftswende erreichen. Einzelne Forderungen sind wohlfeil, viele sinnvoll.
Die Entrüstung ist groß: Von einem „Überbleibsel aus der Mottenkiste“spricht SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, CSU-Chef Markus Söder von einer „Scheidungsurkunde für die Ampel“. Doch was ist jenseits des Polit-Geklingels vom Zwölf-PunktePlan der FDP zu halten?
Moratorium für Soziales Die Erhöhung des Bürgergelds zum Jahreswechsel war kräftig. In München kommt eine vierköpfige Familie mit den Kosten der Unterkunft, die der Staat trägt, auf eine Gesamtunterstützung von bis zu 3689 Euro im Monat. Um ein solches Netto-Gehalt zu erreichen, muss eine Friseurin oder ein Busfahrer lange arbeiten. Die FDP fordert nun, drei Jahre keine neuen Sozialleistungen zu beschließen und 2025 eine Nullrunde beim Bürgergeld einzuführen. Das dürfte mit Blick auf die sich abschwächende Inflation angemessen und die ökonomischen Arbeitsanreize nur sinnvoll sein.
Reform des Bürgergelds Weniger überzeugend ist die FDP-Forderung, Sanktionen zu verschärfen. „Zumutbare Arbeitsangebote, auch sogenannte Ein-Euro-Jobs, müssen angenommen werden“, schreiben die Liberalen. Das ist aber bereits Rechtslage: „Erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger müssen Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) und andere Maßnahmen annehmen. So sehen es in der Regel die Kooperationspläne vor, die zwischen dem Arbeitslosen und dem Jobcenter geschlossen werden“, heißt es laut Bundesagentur für Arbeit (BA). Weiter fordert die FDP: „Wer zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen.“Das wäre eine graduelle Veränderung. Schon jetzt gilt: Wer ein Angebot ohne Grund ablehnt, muss mit Leistungsminderungen rechnen. Bei der ersten Pflichtverletzung wird der Regelbedarf um zehn Prozent für einen Monat, bei einer zweiten Verletzung um 20 Prozent für zwei Monate und in der letzten Stufe um 30 Prozent für drei Monate gemindert. Die Frage ist, ob alle Jobcenter das konsequent umsetzen. 2019 hatten 8,3 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mindestens eine Minderung, 2023 waren es nur 2,6 Prozent. Das Verfassungsgericht hat 2019 ohnehin enge Grenzen gezogen: Kürzungen sind nur bis 30 Prozent erlaubt.
Abschaffung des Soli
„Zunächst soll eine Absenkung auf drei Prozent erfolgen. 2027 soll der Solidaritätszuschlag
vollständig entfallen“, fordert die FDP. Derzeit liegt er bei 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer, 500 000 Kapitalgesellschaften und sechs Millionen Bürger zahlen ihn noch. Ökonomen begrüßen den Vorstoß. „Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist überfällig, da seine politische Zweckbindung entfallen ist“, sagte Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft. Der Soli war 1991 eingeführt worden, um den Aufbau Ost zu bezahlen. Der Bundesfinanzhof hält ihn gerade „noch“für verfassungskonform.
Stopp der kalten Progression Die FDP fordert eine regelmäßige Anpassung des Einkommensteuertarifs und der Freibeträge. „Es darf nicht sein, dass Menschen durch die kalte Progression nach einer Gehaltserhöhung real weniger Geld zur Verfügung steht als vorher“, fordert die FDP – und läuft damit beim Bund der Steuerzahler offenen Türen ein, der seit langem „heimliche“, inflationsbedingte Steuererhöhungen kritisiert.
„Zunächst soll eine Absenkung auf drei Prozent erfolgen. 2027 soll der Solidaritätszuschlag vollständig entfallen.“FDP-Positionspapier
Fazit Die FDP macht viele sinnvolle Vorschläge. Umso mehr fragt man sich, warum sie im Kabinett viele Beschlüsse mitgetragen hat, die Arbeitnehmern und Betrieben schaden, Betroffenen aber nicht helfen – wie die Erhöhung des Bürgergeldes, die Energiehilfen per Gießkanne, die bürokratische Kindergrundsicherung. Die Wirtschaftswende hat die FDP auch selbst in der Hand.