Astarix: 45 Jahre und (k)ein bisschen leiser
Ein halbrundes Jubiläum als Grund zum Feiern am 30. April: „ Man muss die Feste feiern, wie sie fallen“, finden die Astarix-Macher und kündigen an, dass sie es im Herbst erneut krachen lassen wollen.
Trier – seit 1970 eine Universitätsstadt „ganz auf der Höhe“. Vor allem topografisch. Ob am provisorischen ersten Standort Schneidershof oder auf dem Tarforster Plateau: Der Elfenbeinturm befand sich weit entfernt vom realexistierenden City-Leben im Tal. Und dort gab es erst mal keine „richtigen“Studentenkneipen, ehe sich anfängliche Geheimtipps wie Glocke, Vidan, Tabaksmühle oder Hades beim dürstenden Akademikernachwuchs etablierten.
Insofern erfüllte das im April 1979 eröffnete Astarix eine doppelte Funktion. Gegründet und betrieben vom Allgemeinen Studentenausschuss (Asta), der sich damit zum Namensbestandteil machte, sollte es eine linke Bastion mitten im politisch schwarzen Trier werden, gastronomische Bespaßung inklusive. Von Anti-Atom-Bewegung über Frauenrechtlerinnen und Friedensbewegung bis hin zu Wehrdienstverweigerern – die Kellerräume des zwischen Stadttheater und Karl-Marx-Straße gelegenen Lokals wurden Heimstätte für ein breites Spektrum an Gruppierungen, die sich den damals heiklen politischen Themen widmeten.
Ein Verein betreibt das Astarix in Trier – und die „alte Garde“ist immer noch dabei
1983 übernahm der Asta-nahe und eigens gegründete „Verein zur Förderung der Kommunikation
zwischen Trierer Studenten und Bürgern“das Astarix und betreibt es auch heute noch. Und die heutigen Protagonisten sind großteils dieselben „von früher“: Irene „Reni“Barthelmes (67) und Christoph Rautenberg (63) sind seit 1981 mit von der Partie, Thea Mumm (72) seit 1982, Michaela Rautenberg (62) seit 1984 und Mareike Lutz, die mit ihren 32 Lenzen den Altersdurchschnitt des „geschäftsführenden Vereins“auf knapp unter 60 und damit deutlich unter das reguläre Renteneintrittsalter senkt, seit Sommer 2023.
Dass nun der 45. Geburtstag und damit ein nicht klassisches Jubiläum groß gefeiert wird, lässt bei Stammgästen die Alarmglocken schrillen. Ein finales Aufbäumen?
Will sich das Oldies-Quartett aus dem Leitungskollektiv etwa aufs Altenteil zurückziehen? Und ist damit möglicherweise das Astarix in seiner Existenz bedroht? „Nein, ganz und gar nicht“, beruhigt Reni Bertelmes. „Das Jubiläum könnte zwar durchaus unter dem Motto ,Hurra, wir leben noch` stehen, nachdem Corona aus wirtschaftlicher Sicht tatsächlich existenzbedrohend war. Aber wir wollen die Feste feiern, wie sie fallen. Und damit auch diesen Meilenstein unserer Kneipengeschichte.“
Diese Geschichte ist so ungewöhnlich wie die Kneipe selbst. Wirtschaftlich überlebt habe man nicht zuletzt dank „kollektiver Selbstausbeutung des Kollektivs“(aus dem jeder einen Nebenjob hat
oder hatte) und trotz manch fragwürdiger Personalentscheidung: „Es ist aus Arbeitgeber-Sicht eine Gratwanderung, wenn man – und das war nicht selten der Fall – die besten Gäste ins Team aufnimmt und sich damit einer guten Einnahmequelle beraubt.“Aktuell arbeiten 38 Leute im Astarix, davon 17 Festangestellte, im Service, hinterm Tresen, in der Küche und im Reinigungsdienst. Den Schichtplan erstellt Mareike Lutz.
Was ist von altem Revoluzzergeist in linkem Refugium übrig geblieben? Launige Antwort: „Gute Frage. Nächste Frage!“Immerhin: Der lästerliche Humor ist unbestreitbar noch da. „Früher sind wir gegen Cattenom auf die Straße gegangen. Heute wäre mal eine Demo gegen
Aprilwetter fällig“, heißt es angesichts der wegen Regenschauern und lausiger Temperaturen menschenleeren Terrasse. Dort finden 64 Gäste Platz, drinnen gibt es 120 Plätze und weitere 50 in der angeschlossenen Raucherkneipe Miss Marple's.
Rechte Gesinnung hat im Astarix keinen Platz
Apropos Demos: „Früher“endeten Protestmärsche im Astarix, wo „in Fünferreihe vor'm Tresen gepichelt wurde, dass es gekracht hat“, erinnert sich Christoph Rautenberg. Heute gelüste es dem Gast, nachdem er Flagge gegen rechts gezeigt hat, „eher mal nach Kakao mit Sahne“.
„Aber mal im Ernst“, fügt der einzige Mann im Leitungsquintett hinzu: „Astarix war und ist immer eine Frage der Haltung. Wer von ‚Remigration` schwafelt und mit Faschisten sympathisiert, hat hier nichts verloren.“
Noch ein Unterschied zu „früher“: Die Frage, ob man auch als Nicht-Student etwas zu essen und zu trinken bekomme, sei „wirklich schon lange nicht mehr gestellt“worden. Das Publikum heute: „Sehr gemischt. Wir haben viele Gäste auch aus dem Rathaus und dem Theater, aber auch ganze Familien. Und Touris, die gerne bei uns hängen bleiben.“
Und im Oktober wird Miss-Marple’sgefeiert
Dazu gibt es reichlich Gelegenheit. Das Astarix ist ab 11.30 Uhr geöffnet – die ganze Woche. Überhaupt würden sich die Tage, an denen in viereinhalb Jahrzehnten der „Laden zu“war, abseits von Corona-Lockdowns auf „maximal drei Wochen“summieren. „Den Heiligabend, an dem wir früher geöffnet hatten, schenken wir uns mittlerweile.“Und der davon abgesehen letzte Tag, an dem die Türen geschlossen blieben, basiere nicht auf einer Entscheidung des
Kollektivs: „Das war am 31. August 2022, als eine neben dem Theater gefundene Weltkriegsbombe entschärft und der ganze Kiez evakuiert wurde.“
Dürfen die Gäste sich nach dem 30. April (siehe Info) auf die eine Sause zum 50-Jährigen vorfreuen? „Wir arbeiten jedenfalls darauf hin und werden sogar schon viel früher feiern: Ende Oktober ist es 30 Jahre her, dass wir das Miss Marple's übernommen und ins Astarix integriert haben. Darauf muss natürlich ebenfalls angestoßen werden.“Alles weitere „wird sich zeigen“. Der Pachtvertrag mit der Bitburger Brauerei („mit der wir immer prima ausgekommen sind und die uns in schwierigen Zeiten kräftig unterstützt hat“) laufe bis 2027. Danach bestehe die Möglichkeit, „die Option zu ziehen und noch drei Jahre dranzuhängen. Dann könnten wir das halbe Jahrhundert vollmachen. Notfalls mit neuem Konzept – als Rentnercafé“.