Ein schonungsloser Blick zurück
Ex-Tennis-Star Andrea Petkovic hat ein sehr persönliches Buch über ihr Karriereende geschrieben, aus dem sie am Mittwoch, 15. Mai, in der Wallfahrtskirche Klausen lesen wird. Im TV erzählt die 36-Jährige, wie schwer ihr der Abschied fiel, warum sie so streng mit sich selbst war, wie sie mit HassKommentaren im Internet umgeht und was sie als Buchautorin noch so alles vorhat.
TRIER (bl) Sonnenschein, Top-Tennis, dazu die rote Asche – Ihr einstiger Lieblings-Belag: Wie war Ihr Debüt beim Bezahlsender Sky als Fernseh-Expertin fürs ATP Masters von Monte Carlo?
Petkovic: Das war sehr gut! Aber das habe ich mir vorher auch schon gedacht. Einfach, weil ich Tennis immer noch liebe. Und dann auch noch dafür bezahlt zu werden, es den ganzen Tag zu gucken, ist ein absoluter Traum.
Wie erleben Sie solche Gelegenheiten, wieder nah an den Tennis-Zirkus zu rücken – mit Wehmut oder Wonne?
Petkovic: Das ATP Masters von
Monte Carlo war ja ein reines Männerturnier, da überwiegt eindeutig die Wonne. Manchmal kribbelt es in den Fingern, wenn ich ein sehr gutes Frauenmatch kommentieren darf. Aber es wird weniger und weniger.
Ende August 2022 haben Sie Ihre Karriere als Profi-Spielerin beendet. Wie hart war der Schnitt nach 16 Jahren im Profi-Tennis – nach einem enorm langen Lebens-Abschnitt, der komplett dem Sport gewidmet war?
Petkovic: Es war nicht einfach. Aber ich glaube, die Angst vor dem Rücktritt war dann trotzdem schlimmer als das Aufhören selbst. Da war auch eine gewisse Portion Erleichterung dabei. Tennis hat meine gesamte Struktur im Leben bestimmt, aber Struktur kann natürlich manchmal auch einengend wirken.
In Ihrem aktuellen zweiten Buch „Zeit, sich aus dem Staub zu machen“geht's um Einblicke in die letzten zwölf Monate der Karriere. Biografie, Therapiestunde oder Ratgeber – welches Attribut kommt dem Werk am nächsten?
Petkovic: Hm, keines davon. Ich sage immer, es ist wie eine Mischung aus Konzeptalbum und abstraktem expressionistischem Gemälde. Einerseits wusste ich von Anfang an, wie das Buch verlaufen sollte – das ist das Konzeptalbum darin. Andererseits wollte ich keine detailgenaue Biografie aufschreiben, sondern den Prozess der Transformation auf der Gefühlsebene einfangen.
Das Buch ist schonungslos, mit dunklen Kapiteln. Auch in Ihrem ersten Buch „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“geht es um Zweifel, konkret um Hürden auf dem Weg zur Tennis-Karriere. Aber Sie hatten schon auch Spaß in all den Jahren auf dem Tennisplatz …? Petkovic: Natürlich! (lacht) Ich bin sehr dankbar, dass ich Tennis am Ende, als ich aufgehört habe, noch sehr geliebt habe. Das ist ein Geschenk. Deswegen war es auch so hart, loszulassen. Wenn mein Körper für immer jung geblieben wäre, hätte ich noch 20 Jahre lang weitermachen können.
Sie wollten so sein wie Ihr Idol Serena Williams. Sie wollten die Nummer eins werden. Waren Sie als Sportlerin zu streng mit sich selbst? Viele ambitionierte TennisTalente wären froh, sie könnten wie Sie mal die Top zehn in der Weltrangliste erreichen.
Petkovic: Der Standard, den ich an mich anlege, ist viel zu streng – das ist mir schon bewusst. Aber es ist der Standard, der auf der Tennistour normal ist. Als ich die Nummer neun der Welt war, habe ich mich immer mit den acht Frauen vor mir verglichen. Das gehört zum Leistungssport dazu, sich mit den Besten zu messen und auch zu vergleichen. Deswegen gibt es eine Weltrangliste. Aber ich habe trotzdem Zufriedenheit in meiner Karriere finden können.
Es geht in Ihrem aktuellen Buch vordergründig um Ihr Karriereende, grundsätzlich aber auch um den Umgang mit großen Veränderungen im Leben. Gibt's ein Patentrezept, diese bestmöglich zu meistern?
Petkovic: Ich glaube, das Wichtigste, das ich gelernt habe, ist, dass
die Angst vor der Veränderung viel größer ist als die Veränderung selbst. Der Mensch ist anpassungsfähiger, als man denkt.
Was vermissen Sie aus der Zeit als Profisportlerin – und was überhaupt nicht?
Petkovic: Ich vermisse den Wettkampf und die großen, wichtigen Matches. Was ich gar nicht vermisse, sind die langen Trainings- und Kraftraumeinheiten. Und die machen leider 90 Prozent des Tennislebens aus. Also habe ich eindeutig die richtige Entscheidung getroffen.
Stehen Sie heute noch auf dem Tennisplatz?
Petkovic: Ja, und das sehr gerne! Ich versuche, wenn ich zu Hause bin, mindestens einmal die Woche noch den Schläger zu schwingen.
Sie hatten einen Kreuzbandriss, einen Ermüdungsbruch im unteren Bereich des Rückens, einen doppelten Bänderriss am Sprunggelenk, einen Innenmeniskus-Riss – müssen Sie in Ihrem ,neuen` Leben mit irreversiblen körperlichen Beschwerden klarkommen? Petkovic: Hm, nein, eigentlich habe ich alles ganz gut im Griff. Aber ich muss schon fünf bis sechs Mal die Woche bestimmte Übungen machen, um alles im Griff zu haben. Wenn ich mal wegen langen Fernsehjobs nicht dazukomme, dann kommen die Schmerzen ab und zu. Langes Joggen ist auch nicht so gut für meine Knie. Ansonsten fühle ich mich ziemlich fit – mal gucken, wie lange noch (lacht).
Wie glamourös war das Leben als Tennis-Profi?
Petkovic: Es hat natürlich seine glamourösen Seiten. Das Reisen und die tollen Hotels (wenn man gut spielt). Aber es ist eben auch harte Arbeit und ein ständiges Sich-Miteinander-Messen. Man kann sich nie wirklich ausruhen, weil die anderen immer weitermachen. Ich glaube, es ist nicht so glamourös, wie man denkt, aber auch nicht so schlimm, wie man hört.
Tennis ist eine Individualsportart – wie einsam haben Sie sich manchmal gefühlt?
Petkovic: Auf dem Platz stehst du ganz allein und triffst alle Entscheidungen selbst. Danach musst du mit den Konsequenzen leben, weit weg von Familie und Freunden. Es kann schon manchmal einsam sein. Später, als ich dann schon über zehn Jahre auf der Tour war, empfand ich
es viel einfacher, weil ich überall Freunde und Freundinnen hatte.
Wie sehr wurden oder werden Sie mit Hass-Nachrichten in sozialen Medien konfrontiert – und wie ist Ihre Strategie, damit klarzukommen?
Petkovic: Nach jedem Match habe ich jemandem aus meinem Team mein Handy gegeben, der alle Nachrichten gelöscht und alle Trolle blockiert hat. Am Anfang war ich geschockt, als ich die ersten Nachrichten sah, aber irgendwann gewöhnt man sich dran und es kommt gar nicht mehr an einen ran. Bei mir war das zumindest so. Ich habe mir irgendwann eine dicke Haut aufgebaut.
Vom Tennis-Profi zur Buchautorin: Hatten Sie in der Schule immer Einsen in Aufsätzen?
Petkovic: 1,2 Abi – was denken Sie denn!? (lacht)
Sie sind Moderatorin, FernsehExpertin, schreiben Bücher und Kolumnen – in welche Richtung soll es beruflich für Sie mittelfristig gehen?
Petkovic: In all diese Richtungen gleichzeitig. Ich mag es nicht, in Kategorien gesteckt zu werden. Ich mache vieles gerne und werde das – so lange ich die Kraft dazu habe – weiterverfolgen.
Sind auch (neue) Aufgaben im Sport geplant?
Petkovic: Ich arbeite als Mentorin für junge Talente für den Deutschen Tennis Bund. Auch diesen Job werde ich weiterverfolgen, solange die Mädels mich noch haben wollen.
Wie viele weitere Bücher sollen folgen – und in welchen Genres?
Petkovic: Ich würde demnächst gerne in die Fiktion übergehen. Am liebsten schreibe ich bis zum Schluss, aber das kann man ja nie voraussehen. Das Leben hält immer neue Überraschungen parat.