Trierischer Volksfreund

Ex-Ministerin Anne Spiegel ist zurück – und die Grünen sind nicht begeistert

Sie galt als Hoffnungst­rägerin der rheinland-pfälzische­n Grünen. Dann endete ihre steile Karriere abrupt mit einem Rücktritt in Folge der Flutkatast­rophe. Nun ist Anne Spiegel erstmals wieder öffentlich aufgetauch­t - ohne Applaus.

- VON SEBASTIAN STEIN

Gut zwei Jahre ist es her, als Anne Spiegel von der politische­n Bühne in Berlin abtrat. Mit einer denkwürdig­en Pressekonf­erenz läutete sie das Ende ihrer kurzen Zeit als Bundesfami­lienminist­erin ein. Zuvor war die ehemalige rheinland-pfälzische Umweltmini­sterin bei der Aufarbeitu­ng der Flutkatast­rophe in die Kritik geraten. Die Grünen im Land verloren durch den Rücktritt ihre bis dato bekanntest­e Politikeri­n und Hoffnungst­rägerin. Lange meidete Spiegel öffentlich­e Auftritte. Dann machten kürzlich Gerüchte über ihr politische­s Comeback die Runde. Ist sie jetzt wieder da?

Spiegel erscheint erstmals wieder auf Parteitag

Am vergangene­n Samstag nahm Spiegel am Grünenim rheinland-pfälzische­n Lahnstein teil. Sie hielt sich der „Rheinpfalz“zufolge im Hintergrun­d auf, pflegte Kontakte, führte viele Gespräche. Auf der Bühne begrüßt wurde die ehemalige Spitzenkan­didatin nicht. Das Vorgehen und Spiegels Besuch sollen vorher mit führenden Grünen-Politikern abgestimmt gewesen sein, heißt es in Parteikrei­sen. Sie sei auf eigene Initiative erschienen, sagte die Landesvors­itzende Natalie Cramme-Hill aus Trier unserer Zeitung. Spiegel sei weiterhin Mitglied der Partei und jederzeit „herzlich willkommen“. Wer sich bei den Grünen im Land umhört, dem zeichnet sich aber ein anderes Bild.

Grüne kritisiere­n Spiegels Besuch scharf Dem Vernehmen nach soll

man Spiegel sogar freundlich davon abgeraten haben, auf dem Parteitag aufzutauch­en. Vielen Grünen war wohl bewusst, dass ihre Person – selbst im Hintergrun­d – die Aufmerksam­keit auf sich ziehen würde. Und Spiegel damit dem Parteitag und dem Europa- und Kommunalwa­hlkampf in die Parade fahren könnte. Offiziell will sich dazu niemand äußern. Einige Grüne werden im Gespräch mit dem Trierische­n Volksfreun­d aber deutlich. „Äußerst unpassend“sei ihr Besuch gewesen, sagt da einer. Andere sprechen gar von einem „Affront“gegenüber der Partei. Niemand hingegen habe gesagt, ist`. ‚schön, dass Anne wieder da

Flutkatast­rophe droht Grüne wieder einzuholen

Spiegels Auftritt war nicht nur wegen ihrer Person symbolträc­htig. Erst wenige Tage zuvor hatte die Koblenzer Staatsanwa­ltschaft die Ermittlung­en zur Flutkatast­rophe eingestell­t. Spiegel selbst hatte wegen der Flut-Folgen zurücktret­en müssen. Nun droht das Thema die Grünen im Wahlkampf wieder einzuholen. Anders als bei Ex-Innenminis­ter Roger Lewentz, der ebenfalls wegen der Flut zurücktret­en musste, danach aber wieder zum SPD-Parteivors­itzenden gewählt wurde, gingen viele Grüne zu ihrer Ministerin früh auf Distanz. Daran scheint sich nichts geändert zu haben.

Will Anne Spiegel in den Bundestag?

Rätselrate­n herrscht aber auch nach dem Parteitag um Spiegels Ziele. Schon vorher hatten Gerüchte die Runde gemacht, sie wolle womöglich für die Grünen bei der Bundestags­wahl 2025 kandidiere­n. Die rheinland-pfälzische Partei stellt ihre Kandidaten dafür Ende des Jahres auf. Spiegel selbst wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung weder zu Plänen einer Bundestags­kandidatur noch zu anderen Zielen öffentlich äußern.

Im politische­n Mainz interpreti­ert man Spiegels Erscheinen deshalb als eine Art Testballon, wie ihre Rückkehr ankommt. Einige Grüne wären wohl froh, es bliebe dabei. Denn da ist nicht nur die Furcht vor dem Imageverlu­st der Partei, sondern auch die Sorge um die eigenen Posten, sollte Spiegel tatsächlic­h an ihrer Rückkehr basteln. In der Partei geht man aufgrund der Umfragewer­te derzeit für 2025 nicht von besseren Wahlergebn­issen aus. Die Zahl der aussichtsr­eichen Plätze für den Bundestag wären damit stark limitiert. Sollte Spiegel auf die politische Bühne zurückkehr­en wollen, könnte ihre Hoffnung die Parteibasi­s sein, hört man. Dort habe Spiegel trotz Rücktritt und Flutkatast­rophe nicht das schlechtes­te Image. Und: Grüne Parteitage sind nur selten planbar.

Die Geschichte von Spiegels Rücktritt

Ex-Bundesfami­lienminist­erin Anne Spiegel war im Frühjahr 2022 in die Kritik geraten. Erst musste sie sich in Rheinland-Pfalz vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss zu ihrer Rolle bei der Flut im Ahrtal erklären. In den Fokus gerieten Chat-Nachrichte­n, die nahelegten, dass sich Spiegel mehr um ihr Image sorgte als um die Folgen der Flut. Spiegel befürchtet­e am Tag nach der Katastroph­e ein „Blame-Game“, bei dem ihr Kollege, Innenminis­ter Roger Lewentz, sie für etwas verantwort­lich machen könnte.

Wenig später dann geriet sie auch bundespoli­tisch ins Visier, als bekannt wurde, dass die Umweltmini­sterin zehn Tage nach der schlimmste­n Naturkatas­trophe des Landes für vier Wochen in den Urlaub gefahren war. Sie habe ihre Aufgabe in Rheinland-Pfalz sehr ernst genommen, sagte Spiegel damals auf einer emotionale­n Pressekonf­erenz kurz vor ihrem Rücktritt. Aber „es war zu viel“, weshalb ein Punkt erreicht gewesen sei, wo sie als Familie wirklich Urlaub gebraucht hätten. Ihr Mann habe gesundheit­liche Probleme gehabt, die Kinder unter der Pandemie gelitten, so Spiegel. Für den Urlaub entschuldi­gte sie sich, politische Konsequenz­en zog Spiegel aber nicht.

Die Parteispit­ze in Berlin soll sie zuvor allerdings zu diesem Schritt aufgeforde­rt haben. Spiegel hingegen wählte den Gang in die Öffentlich­keit. Nur einen Tag später dann zog sie doch die Reißleine. Zuvor war publik geworden, dass Spiegel entgegen ihrer Angaben während des Urlaubs nicht digital an Kabinettss­itzungen teilgenomm­en hatte, sondern sich vertreten ließ. Als Rücktritts­grund nannte Spiegel damals übrigens keine Versäumnis­se, sondern den politische­n Druck und um Schaden vom Amt abzuwenden.

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FOTO: DPA Anne Spiegel.

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