Ex-Ministerin Anne Spiegel ist zurück – und die Grünen sind nicht begeistert
Sie galt als Hoffnungsträgerin der rheinland-pfälzischen Grünen. Dann endete ihre steile Karriere abrupt mit einem Rücktritt in Folge der Flutkatastrophe. Nun ist Anne Spiegel erstmals wieder öffentlich aufgetaucht - ohne Applaus.
Gut zwei Jahre ist es her, als Anne Spiegel von der politischen Bühne in Berlin abtrat. Mit einer denkwürdigen Pressekonferenz läutete sie das Ende ihrer kurzen Zeit als Bundesfamilienministerin ein. Zuvor war die ehemalige rheinland-pfälzische Umweltministerin bei der Aufarbeitung der Flutkatastrophe in die Kritik geraten. Die Grünen im Land verloren durch den Rücktritt ihre bis dato bekannteste Politikerin und Hoffnungsträgerin. Lange meidete Spiegel öffentliche Auftritte. Dann machten kürzlich Gerüchte über ihr politisches Comeback die Runde. Ist sie jetzt wieder da?
Spiegel erscheint erstmals wieder auf Parteitag
Am vergangenen Samstag nahm Spiegel am Grünenim rheinland-pfälzischen Lahnstein teil. Sie hielt sich der „Rheinpfalz“zufolge im Hintergrund auf, pflegte Kontakte, führte viele Gespräche. Auf der Bühne begrüßt wurde die ehemalige Spitzenkandidatin nicht. Das Vorgehen und Spiegels Besuch sollen vorher mit führenden Grünen-Politikern abgestimmt gewesen sein, heißt es in Parteikreisen. Sie sei auf eigene Initiative erschienen, sagte die Landesvorsitzende Natalie Cramme-Hill aus Trier unserer Zeitung. Spiegel sei weiterhin Mitglied der Partei und jederzeit „herzlich willkommen“. Wer sich bei den Grünen im Land umhört, dem zeichnet sich aber ein anderes Bild.
Grüne kritisieren Spiegels Besuch scharf Dem Vernehmen nach soll
man Spiegel sogar freundlich davon abgeraten haben, auf dem Parteitag aufzutauchen. Vielen Grünen war wohl bewusst, dass ihre Person – selbst im Hintergrund – die Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Und Spiegel damit dem Parteitag und dem Europa- und Kommunalwahlkampf in die Parade fahren könnte. Offiziell will sich dazu niemand äußern. Einige Grüne werden im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund aber deutlich. „Äußerst unpassend“sei ihr Besuch gewesen, sagt da einer. Andere sprechen gar von einem „Affront“gegenüber der Partei. Niemand hingegen habe gesagt, ist`. ‚schön, dass Anne wieder da
Flutkatastrophe droht Grüne wieder einzuholen
Spiegels Auftritt war nicht nur wegen ihrer Person symbolträchtig. Erst wenige Tage zuvor hatte die Koblenzer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zur Flutkatastrophe eingestellt. Spiegel selbst hatte wegen der Flut-Folgen zurücktreten müssen. Nun droht das Thema die Grünen im Wahlkampf wieder einzuholen. Anders als bei Ex-Innenminister Roger Lewentz, der ebenfalls wegen der Flut zurücktreten musste, danach aber wieder zum SPD-Parteivorsitzenden gewählt wurde, gingen viele Grüne zu ihrer Ministerin früh auf Distanz. Daran scheint sich nichts geändert zu haben.
Will Anne Spiegel in den Bundestag?
Rätselraten herrscht aber auch nach dem Parteitag um Spiegels Ziele. Schon vorher hatten Gerüchte die Runde gemacht, sie wolle womöglich für die Grünen bei der Bundestagswahl 2025 kandidieren. Die rheinland-pfälzische Partei stellt ihre Kandidaten dafür Ende des Jahres auf. Spiegel selbst wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung weder zu Plänen einer Bundestagskandidatur noch zu anderen Zielen öffentlich äußern.
Im politischen Mainz interpretiert man Spiegels Erscheinen deshalb als eine Art Testballon, wie ihre Rückkehr ankommt. Einige Grüne wären wohl froh, es bliebe dabei. Denn da ist nicht nur die Furcht vor dem Imageverlust der Partei, sondern auch die Sorge um die eigenen Posten, sollte Spiegel tatsächlich an ihrer Rückkehr basteln. In der Partei geht man aufgrund der Umfragewerte derzeit für 2025 nicht von besseren Wahlergebnissen aus. Die Zahl der aussichtsreichen Plätze für den Bundestag wären damit stark limitiert. Sollte Spiegel auf die politische Bühne zurückkehren wollen, könnte ihre Hoffnung die Parteibasis sein, hört man. Dort habe Spiegel trotz Rücktritt und Flutkatastrophe nicht das schlechteste Image. Und: Grüne Parteitage sind nur selten planbar.
Die Geschichte von Spiegels Rücktritt
Ex-Bundesfamilienministerin Anne Spiegel war im Frühjahr 2022 in die Kritik geraten. Erst musste sie sich in Rheinland-Pfalz vor dem Untersuchungsausschuss zu ihrer Rolle bei der Flut im Ahrtal erklären. In den Fokus gerieten Chat-Nachrichten, die nahelegten, dass sich Spiegel mehr um ihr Image sorgte als um die Folgen der Flut. Spiegel befürchtete am Tag nach der Katastrophe ein „Blame-Game“, bei dem ihr Kollege, Innenminister Roger Lewentz, sie für etwas verantwortlich machen könnte.
Wenig später dann geriet sie auch bundespolitisch ins Visier, als bekannt wurde, dass die Umweltministerin zehn Tage nach der schlimmsten Naturkatastrophe des Landes für vier Wochen in den Urlaub gefahren war. Sie habe ihre Aufgabe in Rheinland-Pfalz sehr ernst genommen, sagte Spiegel damals auf einer emotionalen Pressekonferenz kurz vor ihrem Rücktritt. Aber „es war zu viel“, weshalb ein Punkt erreicht gewesen sei, wo sie als Familie wirklich Urlaub gebraucht hätten. Ihr Mann habe gesundheitliche Probleme gehabt, die Kinder unter der Pandemie gelitten, so Spiegel. Für den Urlaub entschuldigte sie sich, politische Konsequenzen zog Spiegel aber nicht.
Die Parteispitze in Berlin soll sie zuvor allerdings zu diesem Schritt aufgefordert haben. Spiegel hingegen wählte den Gang in die Öffentlichkeit. Nur einen Tag später dann zog sie doch die Reißleine. Zuvor war publik geworden, dass Spiegel entgegen ihrer Angaben während des Urlaubs nicht digital an Kabinettssitzungen teilgenommen hatte, sondern sich vertreten ließ. Als Rücktrittsgrund nannte Spiegel damals übrigens keine Versäumnisse, sondern den politischen Druck und um Schaden vom Amt abzuwenden.