Toiletten als Spiegel der Zeit
Das stille Örtchen wird museumsreif. Endlich, dürfte manch einer erfreut seufzen, gehört die elegant geschwungene Porzellanskulptur doch zu den meistgekauften und -benutzten Kunstwerken weltweit. In diesem Fall geht es jedoch um eine ganz bestimmte Klo-Spezies: die Zugtoilette. Einst jagte der Besuch der Zugtoiletten vielen Menschen einen Schauer über den Rücken: Das Geschäft landete direkt auf den Gleisen. Wie sich die Zugtoilette vom Plumpsklo zum Vakuum-WC mit geschlossenem System entwickelte, zeigt ab heute die Ausstellung „Unter Druck“im DB Museum in Nürnberg.
„Jeder hat eine Verbindung zur Zugtoilette“, behauptetMuseumsdirektor Oliver Götze – wenn der Zug überhaupt kommt und das kleinste Abteil im Waggon nicht wegen Renovierungsarbeiten zugesperrt ist. Dennoch sei die Ausstellung die erste in Deutschland, die sich mit der Geschichte der Zugtoilette beschäftige. Zu sehen sind dort mehr als 150 Exponate – unter anderem der Nachttopf aus Reichskanzler Otto von Bismarcks Salonwagen, Zugtoiletten von etwa 1860 bis heute und auch Ideen für
Produktion dieser Seite: Laura Krabsch, Ralf Jakobs die Zukunft, darunter der Prototyp „Cinderella“, eine Toilette für das Lokpersonal. Warum das Klo für die Bahnmitarbeiter ausgerechnet „Aschenputtel“heißt, bleibt allerdings ein DB-Geheimnis.
Die Ausstellung sei ein Spiegelbild der deutschen Geschichte, sagte Götze. Sehr viele sozialgeschichtliche Aspekte sind mit der Zugtoilette verbunden. So war nach deren Einführung 1896 der Berufszweig der Dienstfrauen entstanden, die für die Reinigung verantwortlich waren – die ersten Jobs für Frauen bei der Bahn. Die Bahnhofstoiletten wiederum zählten zu den ersten öffentlichen Toiletten, denn bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es keine in Zügen. Reisende mussten ihr Geschäft bis zum Halt am nächsten Bahnhof unterdrücken. Das erklärte manch verzerrtes Gesicht auf den längeren Abschnitten zwischen zwei Stationen.
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte – dieses Zitat gewinnt eine ganz neue Bedeutung, wenn die Fotografen und Fotografinnen eigentlich vom Wort herkommen – etwa Erich Kästner, Bert Brecht oder Vicki Baum. Sie und viele andere haben nämlich auch Fotogedichte geschrieben – die allerdings dann doch nicht ohne Worte auskommen. Die waren zwischen 1895 und 1945 in illustrierten Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen eine beliebte Literaturgattung. Die Forschung widmet sich jetzt erstmals unter Federführung der Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Universität Würzburg diesem Genre. Ein Beispiel für ein solches Fotogedicht ist der „Song auf Tante Berthas gutes Sofa“von Erich Kästner. Er veröffentlichte es im April 1933 in der Berliner Illustrierten „UHU“. Ein SchwarzWeiß-Foto zeigt ein ausrangiertes, vor sich hin rottendes Sofa in einem Waldstück: „Ein Sofa steht im Walde, ganz still und stumm“, heißt es dazu. Kästner beschreibt, wie das Sitzmöbel unter dem Wetter leidet und sein früheres Heim vermisst: „Es hustet vor sich hin und stöhnt. Es ist das Klima nicht gewöhnt.“Und am Ende: „Ein Sofa steht im Walde und sehnt sich heim. Ein Sofa geht im Walde allmählich aus dem Leim.“In der Blütezeit dieser literarischen Gattung, von der bereits 3000 Texte mit Bildern registriert sind, veröffentlichten weitere prominente Schriftstellerinnen und Schriftsteller regelmäßig Fotogedichte in Illustrierten:
und Ihnen allen gebühre eine „literaturhistorische Rehabilitierung“.