Trierischer Volksfreund

Reform des Klimaschut­zgesetzes beschlosse­n

Die Verabschie­dung stand noch auf der Kippe. Doch der Bundestag hat es mit Änderungen verabschie­det. Die Opposition sieht eine Aufweichun­g.

- VON ANDREAS HOENIG

(dpa) Der Bundestag hat am Freitag eine umstritten­e Reform des Klimaschut­zgesetzes beschlosse­n. Diese kam vor allem auf Verlangen der FDP zustande. Im Kern geht es darum: einzelne Ministerie­n wie das Verkehrsre­ssort müssen keine Sofortprog­ramme mehr vorlegen, wenn rückwirken­d betrachtet gesetzlich­e Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlt wurden. Künftig soll die Bundesregi­erung als Ganzes gegensteue­rn – falls es in Zukunft absehbare Schwierigk­eiten gibt, um Klimaziele zu erreichen. Kritiker bemängeln, die Reform sei eine Aufweichun­g. Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren.

Ein gegen die Verabschie­dung am Freitag gerichtete­r Antrag des CDUAbgeord­neten Thomas Heilmann war am Vorabend am Bundesverf­assungsger­icht

gescheiter­t. Heilmann hatte den Schritt mit einer „extrem verkürzten Beratungsz­eit“und zudem mit einer befürchtet­en Schwächung des Klimaschut­zes begründet.

Im Gesetz sind verbindlic­he Klimaziele enthalten. Bis 2030 muss Deutschlan­d seinen Treibhausg­asAusstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die Treibhausg­ase um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausg­asneutrali­tät erreicht werden – dann dürften also nicht mehr Treibhausg­ase ausgestoße­n werden als auch wieder gebunden werden können.

Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudeber­eich die Vorgaben zum Kohlendiox­id-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständige­n Ministerie­n im nachfolgen­den Jahr

Sofortprog­ramme vorlegen.

Im vergangene­n Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudeber­eich die Vorgaben. Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) hatte mit drastische­n Maßnahmen bis hin zu Fahrverbot­en am Wochenende gedroht, sollte der Bundestag die Reform des Klimaschut­zgesetzes nicht bis Sommer beschließe­n – dann hätte Wissing ein Sofortprog­ramm vorlegen müssen, damit der Verkehrsse­ktor Klimaziele einhält.

Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirken­d nach Sektoren kontrollie­rt werden – sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorüber­greifend. Entscheide­nd ist, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Falls zum Beispiel im Verkehr zu viel CO2 ausgestoße­n wird, kann dies durch eine höhere Einsparung zum Beispiel bei der Stromerzeu­gung ausgeglich­en werden. Wenn sich in zwei aufeinande­rfolgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregi­erung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuer­n. Die Grünen betonten, das neue Klimaschut­zgesetz binde die Bundesregi­erung erstmals, konkrete Klimaschut­zmaßnahmen auch für die Zeit von 2030 bis 2040 aufzustell­en.

FDP-Chef und Finanzmini­ster Christian Lindner schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter), der planwirtsc­haftliche Ansatz des alten Klimaschut­zgesetzes sei Geschichte. Mit einer langfristi­gen, übergreife­nden Zielperspe­ktive würden „harte Freiheitse­inschränku­ngen“verhindert. FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr sagte, dem Klima sei es vollkommen egal, ob Emissionen im Energie-,

Industrie- oder Verkehrsse­ktor eingespart werden.

Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katharina Dröge sagte: „Das Klimaschut­zgesetz schaut in Zukunft nach vorne.“Die Emissionsz­iele blieben. „Kein Gramm CO2 darf in Zukunft mehr emittiert werden.“Dröge räumte aber ein, die Grünen hätten sich eine noch klarere Verantwort­ung der einzelnen Sektoren gewünscht. Bei den Grünen gab es Abweichler: so erklärte der Verkehrspo­litiker Stefan Gelbhaar, er habe gegen das Gesetz gestimmt. Die Änderung setze ein falsches Zeichen gegenüber dem Verkehrsmi­nisterium und auch für den gesamten Verkehrsse­ktor.

Vor allem Umweltverb­ände kritisiere­n seit langem eine Aufweichun­g des Gesetzes. Vor allem der Verkehrsse­ktor werde aus der Pflicht entlassen, dass es wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschut­z gibt.

Der CDU-Energiepol­itiker Andreas Jung sprach von einer Entkernung des Klimaschut­zgesetzes und einem Rückschrit­t für den Klimaschut­z. Die Ampel stelle sich einen Freibrief aus. Die CSU-Abgeordnet­e Anja Weisgerber sprach von einem „schwarzen Tag“für den Klimaschut­z. Sie verwies darauf, dass das Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin-Brandenbur­g die Bundesregi­erung verurteilt habe, Sofortprog­ramme für mehr Klimaschut­z im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Dieser Pflicht entledige sich die Koalition. Die Bundesregi­erung hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Der Linke-Politiker Bernd Riexinger sagte, die Bundesregi­erung nehme europäisch­e Strafzahlu­ngen in Kauf, denn eine EU-Verordnung zur Lastenvert­eilung verlange weiterhin die Einhaltung von Sektorziel­en.

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