Deutschland, ein Land in der Teilzeitfalle
Die Teilzeitquote ist trotz des Personalmangels in vielen deutschen Unternehmen nochmals gestiegen: Mit 31 Prozent arbeitete nach neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts fast ein Drittel aller Beschäftigten im vergangenen Jahr nicht Vollzeit, 2022 waren es noch 30 Prozent. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit in der Spitzengruppe, nur die Niederlande, die Schweiz und Österreich leisten sich ähnlich hohe Quoten. Auffallend ist der hohe Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen: 50 Prozent aller erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit, während dies nur 13 Prozent der Männer tun. An der hohen Teilzeitquote der Frauen hat sich trotz aller Diskussionen um den Ausbau der Kinderbetreuung nichts geändert, denn vor zehn Jahren lag die Teilzeitquote weiblicher Beschäftigter mit 48 Prozent sogar noch etwas niedriger.
Aus ökonomischer Sicht kann sich Deutschland den hohen Teilzeitanteil kaum mehr leisten: Wenn bald die geburtenstarken Jahrgänge in noch größerer Zahl den Arbeitsmarkt verlassen, kommen immer weniger neue Jahrgänge nach, Hunderttausende Stellen drohen unbesetzt zu bleiben. Das kostet Wohlstand und geht zulasten aller. Die Arbeitskräftelücke ließe sich auch mit viel mehr Zuwanderung kaum schließen, und erheblich mehr Migration fände wohl keine gesellschaftliche Mehrheit. Inländische Potenziale müssen also konsequenter erschlossen werden. Die Trendumkehr bei der Teilzeit wäre ein Schlüssel.
Doch allzu oft verhindern fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten die Mehrarbeit vor allem von Frauen. Zwei von drei Müttern minderjähriger Kinder gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach, aber nur jeder elfte Vater. Dass ein Elternpaar typischerweise mit dieser Arbeitsteilung auf den Betreuungsmangel
reagiert, hat nicht nur mit fehlenden Kita-Plätzen oder Nachmittagsangeboten zu tun, sondern auch mit tradierten Rollenmustern, Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen und falschen steuerlichen Anreizen. Ohne das Ehegattensplitting würden Frauen sicher häufiger Jobs mit mehr Arbeitsstunden annehmen.
Dass auch der Teilzeitanteil bei Frauen ohne Kinder deutlich höher ist als bei Männern, ist ein Indiz für diese Fehlanreize. Bemerkenswert ist auch, dass 27 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten einfach auf eigenen Wunsch ihre Arbeitszeit reduzieren: Sie verdienen netto offenbar genug, um sich eine bessere Work-Life-Balance leisten zu können – ein Hinweis darauf, dass unser Steuer- und Transfersystem Teilzeit gegenüber Vollzeit generell eher belohnt.
Dass Frauen mit Teilzeit-Biografien riskieren, im Alter arm zu bleiben, ist allseits bekannt. Umso schlimmer, dass der Trend zur Frauen-Teilzeit bisher nicht gestoppt wurde, sondern sich sogar verstärkt hat. Zunehmende Altersarmut ist gesellschaftlicher Sprengstoff: Etwa die Hälfte der Wahlberechtigten ist bereits über 60 Jahre alt, und jeder Mensch hat eine Mutter oder Großmutter. Der Staat stemmt sich zwar mit Mütterund Grundrente sowie der immer teurer werdenden Grundsicherung dagegen, doch Altersarmut lässt sich wirksam nur mit höheren Einkommen in der Erwerbsphase bekämpfen.