„Kernkraft muss eine Option bleiben“
Der CDU- Generalsekretär äußert sich zum Markenkern der Partei, Frauen in der Union und zum Grundsatzprogramm.
BERLIN Generalsekretär Carsten Linnemann erwartet auf dem CDUParteitag eine „staatsmännische Rede“des Vorsitzenden Friedrich Merz. Ein Gespräch mit Linnemann über die neue CDU, über Muslime, Atomkraft sowie die Wehrpflicht.
Herr Linnemann, Ihr erster Parteitag als CDU-Generalsekretär steht an. Und das gleich drei Tage lang. Welches Signal erhoffen Sie sich von dem Konvent?
LINNEMANN Ein Signal der Geschlossenheit und klare Inhalte, mit denen uns die Menschen wieder verbinden.
Was soll man denn mit der CDU künftig verbinden?
LINNEMANN Wir haben 2021 die Wahl auch verloren, weil wir inhaltlich entkernt waren. Wir lagen am Boden, es war nicht klar, ob wir es schaffen wieder aufzustehen. Mit dem neuen Grundsatzprogramm zeigen wir nun: Wir stehen wieder für konkrete Inhalte. Es gibt in anderen europäischen Ländern Beispiele, wo sich Christdemokraten marginalisiert haben. Wir sind eine liberale, christlich-soziale Partei. Aber auch eine konservative und das betont das Programm stärker als zuvor.
Also ist die CDU eigentlich alles.
LINNEMANNWir sind die letzte Partei in Deutschland, die die gesamte Bevölkerung in den Blick nimmt, die nicht nur bestimmte Milieus anspricht. Im Gegensatz zur SPD sind wir eine Volkspartei. Wir machen Politik aus Überzeugungen heraus, die wir nun klarer herausstellen. Wir wollen den Zeitgeist prägen und ihm nicht einfach folgen.
Was bieten Sie denn Neuwählern, jungen Menschen und Frauen?
LINNEMANN Junge Menschen treiben die gleichen Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse um, wie den Rest der Wählerinnen und Wähler auch – denken Sie allein an das Thema Sicherheit. Es ist der falsche Ansatz, immer der Frage nachzujagen, was müssen wir als Politik machen, um junge Wähler zu erreichen. Entscheidend ist, dass unsere Politik auf unserem Wertefundament beruht. Wir müssen aber die Kanäle, auf denen junge Menschen unterwegs sind, besser nutzten. Hierzu zählt insbesondere Social Media. Wir müssen sie dort abholen, wo sie sind. Das wurde lange vernachlässigt und das haben wir jetzt geändert.
Die Union sollte auch weiblicher werden. Wo sind die Frauen geblieben?
LINNEMANN Im Präsidium hatten wir noch nie so viele Frauen wie derzeit. Wir haben etwa Ines Claus als Fraktionsvorsitzende in Hessen, Karin Prien und Ina Scharrenbach als Ministerinnen in den Bundesländern. Das sind Persönlichkeiten, die bekannt sind und Verantwortung tragen. Wir müssen da besser werden, keine Frage, wir werden den Weg weitergehen.
Sie kommen von einer Kanzlerin, einer Parteivorsitzenden. Die erste Reihe der CDU ist derzeit nicht weiblich.
LINNEMANN Sie vergessen die EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Deren erneute Kandidatur in Ihrer Partei nicht unumstritten war. Außerdem sieht man Ursula von der Leyen bislang auf keinem Plakat zur Europawahl.
LINNEMANN Das ist Quatsch, der da verbreitet wurde. Sie ist in unserer Wahlkampagne sehr präsent, sie macht mehrere Wahlkampftermine in Deutschland und wir werden sie in der heißen Phase der Mobilisierung auch auf unseren Großflächen plakatieren. Kaum jemand weiß bislang überhaupt, dass Europawahlen stattfinden. Wir wollen auf die Wahl erst einmal aufmerksam machen, dann überzeugen und zum Schluss vor allem mobilisieren – natürlich mit Ursula von der Leyen.
Auf dem Parteitag soll Friedrich Merz wieder als Vorsitzender gewählt werden. 95,33 Prozent erhielt er bei seiner ersten Wahl. Ist das die Messlatte? LINNEMANN Der Vergleich zum letzten Mal hinkt etwas, weil der Parteitag damals die Mitgliederbefragung bestätigt hat. Wir haben uns als Partei damals entschieden, gemeinsam aus dem Tal der Tränen zu gehen. Friedrich Merz wird ein sehr gutes Ergebnis erzielen, die CDU ist wieder geschlossen und hat eine Programmatik, die in die Zukunft weist.
Warum nominiert die Union ihn dann nicht auf diesem großen Parteitag als Kanzlerkandidat und sagt: Das ist unser Mann für die Zukunft?
LINNEMANN Weil wir mit der CSU zusammenbleiben wollen und keinen Alleingang machen. Es gibt sie noch, die Erinnerungen an 2021. Das darf sich nicht wiederholen. Es gibt einen Fahrplan, der vorsieht, dass im Herbst dieses Jahres eine Entscheidung getroffen wird, und daran halten wir uns.
Erwarten Sie von Merz in seiner Rede einen Hinweis in Sachen Kanzlerkandidatur?
LINNEMANN Friedrich Merz wird eine große, staatsmännische Rede halten und angesichts der Krisen in der Welt Orientierung geben.
Welche Erwartungen verbinden Sie mit dem Auftritt von CSU-Chef Markus Söder?
LINNEMANN Markus Söder wird auch eine begeisternde Rede halten. Er ist einer der talentiertesten Redner, die es in Deutschland gibt. Die Debatte um 2021 ist auch vorbei. Es sind Fehler passiert, keine Frage. Die dürfen
nicht wieder passieren. Das weiß auch Markus Söder.
Auf dem Parteitag wird auch das neue Grundsatzprogramm beschlossen. Mit welchen strittigen Debatten rechnen Sie?
LINNEMANN Das Thema Wehrpflicht und Gesellschaftsjahr wird sicher zu strittigen Debatten führen. Hier haben wir viele Anträge. Ich persönlich halte am Gesellschaftsjahr fest. Aber ich freue mich sehr auf die Debatten – wann sollten wir diskutieren, wenn nicht jetzt? Wenn wir bei diesem Parteitag nicht frische Luft reinlassen, wann dann? Es wird keine Vorgaben geben.
Wird die Union wieder zur Atomkraft-Partei?
LINNEMANNKonservativ ist für mich eine Haltungsfrage, die Technologieoffenheit mit einschließt. Kernkraft muss eine Option bleiben. Es gab auch Stimmen gegen die Kernkraft, aber das hat in der Antragskommission keine Mehrheit gefunden.
Die Debatte über die Aufweichung der Schuldenbremse könnte ja ebenso den Parteitag einholen. Merz ist
dagegen, die Länder sind dafür. LINNEMANN Ich kann für die CDU Deutschlands nur sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns im hohen Maße zu verschulden, werden wir es wieder versäumen, endlich an unsere Strukturen herangehen. Die Schuldenbremse zwingt uns Politiker, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, Prioritäten zu setzen, strukturelle Verbesserungen herbeizuführen. Dass es so nicht weitergehen kann mit der Aufblähung von Ministerien, mit immer mehr Beauftragten und dem Wust an Planungs- und Genehmigungsverfahren, ist doch klar.
Sagen Sie das auch Kai Wegner, dem Berliner Bürgermeister? Er macht Front gegen die Schuldenbremse. LINNEMANN Wir müssen über den Föderalismus und den Länderfinanzausgleich reden. Eine Reform ist dringend notwendig. Das sieht auch unser Grundsatzprogramm vor.
Umstritten ist auch die neue Formulierung zu den Muslimen und zum Islam. Grenzt sie nicht eher aus als dass sie integriert? LINNEMANN Überhaupt nicht. Die
erste Formulierung war noch etwas unklar, jetzt nicht mehr. vielleicht ist sie es
Aber braucht es überhaupt einen entsprechenden Satz?
„Wir haben ein eklatantes Problem mit radikalen Ausprägungen des Islams.“
LINNEMANN Ja. Wir haben ein eklatantes Problem mit radikalen Ausprägungen des Islams. Seit dem 7. Oktober 2023 sollte das eigentlich jeder erkannt haben. Muslimischer Antisemitismus und Hassreden gegen den westlichen Lebensstil wurden viel zu lange von der Politik unter den Teppich gekehrt oder sogar schöngeredet. Spätestens jetzt müssen diese Dinge offen angesprochen werden, um die Bildung weiterer Parallelgesellschaften zu verhindern und die Muslime, die in Frieden und Freiheit mit uns leben wollen, zu unterstützen. Es geht hier um nicht weniger als um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Übrigens bin ich sicher: Jede Formulierung in unserem Grundsatzprogramm zu diesem Thema hätte Kritik ausgelöst. Aber das halten wir aus.