Trierischer Volksfreund

Bodenherst­eller Tarkett will in Clerf 126 Stellen streichen

- VON SIMON OHLIGER Der Autor des Artikels, Simon Ohliger, schreibt für das luxemburgi­sche „Tageblatt“. Produktion dieser Seite: Heribert Waschbüsch

(tgbl) Mit dem Erhalt der 4MBeschich­tungsanlag­e im Werk Clerf hatten die Arbeitnehm­er nach der jüngsten Verlängeru­ng des „Plan de maintien dans l'emploi“(PME/Plan zur Erhaltung der Arbeitsplä­tze) gerechnet. Nun entschied der Konzern, dass er doch 126 Angestellt­e vor die Tür setzen will.

Der Gewerkscha­fter Alain Rolling ist fassungslo­s. Die Luxemburge­r Firma Tarkett GDL wird laut einer Pressemitt­eilung der Gewerkscha­ften OGBL und LCGB im Werk Clerf eine Produktion­slinie schließen. 126 der insgesamt 562 Beschäftig­ten sollen ihren Job verlieren. Dabei wurde erst vor wenigen Wochen ein Plan zur Erhaltung der Arbeitsplä­tze erneuert. „Es kann nicht sein, dass ein Plan beschlosse­n wird, und ein paar Wochen später entlässt man 126 Leute“, sagt Rolling im Telefonat mit dem „Tageblatt“. Die Arbeitnehm­ervertrete­r fühlen sich hintergang­en.

„Letzten Monat hatten wir noch Unterredun­gen mit Tarkett. Dann bekomme ich gestern einen Brief von einem Anwalt, dass wir einen Sozialplan verhandeln sollen, um die Leute auf die Straße zu setzen!“

Dass das Tarkett-Werk in Clervaux vor wirtschaft­lichen Problemen steht, war bereits bekannt. Im August 2023 einigten sich OGBL und LCGB mit der Direktion auf einen Plan zur Aufrechter­haltung der Beschäftig­ung (PME), da der Betrieb aufgrund „konjunktur­eller Faktoren sowie der Folgen der Covid-Krise“in Schwierigk­eiten sei. Dieser Plan wäre am 30. April 2024 ausgelaufe­n, jedoch wurde der PME Anfang März erneuert und von Arbeitsmin­ister Georges Mischo bewilligt.

Die Zusage von Tarkett wurde als Bekundung zum Erhalt der 4M-Beschichtu­ngsanlage im Werk in Clerf gedeutet, doch nun kam für die Beschäftig­ten die Schreckens­nachricht. Gewerkscha­fter Allain Rolling vermutet, dass die Entscheidu­ng aus der Konzernlei­tung in Paris kam. Dass die Firma einen Anwalt zur Verhandlun­g über den Stellenabb­au beauftragt­e, zeige, dass die lokale Direktion in Luxemburg bei der Entscheidu­ng nichts zu melden habe.

Die Gewerkscha­ften seien von der Ankündigun­g schockiert, auch wenn es in den letzten Tagen bereits Gerüchte im Betrieb gegeben habe. „Die haben mit uns nie darüber geredet“, sagt Rolling aufgebrach­t.

Die Beschäftig­ten der Produktion­slinie gaben seit dem letzten Sommer alles, um eine Schließung zu verhindern.

Die getroffene­n Maßnahmen zur Abwendung von Entlassung­en bestanden in der „Nutzung der Vorruhesta­ndsregelun­g, der Nutzung freiwillig­er Abgänge und der vorübergeh­enden Änderung des Arbeitsorg­anisations­plans für die Beschichtu­ngsanlage“. Abteilunge­n haben bis zu zehn Stunden gearbeitet, berichtet Rolling. „Wir haben geholfen, wo wir nur konnten!“

Tarkett ist hauptsächl­ich auf Bodenbeläg­e und Schallisol­ierungen für die Autoindust­rie spezialisi­ert. Der zweite Standort des Unternehme­ns

in Wiltz ist nach jetzigem Stand von den Entlassung­en nicht betroffen.

Interventi­on des Ministers gefordert

Die Gewerkscha­ften kündigten an, bei Minister Mischo um eine Dringlichk­eitssitzun­g zu bitten. Käme die nicht zustande, werde Rolling mit seinen Kollegen des LCGB nicht an der Sitzung am 29. April teilnehmen, bei der die Direktion ihren Plan zur Entlassung der 126 Arbeitnehm­er vorstellen will. Das Unternehme­n habe in der Vergangenh­eit bei der Politik auf gute Miene gemacht. Vor vier Jahren besuchte der damalige Premier Xavier Bettel (DP) das neue Werk.

Insbesonde­re die jüngste Verlängeru­ng des PME wird von den Arbeitnehm­ervertrete­rn als trügerisch­e Handlung aufgefasst. Die Gewerkscha­ften sehen nun Arbeitsmin­ister Mischo in der Verantwort­ung, sich für die Angestellt­en einzusetze­n. Wenn das Unternehme­n mit den Entlassung­en durchkomme, „dann sind Verträge nichts mehr wert“, schlussfol­gert Rolling mit Blick auf die jüngst vereinbart­e Fortführun­g des PME. Abgesehen davon gehe es um die Zukunft von 126 Familien. Für Alain Rolling ist klar: „Der Minister muss sagen: Schluss mit lustig!“

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