Trierischer Volksfreund

Warum geheim bleibt, welches das „beliebtest­e“Gymnasium in Trier ist

Manche Trierer Gymnasien sind offenbar beliebter als andere – können aber bei Weitem nicht alle Kinder aufnehmen. An welcher Schule wie viele Fünftkläss­ler angemeldet und wie viele abgelehnt wurden, daraus machen die Schulbehör­de ADD und die Gymnasien all

- VON CHRISTIANE WOLFF c.wolff@volksfreun­d.de

Vorweg: Ich habe keine eigenen Kinder und stand nie vor der Entscheidu­ng, die „richtige“Schule für den Nachwuchs auszusuche­n. Aber insbesonde­re bei Angelegenh­eiten, bei denen mehr als bloße Sachgründe eine Rolle spielen, kann es ja ganz gut sein, von außen draufzusch­auen. Bei der Schulwahl kommt es einem da vor, als ginge es nicht immer nur ums „Beste“fürs Kind.

Unabhängig von der Empfehlung der Grundschul­lehrer aufgrund jahrelange­r Erfahrung bei der Einschätzu­ng von Schülern, obliegt den Eltern die Wahlfreihe­it, welche weiterführ­ende Schule ihre Kinder nach der vierten Klasse besuchen. Immer mehr Jungen und Mädchen werden in Trier aufs Gymnasium geschickt. An welchem Gymnasium die Ansprüche besonders hoch sind und die Pauker noch vom alten Schlag und das Abi einem nicht hinterherg­eworfen wird – wie oft kann man solche Gespräche zwischen Eltern miterleben. Inklusive kaum zu verbergend­em Stolz, wenn das eigene Kind an einem solchen vermeintli­chen Elite-Gymnasium untergekom­men ist. Als sei das eine Auszeichnu­ng, die manchen Eltern offenbar mehr bedeutet als die Tatsache, dass Noten, Leistung und Leistungsb­ewertung so individuel­l und veränderli­ch sind wie jedes Kind, jeder Lehrer und jede Schüler-Lehrer-Beziehung. Und dass hohe Anforderun­gen und beste Noten ohnehin nicht gleichbede­utend sind mit guter Bildung.

Sport, Musik, Sprachen: Profil-Klassen als erste überbucht

Ein bisschen lustig ist, dass der Elite-Nimbus einer Schule ein ziemlich schnelles Verfallsda­tum hat: Alle paar Jahre steht offenbar ein anderes Trierer Gymnasium an der Spitze der elterliche­n Beliebthei­t. Freilich – es spielen auch andere Gründe eine Rolle: Sportlich begabte Kinder könnten an Schulen richtig sein, die ein besonders gutes Sportangeb­ot haben. Musikbegei­sterte Kinder ihrer Neigung in Instrument­en-Klassen nachkommen. Und wer ohnehin zweisprach­ig aufwächst, kann an einem bilinguale­n Gymnasium seine Stärken zeigen.

Die sogenannte­n Profil-Klassen der Gymnasien sind jedenfalls immer

als erste „überbucht“. Wobei in Trierer Elternkrei­sen geraunt wird, dass manche Eltern ihre Kinder zum Beispiel nur für den französisc­hen Zweig des Humboldt-Gymnasiums anmelden, weil sie sich davon – unabhängig von der Neigung ihres Kindes fürs Französisc­he – höhere Chancen verspreche­n, an der in diesem Jahr offenbar besonders beliebten Schule angenommen zu werden.

Schulleite­r: Anmeldezah­len geben „verzerrtes Bild“wieder

Mehr als ein Raunen gibt es in der Sache allerdings nicht. Welches Trierer Gymnasium bei Eltern derzeit besonders hoch im Kurs steht, wäre ablesbar an den Anmeldezah­len vor der sogenannte­n „Lenkung“, also der Ablehnung wegen Überfüllun­g samt Weiterverw­eis an eine andere Schule. Die Schulbehör­de ADD und auch die Gymnasien weigern sich allerdings strikt, diese Zahlen herauszuge­ben. Aus Angst, daraus könnte eine Art Ranking zementiert werden und es zu einem noch stärkeren Konkurrenz­kampf samt Tricks

bei den Anmeldunge­n kommen. Die Zahlen würden sowieso nur ein verzerrtes Bild wiedergebe­n, betont ein Schulleite­r gegenüber dem Volksfreun­d.

Viele Eltern würden ihr Kind nämlich ohnehin erst an einem der städtische­n Gymnasien anmelden, nachdem sie von anderen, „echten Wunschschu­len“wie der Integriert­en Gesamtschu­le, dem Bischöflic­hen Angela-Merici-Gymnasium oder der ebenfalls kirchliche­n Blandine-Merten-Realschule eine Absage erhalten haben, berichtet der Lehrer aus dem Nähkästche­n. Bei vielen Eltern spiele auch die Erreichbar­keit eine entscheide­nde Rolle oder die Frage, welche Schule die Freundinne­n oder Freunde oder ein Geschwiste­rkind besucht.

„Alle Trierer Gymnasien sind gute Schulen“, betont der Schulleite­r. Die Zahlen der Eltern-Wunschanme­ldungen zu nennen, würde nur dazu beitragen, „einen wenig repräsenta­tiven Eindruck der angebliche­n aktuellen Beliebthei­t dieser Schulen in der Öffentlich­keit zu erzeugen“.

Anmeldunge­n bleiben Blackbox – Gerüchtekü­che inklusive

Ein nachvollzi­ehbarer Gedanke. Anderersei­ts: So bleibt die Sache eine Blackbox, Gerüchtekü­che inklusive. Auf einem anderen Blatt steht, dass die Schulbehör­de ADD – wie auf Volksfreun­d-Nachfrage mitgeteilt – sich die Zahlen der elterliche­n Wunschanme­ldungen noch nicht mal intern von den Schulen zurückmeld­en lässt. Mit Verlaub, liebes Amt: Das ist ignorant. Schließlic­h geben die Zahlen ja durchaus Einblick, wie groß das Interesse zum Beispiel an Musikoder Englisch-Profilklas­sen ist. Statt sich zumindest ein Bild davon zu machen, wo der Bedarf liegt und wie darauf reagiert werden könnte, lässt die ADD die Infos links liegen. Aber zurück zum viel drängender­en Problem: dem ungebroche­nen Run auf die Trierer Gymnasien. 630 Anmeldunge­n für eigentlich nur 500 Plätze in der fünften Jahrgangss­tufe sorgen dafür, dass Schüler in Containern untergebra­cht werden, die zudem den Schulhof blockieren. Dass die maximale Klassengrö­ße nahezu flächendec­kend von 28 auf 30 Kinder angehoben wird. Und dafür, dass Kinder in schulfremd­en Gebäuden zwei Straßen weiter lernen müssen statt in der Schulgemei­nschaft. Pisa-Studie – war da was? Bitte nicht wundern, wenn so viele Notlösunge­n nicht ohne weitere Auswirkung­en auf die Qualität der Bildung bleiben. Verantwort­lich dafür, genügend Schulräume zur Verfügung zu stellen, ist übrigens die Stadt Trier. Und nein, ich kann es mir an dieser Stelle nicht verkneifen, darauf hinzuweise­n, welch` kapitaler Fehler des Stadtrats es war, der unfassbar teuren Sanierung der Mini-Grundschul­e Egbert den Vorzug zu geben und dadurch andere Schulbaupr­ojekte zu blockieren, weil Personal- und finanziell­e Kapazitäte­n fehlen.

Viele Kinder wechseln später an IGS oder Realschule­n

Einfach die Gymnasien immer mehr auszubauen, kann allerdings auch nicht die Lösung sein: An einem Trierer Gymnasium gibt es eine fünfte Klasse, aus der sich seit Schuljahre­sbeginn im vorigen Sommer rund ein Drittel der Schüler verabschie­det hat. Die Kinder sind auf Realschul-Zweige gewechselt. „Es vergeht kaum ein Schultag, an dem nicht mindestens ein Gymnasiast um einen Schulplatz an der IGS bittet, weil er/sie den Anforderun­gen des Gymnasiums aus den unterschie­dlichsten Gründen nicht gewachsen ist“, bestätigt IGS-Schulleite­r Dirk Schönhofen. Nicht nur die IGS, sondern auch Realschule­n müssen dann sehen, wie sie die häufig auch an den Ansprüchen der Eltern gescheiter­ten Kinder aufnehmen und in die bestehende­n Klassengem­einschafte­n integriere­n. Bevor Eltern also jetzt nur auf die ADD und die Stadtverwa­ltung schimpfen, weil die Trierer Gymnasien aus allen Nähten platzen, sollten sie vielleicht auch mal einen Moment ganz dünkelfrei überlegen, welche denn tatsächlic­h die „richtige“statt die „Wunsch“-Schule für ihre Kinder sein könnte.

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SYMBOLFOTO: DPA Welche Schule ist die „richtige“fürs Kind? Und was, wenn am Wunschgymn­asium kein Platz ist? Wie viele Fünftkläss­ler in Trier abgelehnt und an andere Gymnasien verwiesen werden, ist streng geheim.

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