Warum geheim bleibt, welches das „beliebteste“Gymnasium in Trier ist
Manche Trierer Gymnasien sind offenbar beliebter als andere – können aber bei Weitem nicht alle Kinder aufnehmen. An welcher Schule wie viele Fünftklässler angemeldet und wie viele abgelehnt wurden, daraus machen die Schulbehörde ADD und die Gymnasien all
Vorweg: Ich habe keine eigenen Kinder und stand nie vor der Entscheidung, die „richtige“Schule für den Nachwuchs auszusuchen. Aber insbesondere bei Angelegenheiten, bei denen mehr als bloße Sachgründe eine Rolle spielen, kann es ja ganz gut sein, von außen draufzuschauen. Bei der Schulwahl kommt es einem da vor, als ginge es nicht immer nur ums „Beste“fürs Kind.
Unabhängig von der Empfehlung der Grundschullehrer aufgrund jahrelanger Erfahrung bei der Einschätzung von Schülern, obliegt den Eltern die Wahlfreiheit, welche weiterführende Schule ihre Kinder nach der vierten Klasse besuchen. Immer mehr Jungen und Mädchen werden in Trier aufs Gymnasium geschickt. An welchem Gymnasium die Ansprüche besonders hoch sind und die Pauker noch vom alten Schlag und das Abi einem nicht hinterhergeworfen wird – wie oft kann man solche Gespräche zwischen Eltern miterleben. Inklusive kaum zu verbergendem Stolz, wenn das eigene Kind an einem solchen vermeintlichen Elite-Gymnasium untergekommen ist. Als sei das eine Auszeichnung, die manchen Eltern offenbar mehr bedeutet als die Tatsache, dass Noten, Leistung und Leistungsbewertung so individuell und veränderlich sind wie jedes Kind, jeder Lehrer und jede Schüler-Lehrer-Beziehung. Und dass hohe Anforderungen und beste Noten ohnehin nicht gleichbedeutend sind mit guter Bildung.
Sport, Musik, Sprachen: Profil-Klassen als erste überbucht
Ein bisschen lustig ist, dass der Elite-Nimbus einer Schule ein ziemlich schnelles Verfallsdatum hat: Alle paar Jahre steht offenbar ein anderes Trierer Gymnasium an der Spitze der elterlichen Beliebtheit. Freilich – es spielen auch andere Gründe eine Rolle: Sportlich begabte Kinder könnten an Schulen richtig sein, die ein besonders gutes Sportangebot haben. Musikbegeisterte Kinder ihrer Neigung in Instrumenten-Klassen nachkommen. Und wer ohnehin zweisprachig aufwächst, kann an einem bilingualen Gymnasium seine Stärken zeigen.
Die sogenannten Profil-Klassen der Gymnasien sind jedenfalls immer
als erste „überbucht“. Wobei in Trierer Elternkreisen geraunt wird, dass manche Eltern ihre Kinder zum Beispiel nur für den französischen Zweig des Humboldt-Gymnasiums anmelden, weil sie sich davon – unabhängig von der Neigung ihres Kindes fürs Französische – höhere Chancen versprechen, an der in diesem Jahr offenbar besonders beliebten Schule angenommen zu werden.
Schulleiter: Anmeldezahlen geben „verzerrtes Bild“wieder
Mehr als ein Raunen gibt es in der Sache allerdings nicht. Welches Trierer Gymnasium bei Eltern derzeit besonders hoch im Kurs steht, wäre ablesbar an den Anmeldezahlen vor der sogenannten „Lenkung“, also der Ablehnung wegen Überfüllung samt Weiterverweis an eine andere Schule. Die Schulbehörde ADD und auch die Gymnasien weigern sich allerdings strikt, diese Zahlen herauszugeben. Aus Angst, daraus könnte eine Art Ranking zementiert werden und es zu einem noch stärkeren Konkurrenzkampf samt Tricks
bei den Anmeldungen kommen. Die Zahlen würden sowieso nur ein verzerrtes Bild wiedergeben, betont ein Schulleiter gegenüber dem Volksfreund.
Viele Eltern würden ihr Kind nämlich ohnehin erst an einem der städtischen Gymnasien anmelden, nachdem sie von anderen, „echten Wunschschulen“wie der Integrierten Gesamtschule, dem Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasium oder der ebenfalls kirchlichen Blandine-Merten-Realschule eine Absage erhalten haben, berichtet der Lehrer aus dem Nähkästchen. Bei vielen Eltern spiele auch die Erreichbarkeit eine entscheidende Rolle oder die Frage, welche Schule die Freundinnen oder Freunde oder ein Geschwisterkind besucht.
„Alle Trierer Gymnasien sind gute Schulen“, betont der Schulleiter. Die Zahlen der Eltern-Wunschanmeldungen zu nennen, würde nur dazu beitragen, „einen wenig repräsentativen Eindruck der angeblichen aktuellen Beliebtheit dieser Schulen in der Öffentlichkeit zu erzeugen“.
Anmeldungen bleiben Blackbox – Gerüchteküche inklusive
Ein nachvollziehbarer Gedanke. Andererseits: So bleibt die Sache eine Blackbox, Gerüchteküche inklusive. Auf einem anderen Blatt steht, dass die Schulbehörde ADD – wie auf Volksfreund-Nachfrage mitgeteilt – sich die Zahlen der elterlichen Wunschanmeldungen noch nicht mal intern von den Schulen zurückmelden lässt. Mit Verlaub, liebes Amt: Das ist ignorant. Schließlich geben die Zahlen ja durchaus Einblick, wie groß das Interesse zum Beispiel an Musikoder Englisch-Profilklassen ist. Statt sich zumindest ein Bild davon zu machen, wo der Bedarf liegt und wie darauf reagiert werden könnte, lässt die ADD die Infos links liegen. Aber zurück zum viel drängenderen Problem: dem ungebrochenen Run auf die Trierer Gymnasien. 630 Anmeldungen für eigentlich nur 500 Plätze in der fünften Jahrgangsstufe sorgen dafür, dass Schüler in Containern untergebracht werden, die zudem den Schulhof blockieren. Dass die maximale Klassengröße nahezu flächendeckend von 28 auf 30 Kinder angehoben wird. Und dafür, dass Kinder in schulfremden Gebäuden zwei Straßen weiter lernen müssen statt in der Schulgemeinschaft. Pisa-Studie – war da was? Bitte nicht wundern, wenn so viele Notlösungen nicht ohne weitere Auswirkungen auf die Qualität der Bildung bleiben. Verantwortlich dafür, genügend Schulräume zur Verfügung zu stellen, ist übrigens die Stadt Trier. Und nein, ich kann es mir an dieser Stelle nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, welch` kapitaler Fehler des Stadtrats es war, der unfassbar teuren Sanierung der Mini-Grundschule Egbert den Vorzug zu geben und dadurch andere Schulbauprojekte zu blockieren, weil Personal- und finanzielle Kapazitäten fehlen.
Viele Kinder wechseln später an IGS oder Realschulen
Einfach die Gymnasien immer mehr auszubauen, kann allerdings auch nicht die Lösung sein: An einem Trierer Gymnasium gibt es eine fünfte Klasse, aus der sich seit Schuljahresbeginn im vorigen Sommer rund ein Drittel der Schüler verabschiedet hat. Die Kinder sind auf Realschul-Zweige gewechselt. „Es vergeht kaum ein Schultag, an dem nicht mindestens ein Gymnasiast um einen Schulplatz an der IGS bittet, weil er/sie den Anforderungen des Gymnasiums aus den unterschiedlichsten Gründen nicht gewachsen ist“, bestätigt IGS-Schulleiter Dirk Schönhofen. Nicht nur die IGS, sondern auch Realschulen müssen dann sehen, wie sie die häufig auch an den Ansprüchen der Eltern gescheiterten Kinder aufnehmen und in die bestehenden Klassengemeinschaften integrieren. Bevor Eltern also jetzt nur auf die ADD und die Stadtverwaltung schimpfen, weil die Trierer Gymnasien aus allen Nähten platzen, sollten sie vielleicht auch mal einen Moment ganz dünkelfrei überlegen, welche denn tatsächlich die „richtige“statt die „Wunsch“-Schule für ihre Kinder sein könnte.