Aperol bekommt Konkurrenz von Aronia
Winzer Marcus Hammes will den Markt mit einer Mischung aus Wein und dem Saft der Aroniabeere erobern. Der Beere wird eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Damit auf der Flasche werben, darf der Erzeuger aber nicht.
Kult-Aperitif mit zwölf Buchstaben? Aperol Spritz. Gibt es in jedem Lokal, das was auf sich hält, und in jeder Bar. Der Cocktail gehört für viele Menschen zum Sommer einfach dazu. Geht es nach Marcus Hammes aus Mülheim, dann bekommt der italienische Likör – ein Destillat aus Rhabarber, Chinarinde, Gelbem Enzian, Bitterorange und aromatischen Kräutern – das mit Prosecco und Mineralwasser aufgegossen wird, Konkurrenz. Und zwar von einem Cocktail, der ebenfalls zwölf Buchstaben hat: Aronia Sprizz. Er besteht aus 90 Prozent Wein, zehn Prozent Saft der Aroniabeere und wird mit Kohlensäure versetzt.
Winzer Marcus Hammes aus Mülheim an der Mosel hat auf einer Fläche von etwa 0,4 Hektar in der ansonsten mit Reben bepflanzten Ebene zwischen Mülheim und Veldenz vor einigen Jahren Aronia-Pflanzen in die Erde gebracht, die langsam ihrem vollen Ertrag entgegenwachsen. Derzeit blühen die Pflanzen. Im Gegensatz zu den benachbarten Reben, die in den vergangenen Tagen erfroren sind, zeigen sie sich frosthart (siehe Infobox).
Ist Aronia eine Wunderbeere? Viele Leute, die sich mit der Pflanze beschäftigen, sehen das so. So soll Aronia voller gesundheitsfördernder Inhaltsstoffe stecken.
Und sie eigne sich hervorragend zur Herstellung von Saft und Marmelade. Da die Beere auch in Deutschland wachse, sei ihr Transportweg kurz.
So blieben viele Nährstoffe erhalten.
Die dunkle Beere verfügt über viele gehaltvolle Inhaltsstoffe und gilt deshalb als wahres Superfood. Ihre Wirkung erhält die Beere, so die Meinung der Experten, durch zahlreiche gesunde Vitamine, Spurenelemente und Mineralien. Diese helfen dabei, verschiedenen Krankheiten vorzubeugen und den Körper in seiner natürlichen Funktionsweise zu unterstützen.
Ihnen werden folgende Wirkungen nachgesagt: Sie hemmen Entzündungen, senken das Cholesterin, wirken antioxidativ (könnten damit Krebs verhindern), regulieren den Blutzucker und erweitern die Gefäße. Wissenschaftliche Belege für die Wirkung gibt es allerdings nicht.
All das Positive kann Marcus Hammes erzählen, sichtbar werben im Zusammenhang mit dem Weincocktail darf er damit aber nicht. Ein alkoholhaltiges Getränk als gesundheitsfördernd anzupreisen ist höchstrichterlich verboten.
Hammes glaubt an den Gesundheitseffekt. „Ich will aber auch zeigen, dass Aronia Sprizz eine Alternative zu Aperol Spritz ist“, sagt er.
Der Winzer, der 2021 den elterlichen Betrieb übernommen hat, experimentiert seit 2019 mit der Aroniabeere. Aufmerksam wurde er auf sie bei einem Obstanbauer in Rheinhessen, der sie in großem Stil anbaut und veredelt – allerdings nicht in Zusammenhang mit Wein. Von dem Betrieb bezog Hammes auch die Pflanzen, die er 2019 in den Boden brachte. 2020 gab es die erste Ernte.
Zuerst mischte er Trauben- und Aronia-Saft, eine alkoholfreie Mischung also. Der Winzer ging dann daran, Wein und Aroniasaft in ein gutes Verhältnis zu bringen. 90 Prozent Wein, zehn Prozent Saft. Das ist für ihn die ideale Mischung.
Als Wein verwendet Hammes vorrangig Blanc de Noir, weißgekelterten Spätburgunder. Viezmacher und Lohnabfüller Thomas Benzmüller, ebenfalls aus Mülheim, versetzt die von Hammes gelieferte Mischung mit Kohlensäure und füllt sie in 0,33-Liter Flaschen ab. Wein und Saft müssen dabei nicht erhitzt werden. „So bleiben die Vitamine erhalten“, erläutert Hammes.
Etwa 2000 Flaschen hat Hammes vom Jahrgang 2023 erwirtschaftet. Tendenz steigend, weil auch der Ertrag der Beeren höher wird. Eine Besonderheit ist der Cocktail auf jeden Fall. Ansgar Schmitz, dem Geschäftsführer der Weinwerbung (Moselwein e. V.), ist kein weiterer Betrieb bekannt, der so etwas anbietet.
Mindestens 6000 Euro habe er bisher investiert, in erster Linie in das Stück Land und die Pflanzen, erzählt Hammes. Geerntet werden die Beeren mit einer Maschine
– etwa zeitgleich mit den Trauben.
Eine Flasche mit 8,5 Prozent Alkohol bietet er für drei Euro an. Es gibt den Cocktail auch im Dreier-Tragepack. Der Gastronomie offeriert der Weinbautechniker das Getränk für zwei Euro. In der Gastronomie und im Einzelhandel sei das Getränk aber noch nicht so bekannt. Hier sieht er weitere Absatzmöglichkeiten aber auch noch ein Defizit bei der Werbung. Bisher zeigen eher die Privatkunden und die Leute die im Weingut Hammes Urlaub machen Interesse.
Und wie schmeckt der Aronia Sprizz? „Herb“, sagt Hammes, „aber nicht bitter. Viel besser als Aperol“. Wie Vieles sei das aber Geschmackssache. Die völlig unmaßgebliche Meinung des Reporters: Bitter ist der Cocktail nicht. Wein und Saft können miteinander.
Sollte Aronia Sprizz Freunde bei den so genannten Best Agern finden und auch die Partys erobern, wird die bisherige Menge nicht reichen. Aber: „Ich könnte das Ganze noch
ausbauen“, sagt der Winzer.
Die Experimentierfreude von Marcus Hammes ist auch noch nicht gestillt. Auch die Goijbeere gilt als Superfood. Auch ihr werden gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe zugeschrieben und nachgesagt. Eine Pflanze steht schon auf dem großen Hof des Weinguts. „Mal sehen, was daraus wird“, sagt der Winzer.