Nur zwei Buchstaben Unterschied: Superscamp covert Supertramp
Tagsüber Maler, Lehrer oder Ingenieur, abends Rockstar. Sechs Männer treffen sich regelmäßig, um die Melodien der legendären Band Supertramp auf ihre eigene Weise zu spielen. Ein Besuch bei einer Probe von Superscamp enthüllt Überraschendes.
Sven Thiedecke, 61, wohnt in Farschweiler. Alle zwei Wochen fährt er vom Hochwald nach Trier, um das zu tun, was er seit vier Jahrzehnten liebt: Musik machen. Tagsüber arbeitet er als Keyaccount Manager, doch am Keyboard entfaltet er seine wahre Leidenschaft. Seine Fähigkeiten im Videodreh und -schnitt haben der Cover-Band zu ihrem heutigen Erfolg verholfen. Ihre Konzerte in der Region sind stets ausverkauft.
In den Räumen eines Unternehmens in der Monaiser Straße in Trier, wo sich das geschäftige Treiben abends verflüchtigt hat, finden Bandproben statt. Beim Hochsteigen der Treppen in dem verwinkelten Gebäude schallt einem Musik entgegen. An diesem Donnerstagabend proben hier zwei Bands.
Stefan Kettern, 58, aus Mandern, nimmt auf einem hölzernen Barhocker Platz und justiert das Mikrofon. „Tender“, wie er schon in seiner Band, in der er jahrelang spielte, genannt wurde, ist der Sänger von Superscamp. Das Singen der Songs stellt für ihn eine besondere Herausforderung dar. Muss er doch gleich die Stimmen zweier Supertramp-Musiker in einer vereinen: die von Rick Davies und Roger Hodgson. Stefan Kettern traut sich was.
Die britische Rockband Supertramp hatte in den 1970er- und 1980er-Jahren weltweit großen Erfolg. Typisch für Supertramp ist zum einen der unterschiedliche Gesangsstil der beiden Sänger und deren Sound mit Wurlitzer E-Piano.
Neben Stefan Kettern hat Gerd Portugall, 69, am Schlagzeug Platz genommen. Er bezeichnet sich selbst als „Alterspräsident“der Band. Dass er 140 Kilometer von Lahnstein nach Trier fährt, um mit Superscamp zu proben, spricht für sich. „Ich bin eben total bekloppt“, sagt er und schmunzelt. Und außerordentlich gut in dem, was er tut.
Von seinem Können hatte in den 1980er-Jahren auch ein prominenter Musiker erfahren und ihn für eine Osteuropatour engagiert. Doch bevor er sagt, mit wem er auf Tour war, und die anderen drei mehr von sich erzählen, möchte die Band weiterproben. Schließlich sind sie deswegen zusammengekommen und Samstag steht ein Konzert an.
„I can see you in the morning, when you go to school” singt Stefan Kettern. Konzentriert warten die anderen auf ihren Einsatz. Schließt man die Augen, wähnt man Supertramp im Raum. Dann proben sie „Rudy“, ein Lied über einen Mann, der sich in einer schwierigen Lebenssituation befindet und nach einer Lösung sucht. Mittlerweile zigmal gespielt, sitzen die beiden Lieder auch an diesem Abend. „Anders ist es, wenn wir ein neues Stück proben“, sagt Sven Thiedecke. Dann gehe nur dafür schon mal der ganze Abend drauf.
Ihm ist es geschuldet, dass die Band zusammengefunden hat. Während der Corona-Pandemie, als Musiker zu Hause festsaßen und keine Konzerte spielen konnten, hat Thiedecke Musiker zusammengetrommelt. Jemand kannte jemanden, der wiederum jemanden kannte und Lust hatte, bei seinem Projekt mitzumachen. Supertramp entpuppte sich schnell als gemeinsamer Nenner, wie Stefan Kettern sagt.
Jeder für sich spielte oder sang zu Hause, alles wurde mit der Kamera aufgenommen. Thiedecke machte daraus ein sogenanntes Split Screen Video. Es wurde über 40.000 Mal bei Youtube angeklickt. Superscamp war geboren. Ein Name, pragmatisch ausgewählt, um in den schier unendlichen Weiten des Internets leicht gefunden zu werden.
Wer sind nun die anderen drei? Erwin „Jason“Borne, 56, spielt eine Doppelrolle: Vor zwei Jahren ist er als Bassist und Keyboarder zur Band gestoßen. Er lebt in Oberemmel und begann bereits mit neun Jahren, Orgel zu spielen. Vor etwas mehr als 20 Jahren brachte der ausgebildete Organist sich dann selbst das Bassspielen bei.
Der fünfte in der Runde ist Gitarrist Uli Backes, 58. Viele Trierer dürften ihn kennen, er spielt auch bei der Leiendecker Bloas und bei Gravedigger Jones. Auf der Webseite von Superscamp (www. superscamp.de) wird er als Mann mit den vielen Stilen bezeichnet, der mal clean, mal verzerrt sechs und auch zwölf Saiten streichelt und es liebt, dabei sein Wah-Pedal zu treten. Manchmal singt er auch im Hintergrund. Apropos Wah-Pedal: Es wimmelt im Proberaum vor Instrumenten, Kabeln und Pedalen, die allesamt auch noch bedient werden müssen.
Christoph Marx, 58, so wie der Sänger der Band kommt er aus Mandern, spielt Saxofon und „Staubsauger“, wie er einen Blassynthesizer nennt. Zwei MessingCymbali hängen am Mikrofon. Manchmal greift er nach ihnen, schlägt sie gegeneinander und ein besonderer Ton entsteht.
Die Messing-Cymbali hat Uli Backes während eines ThailandUrlaubs besorgt. „Ich war in einem Laden für buddhistische Artikel und habe sehr lange ausprobiert, bis ich ein Paar fand, bei dem der Ton passte“, sagt der Mann mit dem feinen Gehör. Musiker eben.
Die Band probt weiter. Sie singen und spielen zum Beispiel „Dreamer“, einen Song von dem Album „Crime oft he Century“. Exakt 50 Jahre sind Song und Album alt. Sven Thiedecke ist unzufrieden. Die anderen auch. Was an diesem Abend nur dieses eine Mal vorkommt. „Den müssen wir noch mal spielen.“Die anderen nicken. Noch einmal üben. „Dreamer…“
Am Wochenende rockt Superscamp den Ducsaal in Freudenburg. Es ist ein exklusives Event.
Geschlossene Gesellschaft. Drei Bands spielen dort für Ehrenamtliche, die in dem Hochwalddorf Mandern einen Dorfladen am Laufen halten. Im August reist die Tribut-Band dann in den Norden, genauer gesagt nach Bremen. Dazwischen haben sie weitere Auftritte und werden vor der Bühne gefeiert.
Mit wem war der Schlagzeuger Gerd Portugall nun auf Osteuropatour? „Mit Thomas Anders“, enthüllt er. Portugall schätzt Anders als coolen und sehr netten Musiker. Er blickt gerne auf ihre gemeinsame Tour zurück.
Der Drummer nimmt die Schlagzeugstöcke in die Hand – bereit, wieder loszulegen. Portugall liebt es, kräftig draufzuhauen, aber auch den leisen Tönen ist er zugetan. Die Webseite der Band bestätigt dies und dass er Takt- und Tempowechsel mit stoischer Gelassenheit und einem charmanten Grinsen meistert. Das ist wahr. Auch an diesem Abend.
Gegen 22 Uhr ist Schluss. Die sechs Musiker packen die Instrumente ein, alles andere bleibt stehen – bis zur nächsten Probe. Morgen kehrt Sven Thiedecke in den Vertrieb zurück, Stefan „Tender“Kettern tauscht sein Mikrofon gegen einen Malerpinsel, Uli Backes fährt nach Luxemburg, um für einen Finanzdienstleister zu arbeiten. Erwin „Jason“Borne steht als Lehrer vor Berufsschulklassen und Christoph Marx, der Elektroingenieur, plant neue Projekte. Nur Gerd Portugall, der ehemalige Zahntechnikmeister und nun Rentner, hat einen freien Tag.
Während sie Saxofone und Gitarren verstauen, teilen die Musiker eine weitere überraschende Tatsache: Supertramp war für die meisten von ihnen Liebe auf den zweiten Blick. Uli Backes gesteht: „Ich besitze sehr viele Schallplatten, aber keine von Supertramp.“Heute kann er das kaum glauben.
Mit jedem gespielten Song scheint ihre Liebe zu Supertramp zu wachsen. Und mit jeder Probe, mit jeder Interpretation der Songs, scheint die Band besser zu werden. Davon können die SuperscampFans ein Lied singen.
„Ich besitze sehr viele Schallplatten, aber keine von Supertramp.“Uli Backes Gitarrist und Sänger der Band Superscamp