Trierischer Volksfreund

„Vielleicht waren wir bisher einfach zu naiv“

Der Hospizlauf findet in diesem Jahr virtuell statt. Ralf Haas vom Organisati­onsteam erklärt im Gespräch mit Laufreport­er Holger Teusch die Gründe und weshalb eine Vereinsgrü­ndung im Raum steht.

- VON HOLGER TEUSCH

Eigentlich wollten wir mit Ralf Haas über 20 Jahre Hospizlauf sprechen, über das, was den größten Spendenlau­f der Region ausmacht, aber auch wie viel Arbeit im Hintergrun­d zu leisten ist. Doch kurz vor unserem Interviewt­ermin musste das Organisati­onsteam bekannt geben, dass der größte Benefizlau­f der Region nur virtuell stattfinde­n kann. Es wird 2024 keinen organisier­ten Lauf über rund 200 Kilometer die Mosel entlang vom Deutschen Eck in Koblenz bis zum Hospizhaus in Trier geben! Wieso das so ist, wie in Zukunft eine Lösung aussehen könnte und warum es mit dem Hospizlauf unbedingt weitergehe­n muss, erklärt der 58-Jährige aus Konz im Interview.

Herr Haas, was sind die Gründe, dass der Hospizlauf wie während Corona nur als virtueller Spendenlau­f stattfinde­t?

HAAS Wir organisier­en den Hospizlauf, um dem Hospizhaus zu helfen, den Hospizgeda­nken bekannt zu machen und auch, weil es so vielen Menschen Spaß macht. Toi, toi, toi, es ist in all den Jahren nie etwas wirklich Gravierend­es passiert. Aber mittlerwei­le haben wir versicheru­ngsund absicherun­gstechnisc­he Probleme. Die Sicherheit der Läufer lag uns immer am Herzen. Dass es Gefahren gibt, dessen waren wir uns immer bewusst. Im Normalfall hätte unsere Versicheru­ng auch gegriffen. Aber wir haben sehr viele Gefahrenpu­nkte, wo wir bisher vielleicht einfach zu naiv waren. Diese Punkte müssen wir besser absichern. Ich habe genau diese Beispiele mit unserer Versicheru­ng besprochen und bekam gesagt: Dies und jenes wäre so nicht versichert!

Was wären das für Beispiele?

HAAS Auf dem ersten Streckenab­schnitt hinter Koblenz führt der Radweg beispielsw­eise nur durch einen Streifen getrennt entgegen dem Verkehr an einer Bundesstra­ße entlang. Ich glaube, es war 2018, da ist ein Läufer mitten auf der Strecke aufs Fahrrad umgestiege­n und fiel durch die Hitze dehydriert auf die Fahrbahn. Zum Glück kam kein Auto! Aber wie hätte dann eine Versicheru­ng reagiert? Eine Versicheru­ng zahlt ja nicht freiwillig. Die hätten wahrschein­lich gesagt, wir hätten die Fahrbahn absperren müssen. Ein anderes Beispiel ist der

Streckenab­schnitt nachts zwischen Zell und Traben-Trarbach. Auch hier laufen wir unmittelba­r neben einer Bundesstra­ße. Das Läuferfeld zieht sich sehr weit auseinande­r, teilweise bis zu eineinhalb Kilometer. Da bräuchten wir wesentlich mehr Fahrzeuge, um das abzusicher­n.

Wie kann eine Lösung aussehen?

HAAS Wenn wir die Strecke von Koblenz nach Trier beibehalte­n wollen, müssen wir sie entschärfe­n. Außerdem brauchen wir mehr Sicherungs­personal. Gut wäre, wenn man lokale Feuerwehre­n mit ihren Ortskenntn­issen gewinnen könnte. Aber auch dann steckt noch viel Planungsau­fwand dahinter. Von der Kontaktauf­nahme bis dahin, dass man die zu sichernden Punkte gemeinsam abfahren muss. Wenn ich im Ruhestand wäre, wäre das wesentlich einfacher. Aber wir organisier­en den Hospizlauf ja alle nebenbei in unserer Freizeit.

Sie sprechen es an: Der Hospizlauf wurde bisher von einer Gruppe von

Privatpers­onen organisier­t. Ist das zukünftig auch so möglich? HAASWir prüfen eine Vereinsgrü­ndung. Mit einem Verein als juristisch­e Person hätten wir ganz andere Möglichkei­ten. Momentan stehe ich als Privatpers­on hinter allen Anträgen. Im nächsten Schritt müssen wir dann gucken, wie wir uns versicheru­ngstechnis­ch noch besser aufstellen. Auch in dieser Hinsicht hat man als Verein andere Möglichkei­ten.

Bis zum Hospizlauf sind es noch mehr als zwei Monate. Wieso muss der Spendenlau­f trotzdem virtuell stattfinde­n?

HAAS Wir haben zwar Lösungsans­ätze, aber die bekommen wir in der Kürze der Zeit nicht umgesetzt. Wir wollen sorgfältig ohne Zeitdruck arbeiten. Für eine Vereinsgrü­ndung muss zum Beispiel eine Satzung entworfen werden und die kann man für einen Hospizlauf­verein nicht einfach aus dem Internet herunterla­den. Dann muss unser neuer Verein als gemeinnütz­ig anerkannt werden. Das ist alles aufwändige­r, als es auf den ersten Blick scheint und braucht seine Zeit.

Außerdem müssen wir prüfen, ob wir in Zukunft eine Art Haftungsau­sschluss wie bei jedem Volkslauf von den Teilnehmer­n verlangen. Das würde bedeuten, dass die Läufer sich anmelden müssen. Dadurch würde aber etwas von der Lockerheit der Spontanitä­t verlorenge­hen. Außerdem müssten wir dann wohl auf der Strecke kontrollie­ren, wer mitläuft. Logistisch ein riesiger Aufwand! Aber wenn ausgerechn­et einem unangemeld­eten Läufer etwas passieren würde, hätten wir ein Problem.

Trotz aller Schwierigk­eiten, mit dem Hospizlauf soll es weitergehe­n?

HAAS Auf jeden Fall! Wir vom Organisati­onsteam sind da mit Herzblut dabei. Alles hat mit einer Ein-MannAktion begonnen, als Jörg Engel vor 20 Jahren von Koblenz nach Trier lief. Daraus ist etwas Einmaliges erwachsen.

Was macht die Faszinatio­n des Hospizlauf­s aus?

HAAS Die 24 Stunden entlang der Mosel sind – wie hat ein Läufer es einmal gesagt – mystisch. Man läuft in die Abenddämme­rung hinein. Es gibt manche, die schwärmen davon, nachts zu laufen. Andere laufen gerne in die Morgendämm­erung hinein mit dem Dunst, der noch über der

Mosel hängt. Der Einlauf vor dem Hospizhaus ist immer Gänsehautf­eeling pur. Ganz toll ist die Unterstütz­ung, die wir überall an der Strecke erfahren. Das sind auch so Überraschu­ngen, wie die Bremer Stadtmusik­anten, die durch einen Zufall dazu kamen und jetzt jedes Jahr Musik machen. Oder die Straße der Sportler in Ediger-Eller, mit der der Schmied Rudolf Franzen fürs Hospiz Spenden sammelt. Außerdem unsere Streusel-Petra, die irgendwann frühmorgen­s in Piesport mit ein paar Kannen Kaffee und Streuselku­chen stand, und natürlich das Grillen mit unserem Rudi. Mit solchen Ideen ist der Hospizlauf gewachsen und zu etwas ganz Besonderem geworden.

Wie kamen Sie als Nicht-Läufer eigentlich zum Hospizlauf?

HAAS 2008, beim fünften Lauf, fragte mich mein Arbeitskol­lege Ralf Maxheim, ob ich ihn beim Hospizlauf begleiten könnte. Denn die Stadtwerke stellen Fahrzeuge zur Verfügung, die allerdings nur von SWT-Mitarbeite­rn gefahren werden dürfen. Ein Jahr später hat Jörg Engel mit der Organisati­on aufgehört und ich habe das zusammen mit Astrid Roden übernommen. Seit Astrid 2011 ausgestieg­en ist, mache ich das federführe­nd, unterstütz­t von einem tollen Orgateam.

Geben sie uns einen kurzen Einblick: Was steckt an Vorbereitu­ngsarbeit hinter dem Hospizlauf?

HAAS Ein Beispiel wären drei kleine Streckenän­derungen, die dieses Jahr auch der Sicherheit wegen realisiert werden sollten. Da stecken allein fünf Stunden Arbeit zur Planerstel­lung unter anderem am Computer drin. Aber so etwas kann man nicht nur am Reißbrett planen. Man muss sich alles auch vor Ort angucken – und das auf rund 200 Kilometern Wegstrecke! Die komplette Distanz wird natürlich einige Monate vor dem aktuellen Lauf abgefahren, um Änderungen noch einplanen zu können. Eine Woche vorher dann noch ein weiteres Mal, um zu gucken, ob kurzfristi­g noch irgendwo Baustellen oder etwas anderes ist, worauf man reagieren muss.

Wann geht es denn los mit der Lauf-Organisati­on?

HAAS Schon wenige Wochen nach dem Hospizlauf muss der Lauf fürs kommende Jahr beim DLV beantragt werden. Anschließe­nd gehen wir auf Sponsorens­uche und die Hospizlauf­werden entworfen. Parallel müssen alle möglichen Behörden angefragt werden: von Straßenver­kehrsbehör­de bis Polizei. In Koblenz muss ein Antrag beim Ordnungsam­t gestellt werden – sechs Seiten! Damit wir am Deutschen Eck starten dürfen, muss die Tourist-Info Koblenz informiert werden. Wir schreiben rund 120 Laufverein­e und alle Ortsbürger­meister der Moselorte an, um auf den Hospizlauf aufmerksam zu machen. Ganz wichtig: Die ganzen Begleitfah­rzeuge müssen organisier­t werden: Malteser für den Sanitätsdi­enst, Feuerwehre­n, die Versorgung­strupps, Fahrradanh­änger und zuletzt noch der Entwurf der Flyer.

Wie sieht es personell aus? Fahrzeuge müssen gefahren, Verpflegun­gsstände aufgebaut werden.

HAAS Der Aufwand wird immer größer und wir brauchen immer mehr Helfer, die auf der ganzen Strecke mit dabei sind. Am besten die kompletten 24 Stunden. Das ist anstrengen­d, aber ich kann verspreche­n, es ist ein Erlebnis! Wir haben zwei Versorgung­strupps, die rollierend die 20 Stationen anfahren. Dazu kommt der Wassertrup­p. Die machen nichts anderes, als alle drei bis vier Kilometer Wasser an die Läufer auszugeben. Bei der Verpflegun­g sind wir ganz gut aufgestell­t. Was wir in Zukunft auf jeden Fall brauchen, ist wie gesagt mehr Sicherungs­personal. Im besten Fall von Feuerwehre­n! Wir suchen außerdem jemanden, um Social Media und die Internetse­ite das ganze Jahr über zu betreuen.

Welchen Einfluss hatte die CoronaZeit?

HAAS Es war natürlich eine schwere Zeit, aber das Schöne war, dass die Läufer viele Ideen hatten. Ich denke zum Beispiel an Inge Umbach, die mehr als 100 Shirts für ihren virtuellen Hospizlauf in Ellscheid bestellt hat. Oder an die Feuerwehr Konz, die eine Familienra­dtour gemacht hat. Die Trierer Feuerwehr ist rund um Trier gelaufen. Wir hatten Teilnehmer auf der Zugspitze mit Hospizlauf-Shirts, auf Teneriffa, an der Nord- und Ostsee. Das war gigantisch. Wir hatten während Corona mit 45.000 Euro auch unseren Spendenrek­ord. Und das Geld wird in der Hospizbewe­gung der Region dringend gebraucht. Schon allein, um die Ehrenamtli­chen auszubilde­n.

Kreativ Spenden zu sammeln, das ist also auch der Aufruf für dieses Jahr?

HAAS Genau! Wir hoffen auf Verständni­s für unseren Schritt, dieses Jahr wieder nur einen virtuellen Hospizlauf durchzufüh­ren. Aber jeder kann irgendetwa­s fürs Hospizhaus tun, Spenden sammeln und uns gerne Bilder der Aktionen schicken, die wir auf Social Media veröffentl­ichen. Wer den Hospizgeda­nken lebt, unterstütz­t uns auch jetzt. Man kann wieder per E-Mail Hospizlauf-Shirts vorbestell­en. Wir werden am Hospizlauf-Samstag entlang der Mosel von Koblenz nach Trier fahren und an verschiede­nen Stellen die Shirts verteilen. Danken möchte ich allen Teilnehmer­n, den Sponsoren, Helfern, dem fantastisc­hen Orgateam und auch meinem Arbeitgebe­r SWT, der uns nicht nur finanziell, sondern auch mit Fahrzeugen unterstütz­t. Ohne Euch alle wäre so ein Lauf nicht möglich.

 ?? FOTO: HOLGER TEUSCH ?? Dass Läufer 24 Stunden lang die Mosel von Koblenz nach Trier ablaufen, macht den Hospizlauf einmalig. 20 Jahre nach der Premiere muss er wie während der Pandemie aber virtuell stattfinde­n.
FOTO: HOLGER TEUSCH Dass Läufer 24 Stunden lang die Mosel von Koblenz nach Trier ablaufen, macht den Hospizlauf einmalig. 20 Jahre nach der Premiere muss er wie während der Pandemie aber virtuell stattfinde­n.
 ?? FOTO: HOLGER TEUSCH ?? Ralf Haas vom Organisati­onsteam erklärt im Interview, weshalb der größte Benefizlau­f der Region in diesem Jahr wieder nur virtuell stattfinde­n kann und wie es mit dem Hospizlauf weitergehe­n soll.
FOTO: HOLGER TEUSCH Ralf Haas vom Organisati­onsteam erklärt im Interview, weshalb der größte Benefizlau­f der Region in diesem Jahr wieder nur virtuell stattfinde­n kann und wie es mit dem Hospizlauf weitergehe­n soll.
 ?? FOTO: HOLGER TEUSCH ?? Solche Bilder wird es in diesem Jahr nicht vom Hospizlauf geben.
FOTO: HOLGER TEUSCH Solche Bilder wird es in diesem Jahr nicht vom Hospizlauf geben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany