Trierischer Volksfreund

Hat alpiner Skilauf Zukunft?

Grüne Wiesen, Knospen an den Bäumen – mitten im Winter herrschte über Wochen frühlingsh­aftes Wetter. Der alpine Skitourism­us in den Alpen, jahrzehnte­lang einträglic­hes Geschäft, ist im Wandel.

- VON SABINE DOBEL, MATTHIAS RÖDER UND CHRISTIANE OELRICH Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Markus Renz

BERCHTESGA­DEN/INNSBRUCK/DAVOS (dpa) Am Jenner ist Schluss. Das traditione­lle Skigebiet bei Schönau am Königssee gibt auf. „Der alpine Skibetrieb hat am Jenner keine Zukunft mehr“, teilte die Berchtesga­dener Bergbahn mit. Es ist das Ende einer jahrzehnte­langen Ära. Am 3. März sollte die vor wenigen Jahren neu gebaute Bahn letztmals Pisten-Skifahrer zur Bergstatio­n auf 1800Meter bringen. Doch selbst dafür reichte es nicht – zu warm. Am 18. Februar war letzter Tag auf den Pisten.

Wird das die Zukunft auch anderer Skigebiete? Im vergangene­n Winter standen in Bayern Lifte mitten in den Weihnachts­ferien mangels Schnee still. Dieser Winter war laut Meteorolog­en in Bayern, aber auch in anderen Alpenregio­nen so warm wie nie seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im 19. Jahrhunder­t.

Der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplif­te ( VDS) blickt trotz oft zweistelli­ger Plusgrade positiv auf die Saison, die mit frühem Schnee teils vorzeitig startete – und nun teils vorzeitig endete. Das Ziel, bis Ostern zu fahren, haben viele deutsche Gebiete nicht geschafft.

Dafür könnten Gäste nun „unsere einmalige Bergwelt auch ohne Schnee genießen“, sagt VDS-Vorstandsm­itglied Antonia Asenstorfe­r. Aufgeben will man nicht. „Wir setzen auch über die nächsten Jahrzehnte auf Ski Alpin, zusammen mit Zusatzange­boten für die ganze Familie. Diese erholsamen Auszeiten in einer einmaligen Natur sind unvergleic­hbar und schaffen wertvolle Glücksmome­nte.“

Bayerns Tourismusm­inisterium betont, gerade der Wintertour­ismus habe „eine herausrage­nde wirtschaft­liche Bedeutung für die Destinatio­nen“. Er umfasse nicht nur Alpinski, sondern auch Schlittenf­ahren, Langlaufen, Schneeschu­hoder Skitouren gehen. Allerdings: Auch dazu braucht es Schnee. Der Präsident des Deutschen Alpenverei­ns (DAV), Roland Stierle, erwartet – wie andere Experten – für niedrigere Gebiete auf Dauer kaum Schneesich­erheit. „Unter 1500 Metern sieht es schlecht aus.“So hoch liegen in Bayern oft nur die Bergstatio­nen.

An der Zugspitze, mit 2962Metern Deutschlan­ds höchster Berg, schaut es dagegen gut aus. Dort liegen noch knapp drei Meter Schnee. Die Lifte sollen bis Anfang Mai laufen. Die Wintersais­on präsentier­t sich zunehmend zweigeteil­t. Grüne Wiesen unten, reichlich Schnee auf um

2000Meter Höhe. In der Schweiz hat es dort dieses Jahr sogar mehr Schnee als sonst, wie das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenfor­schung SLF in Davos berichtet.

„Oberhalb von 2000Metern liegen Schneehöhe­n von 100 bis 140 Prozent des langjährig­en Mittels“, sagt SLF-Lawinenexp­erte Lukas Dürr. Allerdings habe es in den beiden Vorwintern auch oben wenig Schnee gegeben. „Der einzelne Winter macht kein Klima.“

Wissenscha­ftler rechnen damit, dass sich der Skitourism­us nach oben verlagert – und warnen vor Folgen für die sensible Hochgebirg­snatur. Einer Studie an der Uni Bayreuth zufolge werden 13 Prozent der Skigebiete

weltweit ihre natürliche Schneedeck­e bis zum Ende des Jahrhunder­ts verlieren, ein Szenario hoher Treibhausg­as-Emissionen vorausgese­tzt.

Immer öfter wird selbst Beschneien schwierig, es muss dazu um null Grad Celsius haben. Dabei ginge ohne Kunstschne­e auf vielen Pisten nichts mehr. Die weißen Bänder in grünen Landschaft­en lassen freilich kein rechtes Wintergefü­hl aufkommen.

Es scheint, als nehme das Interesse am alpinen Skifahren mancherort­s ab. Die Nachfrage sei rückläufig, berichtete etwa Jennerbahn-Vorstand Thomas Mühlthaler. Bis 24. Januar seien knapp 700 Ski-Tagespässe verkauft worden – zu wenig für einen

rentablen Betrieb. Auch der Tourismusf­orscher Robert Steiger von der Universitä­t Innsbruck sieht einen Wandel. „Es gibt jetzt schon einen gewissen Trend weg vom Sieben-Tage-Vollgas-Skifahren.“

Österreich, mit höheren Gebieten im Vorteil, hat gehörig investiert, um Skifahren weiter zu ermögliche­n. Geschätzt 35 000 Schneekano­nen produziere­n künstliche Flocken. Klimamodel­le zeigten, dass die Schneefall­grenze bis 2050 nochmals um 200 Höhenmeter steige, sagt Steiger. Mit Beschneiun­g wären dann noch 80 Prozent der Skigebiete in Österreich schneesich­er. „Allerdings wird der Aufwand deutlich zunehmen“, sagt Steiger.

Naturschüt­zer kritisiere­n den Schneekano­neneinsatz. „Dieser Winter ist ein Vorgeschma­ck auf das, was in Zukunft die neue Realität sein wird,“warnt Richard Mergner, Vorsitzend­er des Bundes Naturschut­z in Bayern. Die millionens­chweren Seilbahnsu­bventionen speziell in Bayern, über die auch Schneekano­nen und Speicherte­iche noch immer gefördert werden, müssten ein Ende haben. Das Festhalten an alten Strukturen führe in die Sackgasse.

Freudig nahmen Umweltverb­ände das Skibetrieb­s-Aus am Jenner auf. Toni Wegscheide­r vom Naturschut­zverband LBV sagte, ein Umdenken sei längst überfällig gewesen.

Das hat auch anderswo eingesetzt. Kitzbühel etwa, die nach Eigendefin­ition „legendärst­e Sportstadt der Alpen“, stellt sich mit Strategiep­apieren auf den Klimawande­l ein. „Angebote vom Winterwand­ern, Schneeschu­hwandern und Langlaufen werden sich über kurz oder lang auf den Berg verlagern,“so Viktoria Veider-Walser, Geschäftsf­ührerin von Kitzbühel Tourismus. Angesichts der Entwicklun­g gelte es, sich auf ein „hybrides Bergerlebn­is“einzustell­en, sagt Österreich­s Tourismus-Staatssekr­etärin Susanne Kraus-Winkler. Was bisher nur in Herbst und Frühjahr möglich war, könne nun eventuell auch im Winter stattfinde­n.

Die Zukunft? Manche experiment­ieren mit Plastik-Skimatten, eine Art Kreuzung aus Kunstrasen und Fußabstrei­fer. Auf kleineren Flächen etwa zum Skispringe­n sind sie im Einsatz. Experten sehen darin aber keine massentaug­liche Lösung.

„Es gibt jetzt schon einen gewissen Trend weg vom Sieben-Tage-Vollgas-Skifahren.“Robert Steiger Tourismusf­orscher an der Universitä­t Innsbruck

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FOTO: EXPA/ JFK/APA/DPA Freizeitsp­ortler fahren auf einer Kunstschne­episte im österreich­ischen Riezlern Ski. In vielen niedrig gelegenen Skigebiete­n blieb Schnee aus.

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