Suchen Sie sich Ihr glückliches Geheimnis!
Humorvoll und offenherzig — so erlebten 420 Besucher am Freitagabend den österreichischen Schriftsteller Arno Geiger in Prüm. Beim Eifel-Literatur-Festival erzählte er von seiner kuriosen Sammelleidenschaft im Altpapier und von seiner viertägigen Wanderun
Von weither sind die Besucher nach Prüm gekommen, um Arno Geiger persönlich zu erleben – den Autor von „Der alte König in seinem Exil“, von „Alles über Sally“und „Es geht uns gut“. Die Autokennzeichen vor der neuen Halle deuten auf Anfahrtswege von einer Stunde und mehr. Doch wohl keiner wird einen so weiten Weg gehabt haben wie der österreichische Schriftsteller selbst, der mit seiner Frau aus Wien kam und sich der Lesung beim Eifel-Literatur-Festival bereits vier Tage lang zu Fuß auf dem Eifelsteig näherte. Die beiden, verriet Geiger dem Publikum, feierten dabei, dass sie sich genau 25 Jahre lang kennen.
„Wandern ist gut für gar alles“, versicherte Geiger den 420 Besuchern. „Das hat einen ganz langen Arm ins Leben hinein.“Die Bewegung, frische Luft, die Distanz zur Arbeitsroutine, der Freiraum zum Sinnieren – „die Zeit, die man beim
Wandern verbringt, kommt doppelt und dreifach zurück“.
Geigers jahrzehntelange Streifzüge zu den Altpapiertonnen in Wien, wo er Briefe, Tagebücher und bisweilen bibliophile Raritäten entdeckte, stehen im Mittelpunkt des Abends. Sie rücken das Nachdenken über Abfall in den Blick, über das Wertvolle im scheinbar Wertlosen, über kleine Schätze im Weggeworfenen.
Die Entdeckung kleiner Schätze im Altpapier
Was er in den Containern fand und las, habe ihn verändert und beim Schreiben inspiriert, erzählt Geiger, der diesen Teil seines Lebens erst durch sein jüngstes Buch „Das glückliche Geheimnis“publik gemacht hat. Es erstaune ihn, sagt er, dass er auch als erfolgreicher Autor nie erkannt wurde. Die Leute schauten durch Müllsammler hindurch als seien sie nicht existent. Doch was als Geringschätzung moniert werden könnte, hat für den Autor auf der anderen Seite einen großen Reiz: In der Rolle des Nicht-Beachteten müsse man keine Erwartungen erfüllen, könne man sich völlig frei fühlen und die Erfahrung machen: „Ich bin mehr als ich scheine.“
Er würde dieses Abenteuer auch den Gästen im Publikum empfehlen, wenn es in Deutschland nicht verboten wäre, im Müll anderer Leute zu stöbern. „Vielleicht finden Sie irgendwas Anderes, wo man nichts gelten muss!“Einen Rückzugsraum zu haben als glückliches Geheimnis – „das ist doch großartig!“
Den ganz großen Durchbruch als Schriftsteller hatte Arno Geiger 2005, als ihm der Deutsche Buchpreis verliehen wurde. Wie das damals war, als er schlagartig berühmt wurde und wie er nach mageren Anfangsjahren in seinem Traumberuf Fuß fasste, auch davon erzählte der Autor in Prüm offenherzig und meist mit einer sympathischen Prise Selbstironie, die das Publikum immer wieder zum Lachen und Klatschen brachte.
Festivalleiter Johannes Zierden hatte das Podiumsgespräch als eine Art Wanderung durch Geigers Leben konzipiert, unterbrochen durch Lesungen des Autors. Der Gast erwies sich als so gesprächig und munter, dass man kaum glauben mochte, dass er diese Episoden nicht schon dutzendfach erzählt haben mag. Etwa die Vorgeschichte zum Deutschen
Buchpreis 2005, die Arno Geiger so schildert, als würde er sie zum ersten Mal mitteilen, exklusiv für das Publikum in Eifel. Wie er damals einen renommierten Verlag gefunden hatte, den Hanser Verlag, bei der er noch heute ist, aber niemand außer seinem Lektor Wolfgang Matz so recht an ihn glaubte und das Werk, an dem er vier Jahre lang „mit völliger Selbstausbeutung“und einer Haltung „auf Sein und Verrecken“gearbeitet hatte, um ein Haar nicht nominiert worden wäre.
Arno Geiger: Mehr Offenheit täte gut
Wie schwer fällt es ihm, sehr Privates öffentlich zu machen, will Zierden noch wissen. „Gar nicht“, versichert der Autor. „Ich finde, wir sollten viel mehr über einschneidende Dinge reden.“Es gebe eigentlich nichts, was man verheimlichen müsste.
Info: Im Herbst erscheint der nächste Roman von Arno Geiger. Dem TV verriet der Schriftsteller kürzlich, dass es ums Thema Aufhören geht. „Aufhören schafft Freiräume, und die füllen sich dann auch wieder.“