Uns’re Heimat, uns’re Liebe
Stellen Sie sich vor: ein Sportplatz, irgendwo im Hochwald. Etwa 15 bis 20 Jahre her. Ein klassischer Kreisligasonntag. Nur, dass hier rund 30 Jugendliche stehen und der Heimmannschaft zujubeln. Trommeln, Fanartikel, laute Stimmen – alles dabei. Sogar selbst gebastelte Rauchbomben aus Tischtennisbällen, Alufolie und manchmal Weihrauch.
Und mittendrin: ich. Heranwachsend, Goalgetter in der EJugend. Ich singe mit: „Uns're Heimat, uns're Liebe. In den Farben rot, weiß, rot. 1928, wir bleiben treu bis in den Tod – Schillingen!“
Ich hatte damals keine Ahnung, woher die Melodie dieses Liedes kommt. Für mich war es nur ein Weg, die Liebe zu meinem Heimatverein auszudrücken. Dass ich viele Jahre später eine Kolumne über Ronny schreibe, in der jenes Lied noch mal zum Thema wird, hätte ich nicht gedacht.
Doch Ronny hat mit diesem Lied mehr erreicht, als nur eine Liebesbotschaft gen Fußballklub zu senden. Er schaffte es vor 60 Jahren auf Platz eins der deutschen Charts. Dabei musste er das Rad kein bisschen neu erfinden. Denn die Melodie an sich ist alt. Älter als der Fußballverein über den ich sang. Wie alt genau, das lässt sich nur schwer herausfinden. Aber probieren wir es.
Fest steht, dass die Melodie vor 1941 entstanden sein muss. Denn damals schaffte sie es zum ersten Mal in die US-Charts – in einer
Version von Bing Crosby. Aber wir müssen noch weiter zurück schauen: 1883 erschien ein Werbeplakat, das einen Barker Bradford als Komponisten eines Songs namens Clementine auswies, der der Ursprung sein dürfte.
Seitdem ist viel passiert. Etliche Musiker haben die Melodie, deren Urheberschaft nicht gesichert ist, verwendet. Eines blieb in den meisten Fällen gleich: Der Text – wenn auch meist etwas abgewandelt – handelt von einem Mann und seiner Liebe zu einer Frau namens Clementine. Als diese jedoch in rauschendes Wasser fiel, konnte der Mann sie nicht retten, da er nicht schwimmen konnte.
Der US-amerikanische Entertainer Bobby Darin machte daraus eine etwas andere Version: Er stellte Clementine als stark übergewichtige Frau dar, die sich nach dem Sturz ins Wasser in einen Wal verwandelt habe.
Und dann war da Ronny. Der Norddeutsche schnappte sich die Melodie ebenfalls und änderte den Text ab. Bei ihm blieb nicht einmal der Titel gleich: Aus Clementine wurde Caroline. Was blieb: eine traurige Liebesgeschichte, wie im Original.
Statt in einen Fluss zu fallen, verliebte sich Caroline in der Ronny-Version jedoch in einen fremden Reiter. Der verhöhnte den Protagonisten, der anschließend nach einem Schuss mit dem Sheriff gehen musste und festgenommen wurde. So trennten sich die Wege von ihm und Caroline für immer.
Ronny machte die Melodie zum ersten Mal zu einem Hit in Deutschland. Und das war in jenem Jahr nicht einfach. Denn blickt man heute auf die damaligen Charts, dann muss man sagen: Wow, da waren einige Kracher dabei. Von Rote Lippen soll man küssen, über die Beatles bis zu Liebeskummer lohnt sich nicht.
Doch keine dieser Melodien hält sich so hartnäckig wie die von Clementine. Zumindest in meinem fußballzentrierten Kopf. In vielen Stadien werden Sie sie hören. Noch vor dem Erlebnis auf dem Schillinger Sportplatz hörte ich sie als Version des VfL Bochum in einem Playstation-Spiel. Auch der singt sie bei jedem Spiel.
Und der TuS Schillingen, zumindest ab und an. Zwar sind die Sänger von damals heute Spieler oder Trainer – aber nach besonderen Erfolgen heißt es immer wieder (wenn auch eher im Vereinslokal):