Nackte Mädels, Zauberlehrlinge und Kirchenrock in Heidelberg
WGemäldeW, entstanden zwischen 1647 und 1651, mit einem neuen Öl- und Gasprojekt der britischen Regierung in der Nordsee zu tun? Zunächst einmal recht wenig. Bis auf die Tatsache, dass sich Aktivisten die nackte Dame, der von einem geflügelten, ebenfalls nackten Engel der titelgebende Spiegel vorgehalten wird, im vergangenen November zum Ziel ihres Protestes vorgenommen hatten. Es war nicht der erste Anschlag auf das Bild. Den ersten gab es 1914, als die militante Suffragette Mary Richardson, die sich später in einem Anfall geistiger Umnachtung der „British Union of Fascists“anschloss, mit einem Fleischerbeil das schützende Glas zertrümmerte, um gegen die Verhaftung ihrer SuffragettenKollegin Emmeline Pankhurst zu protestieren. Nach dieser Einleitung nun zum eigentlichen Anlass: 90 Jahre zuvor war das Museum, in dem besagtes Gemälde hing, gegründet worden. Demzufolge feiert die Londoner National Gallery in diesem Jahr ihr 200-jähriges Bestehen. Das Jubiläum wird vom heutigen Freitag an gefeiert. Geplant ist unter anderem eine Lichtshow an dem Gebäude am Trafalgar Square. Dafür sollen Projektionen von Gemälden aus der Sammlung und zur Geschichte des Museums genutzt werden. Zwölf bekannte Werke werden zudem in anderen britischen Museen ausgestellt, um auch
Menschen an den Feierlichkeiten teilhaben zu lassen, die nicht in der Hauptstadt leben. Darunter eben auch die „Venus vor dem Spiegel“. Bleibt abzuwarten, ob das Kunstwerk den Auswärtstrip unbeschadet übersteht.
Aggressionen jedweder Art dürfte eine andere Ausstellung kaum befürchten: Nach Stationen in den USA, Europa und Asien kommt eine interaktive „Harry Potter“Ausstellung nun auch nach München. Bis zum 5. September werde sie erstmals in Deutschland einen Blick hinter die Kulissen gewähren, teilten die Veranstalter mit. Zu sehen sind Originalkostüme und authentische Requisiten rund um das Zauberuniversum, das die Bestseller-Autorin Joanne K. Rowling in ihren Büchern erschaffen hat und das aufwendig verfilmt wurde. Auch Objekte aus der BroadwayProduktion „Harry Potter und das verwunschene Kind“sollen in der Kleinen Olympiahalle gezeigt werden. Der Zauberlehrling ist derzeit auch noch in Köln zu besichtigen. Dort hat die Schau „Harry Potter – Visions of Magic“(bis 2. Juni) allerdings einen anderen Schwerpunkt: Deren Macher versprechen ein interaktives Kunsterlebnis mit atmosphärischen Licht- und Toninstallationen sowie plastischen Modellen.
„Wir haben über 1.000 Anmeldungen. Es ist wirklich verrückt, es ist wie Heiligabend“, jubelte Vincenzo Petracca, Pfarrer an der
Heidelberger Heiliggeistkirche. Grund für den plötzlichen Besucheransturm in den ansonsten eher leeren heiligen Hallen: zwei
„Taylor-Swift“-Gottesdienste.
Dabei wird die amerikanische Singer-Songwriterin nicht einmal persönlich anwesend sein. Ihre Songs werden von einer Live-Band interpretiert; ihr Leben und ihre Texte werden christlich gedeutet. Es ist nicht das erste Mal, dass Petracca auf die Kraft der Popkultur setzt. In den vergangenen zehn Jahren gab es in der Reihe „Citykirche Rock ‚n` Roll“bereits Gottesdienste mit Musik der Beatles, von Madonna, Bob Dylan, Michael Jackson und Leonard Cohen. Religiöse Biografieund Text-Exegese inklusive. In seinem Buch „Das säkulare Zeitalter“hob der kanadische Philosoph Charles Taylor 2007 die Ähnlichkeit zwischen traditionellen religiösen Festen und Rockkonzerten hervor. An die Stelle der gemeinschaftsstiftenden Feste der traditionellen „Großverbände“seien neue Events getreten, welche „Augenblicke der Verschmelzung“erzeugen können. „Die Angehörigen der Menge, die bei einem Rock-Festival jubelt, sind auf ähnliche Weise miteinander verbunden. In diesen Augenblicken der Verschmelzung herrscht große Erregung, die an den Karneval oder einige der großen Kollektivrituale der Vergangenheit erinnert.“Ob diese Erklärung den Klerikalen gefällt? Na wenn schon – Hauptsache, die Bude ist (mal wieder) voll.