Eine Liebeserklärung an Trier
Für ihr Portal „ DearTrier“interviewt Beatrice Linzmeier jede Woche Menschen aus der Region – oft junge Kreative, die Trier den Metropolen Deutschlands vorziehen oder, wie sie selbst, von dort in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Ihre Mission: Zeigen, dass
Da ist dieser eine, kleine Schwur. Er war schon bitter ernstgemeint, als Bea Linzmeier – damals hieß sie noch Grundheber – Trier hinter sich gelassen hat. Vor über 20 Jahren. Es war keine Entscheidung gegen die Mosel, sondern für die Welt: Für New York und Paris, für St. Petersburg und Berlin. Und für immer. Das dachte sie jedenfalls, eigentlich wusste sie es auch. Trier, das war zwar die Heimat, ein Herzensort. „Ich wollte immer weg“, erinnert sie sich, „aber ich hatte zugleich immer ein lokalpatriotisches Gefühl mit Trier.“Wenn damals jemand lästerte, in irgendeiner Metropole: Wo kommst du her, Trier? Aus der Provinz, hahaha! „Dann hat mir das wehgetan“, sagt sie. Das ist lange her. Heute ziehen Berliner Kreative glückstrunken in die Uckermark. Keine Pointe.
Warum Berlin für sie an Charme verloren hat
Der Schwur ging so: Bea sagte einem Bekannten aus Trier-Euren – da ist sie aufgewachsen – dass es sie in die Welt zieht. Er sagte: Irgendwann kommst du wieder zurück. Sie: Auf keinen Fall, niemals, ich schwöre! Das erzählt sie dem VolksfreundReporter, sie lacht dabei, aus vollem Herzen, das macht sie oft. Denn er hat recht behalten, der Eurener, das ist die eine Seite. Seit anderthalb Jahren lebt Bea mit ihrem Mann Michael und der kleinen Tochter in einem kleinen, geschmackvoll renovierten Häuschen in Trier-Süd.
Nach vielen Jahren in Berlin. Kleiner Garten hinter dem Haus, oben hat sie sich im Büro ein Studio für Podcasts eingerichtet. Die andere Seite: sie lag falsch – aber zum Glück! „Wir fühlen uns mega-wohl.“Dabei war Trier gar nicht die erste Wahl, als Berlin für sie an Charme verlor, kurz nach der Geburt ihrer Tochter. Berlin hatte sich in und nach der Corona-Zeit verändert. Der Kiez, die Nachbarschaft, nicht zuletzt: die Mietpreise. Für eine Familie
war die Wohnung im Prenzlauer Berg zu klein. Blieb die Frage: wohin geht's?
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den DJ aus dem Forum heiraten würde“
„Wir überlegten: Ziehen wir nach Köln, Stuttgart, Hamburg?“Aber da ploppte Trier wieder auf. „Es ist doch Quatsch, mit 40 in irgendeine fremde Stadt zu gehen und komplett neu anzufangen. Wir haben hier eine Infrastruktur, haben Familie für unsere Kleine, wir haben Natur. Wir kennen hier alles und sind in dem Sozialgefüge noch drin gewesen, weil die besten Freunde von hier kommen. Wir haben hier alles.“Sie hat sich zwar in Berlin in Michael verliebt, aber auch er stammt von der Mosel – die beiden kennen sich aus Partynächten in Trier: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den DJ aus dem Forum heiraten würde.“Wieder lacht sie. Michael Linzmeier, Produkt-Entwickler, hat eine Führungsposition bei der Hotelplattform HRS. Zuvor war er unter anderem jahrelang Booking-Agent des weltweit erfolgreichen Techno-Produzenten Boys Noize – auch den hatte er einst im Trierer „Forum“kennengelernt.
Gemeinsam für Trier: „Ich will andere inspirieren“
Die Stadt war nicht nur präsent als Ort der Kindheit, Jugend und der Familie. Sie heirateten auch in Trier, noch zu Pandemiezeiten, als ein Umzug noch längst kein Thema war. „Durch die Hochzeit hatten wir ein so schönes Erlebnis mit Trier.“Ja-Wort im Turm Jerusalem, SektEmpfang vor dem Dom, dann mit dem gemieteten ‚Römerexpress` mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft von der Innenstadt aus ins Herrlich Ehrlich nach Trier-West, wo sie feierten. Und von allen Seiten, auch von Fremden: Alles Gute, herzlichen Glückwunsch! „Das war so schön“, sagt sie und lacht: „Das kannte ich aus Berlin nicht. Die bewerfen dich da ja eher mit Bierdosen.“
Eins sei ihr klar gewesen. „Ich wusste, wenn ich zurück nach Trier gehe, dann will ich auch etwas geben – und habe mir DearTrier überlegt.“Das Portal ist fürs Image der Stadt ein Glücksfall, das lässt sich jetzt schon sagen. Es ist eben doch was anderes, ob nun Sakkoträger aus der Kommunalpolitik Triers kreativen Spirit beschwören - oder eben eine Mosel-Rückkehrerin spannende Menschen oder einen neuen Laden vorstellt, für die Social Media seit den frühesten Anfängen zum Leben gehört. Mut machen will sie, Geschichten erzählen über Menschen, die sich was getraut haben. „Ich will damit andere inspirieren, will das Mindset ändern.“Und das ist auch ein Grund, warum sie Berlin (noch) nicht vermisst: „Ich lerne jede Woche interessante neue Leute kennen. Was ich sonst in Berlin, New York, Moskau oder Paris an
Input bekommen habe, bekomme ich hier durch die Gespräche“, sagt sie. „I wanna put Trier on the map.“Soll heißen: Warum sollte die alte Römerstadt eigentlich nicht zum „Moselle Valley“werden, zum spannenden Ort für junge Menschen mit Mut und Ideen? Trier habe ja alle Voraussetzungen.
DearTrier: Bis zu 250.000 Aufrufe im Monat bei Instagram
Mit Ellenbogen und Konkurrenzdenken werde das aber nicht funktionieren. Ihr ist es wichtig, dass sich die Leute untereinander vernetzen: „Ich wünsche mir, dass wir in Trier mehr zusammenarbeiten, um so unsere Stadt zu bereichern.“Für den Volksfreund hat Bea Linzmeier exklusive Interviews mit Tanja Kriebel, Davina Dücker, Andreas Twardzik und Daniela Johanni geführt, die an den nächsten vier Wochenenden veröffentlicht werden.
Bei Instagram kommt DearTrier monatlich auf bis zu 250.000 Aufrufe. „Das ist wirklich Wahnsinn, wie viel Reichweite wir inzwischen haben“, freut sie sich. Die Idee war für sie naheliegend: Schon in Berlin hatte sie einen erfolgreichen Blog, Berlinograd. Dort stellte sie russischsprachige Kreative vor. Die Liebe zu Menschen, sie zieht sich bei Bea Linzmeier durch den Lebenslauf. „Ich habe mich immer mehr für Menschen interessiert als für Kunst oder Architektur“. Sie ging als Au pair nach New York, machte in Trier später am Wirtschaftsgymnasium das Abitur nach, in Kontakt blieb sie über die frühen Netzwerke wie Friendster, MySpace, schon Jahre vor Facebook. Sie studierte dann Russistik in Mainz – nicht, weil das irgendein Berufsberater empfohlen hätte: Von der Hauptschule Ehrang kannte sie viele Russen – und nach einer Reise nach St. Petersburg und Moskau war sie „hooked“, so nennt sie es, begeistert von der damaligen Aufbruchstimmung in Russland. „Ich wollte damals eigentlich auswandern“, sagte sie. Daraus wurde nichts, so wurde Berlin für sie zur Stadt, die vieles von dem vereint hat, was sie liebgewonnen hatte: Das Russische, das Amerikanische, das Deutsche. „Das Beste von allem. Ich habe mich da auch sehr lange sehr wohlgefühlt“, sagt sie, ohne Wehmut. Denn in Trier hat sie noch viel vor. Das muss sie nicht schwören. Man glaubt es ihr auch so.