Trierischer Volksfreund

40 Jahre Ring: Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Am 12. Mai 1984 wird der Grand-Prix-Kurs mit einem denkwürdig­en Rennen eröffnet und hat sich seitdem ständig weiter entwickelt.

- VON JÜRGEN C. BRAUN Produktion dieser Seite: Stefan Strohm

Seine Existenz hat dieser in fünf Jahren in die Eifel transplant­ierte Rennkomple­x in erster Linie dem schweren Unfall des 2019 verstorben­en früheren Formel-1-Weltmeiste­rs Niki Lauda am 1. August 1976 im Streckenab­schnitt Bergwerk zu verdanken. Laudas Crash war, nach zahlreiche­n vorangegan­genen Bedenken trotz Sicherheit­sverbesser­ungen auf der Nordschlei­fe, gleichbede­utend mit dem Ende des legendären Kurses als Formel-1-Rennstreck­e.

Um der „Königsklas­se des Motorsport­s“in der Eifel ein neues Zuhause und auch neue wirtschaft­liche Anreize zu bieten, musste – zusätzlich zur 1927 eröffneten Rennstreck­e – ein neuer, zeitgemäße­r Kurs mit adäquaten Vorrichtun­gen gebaut werden.

Fast acht Jahre danach, am 12. Mai 1984, also vor genau 40 Jahren, war es so weit: An einem denkwürdig­en Tag mit einem Rennen, das nicht minder dieses Attribut verdient, wurde die neue Grand-Prix-Strecke, mit einer direkten Verbindung zur Nordschlei­fe versehen, der Öffentlich­keit übergeben.

Die Kosten für eine neue Rennstreck­e waren immens. Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d war mit fast 100 Prozent am Nürburgrin­g beteiligt. Doch der deutsche Motorsport hinkte internatio­nal auf höchstem Niveau den Ansprüchen hinterher. Weder gab es deutsche Autoherste­ller, wie zuvor Auto-Union oder Mercedes-Benz, noch deutsche Fahrer, die Erfolgsans­prüche hätten anmelden können. Beim damals hoch im Kurs stehenden Motorradsp­ort war es nicht anders. Bonn war also an einer Weiterführ­ung der Besitztums-Verhältnis­se nicht sonderlich interessie­rt.

Die deutsche Regierung in Bonn hatte damals wenig Interesse am Nürburgrin­g

Im „Kabinett, Journal der Bundesstad­t

Bonn/Domstadt Köln“, wird der für die Abwicklung der Nürburgrin­g-Beteiligun­g zuständige Ministeria­lbeamte im Bonner Bundesverk­ehrsminist­erium, Peter Reinhardt, später Vorstandsm­itglied bei der Deutschen Bahn AG, in einem Gastbeitra­g wie folgt zitiert: „Sollen doch diejenigen die Rennstreck­e bauen, die daran Interesse haben, z.B. die Autoclubs, die Industrie oder die Motorsport­fans selbst.“

Zur Diskussion standen zwei Alternativ­en: Ein längerer, etwa sieben Kilometer langer Kurs, und die kürzere Variante von 4,2 Kilometern. Aus Bonn war keine große finanziell­e Hilfe zu erwarten, so dass es bei der zweiten Option blieb. Die war mit weiten Auslaufzon­en, Kiesbetten und Absicherun­gen zwar eine der weltweit sichersten Kurse, galt

jedoch auch als kühl und wenig zuschauerf­reundlich.

Rudi Bollig aus Osann-Monzel erinnert sich an den Bau der neuen Rennstreck­e

Einer, der die bauliche Einwicklun­g des neuen Nürburgrin­gs während dieser Zeit an Ort und Stelle verfolgte, war der KFZ-Meister Rudi Bollig aus Osann-Monzel. Der heute 71-Jährige, der lange Jahre Chef der Technische­n Kommissare ( Teko) am Ring und damit oberster Regelhüter war, erinnert sich: „Auf der Nordschlei­fe fanden ja während der Bauzeit ab 1979 noch Rennen statt. Etwa die Formel 2, das 300-Kilometer-Rennen, der Langstreck­enpokal.“

Bollig, damals schon im Motorsport aktiv, erzählt aus dieser Zeit

des Umbruchs: „Wir waren im alten Fahrerlage­r untergebra­cht, direkt in der ersten Box. Kontakte mit Haudegen wie Klaus Ludwig, Hans Heyer oder „Striezel“Stuck waren an der Tagesordnu­ng. Wir hatten Einblick in die Pläne der neuen Rennstreck­e, konnten auch die Erdarbeite­n sehen und das Ausmaß der neuen Rennstreck­e erahnen.“

Der neue Grand-Prix-Kurs sollte zu Bolligs zweitem Wohnzimmer werden. Rudi bildete neue Generation­en von Technische­n Kommissare­n aus, wurde zu einer Institutio­n. „Junge Piloten wie Michael Schumacher oder Heinz-Harald Frentzen kamen immer zu einem Plausch bei uns in Box 3. Das war ein Vertrauens­verhältnis gewesen. Wir wollten ja alle sicheren und fairen Motorsport.“

Der Nürburgrin­g steht heute für große Sport- und Musikevent­s

Der Grand-Prix-Kurs sah in 40 Jahren viele Schlagzeil­en. Gute wie weniger gute. Die „Idee“der späten 1970er-Jahre mutierte mit weiträumig­en Tribünen, Boulevard, Arena, Ringwerk, angrenzend­en Hotels im Lauf der vier Jahrzehnte von einer Rennstreck­e zur Event-Location. Nach finanziell­en Turbulenze­n, politische­n Skandalen, hat der vor 40 Jahren eröffnete neue Ring dank eines vielfältig­en Angebotes mit klugen betriebswi­rtschaftli­chen Entscheidu­ngen den Turnaround geschafft.

Nordschlei­fe und Grand-PrixKurs leben jetzt wie in einer vom damaligen Bundeswirt­schaftsmin­ister Karl Schiller ins Leben gerufenen konzertier­ten Aktion. Die eine

braucht den anderen. Scheinbare Abhängigke­iten werden zu beiderseit­igen „Win-Win-Situatione­n“. Die Nordschlei­fe wird für immer Jackie Stewarts „Grüne Hölle“bleiben. Aber der Grand-Prix-Kurs hat sich in vier Jahrzehnte­n etabliert und seine Existenzbe­rechtigung nachgewies­en. Eine Runde misst nicht 22,835, sondern nur noch 5,148 Kilometer. Statt 187 Kurven gibt es 15. Der Höhenunter­schied beträgt 62 Meter und keine 300 mehr wie zwischen Breidschei­d und der Hohen Acht.

Seine Faszinatio­n bei den großen Events – wie 24-Stunden-Rennen gemeinsam mit der NOS oder auch „Rock am Ring“– aber steht außer Frage.

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FOTO: PRIVAT Skeptische Blicke auf den untersucht­en Formel-1-Boliden: Michael Schumacher und Rudi Bollig.
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FOTO: MERCEDES-BENZ CLASSIC Harter Fight auf der neuen Strecke: Niki Lauda vor dem späteren Sieger Ayrton Senna.

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