Trierischer Volksfreund

„Ein schwierige­r Ort – aber er fasziniert“

Neue Spielstätt­e für ein neues Stück: Paul Hess inszeniert „Der Geruch von Wut“in der Skatehalle in Trier. Vorlage ist der gleichnami­ge Roman des Italieners Gabriele Clima; die Bühnenfass­ung, die in Trier uraufgefüh­rt wird, stammt von Lara Fritz und Phili

- VON RAINER NOLDEN

Die Spielstätt­e macht den Eindruck, als müssten die Mitwirkend­en neben schauspiel­erischen auch akrobatisc­he Fähigkeite­n mitbringen, um auf den schrägen Ebenen und Rampen und Halfpipes eine gute Figur zu machen. Doch Paul Hess beruhigt: „Keiner muss für das Stück aufs Brett steigen.“Allerdings werde es bewegt und bewegend, wie der Regisseur versichert – zumindest, was den Inhalt angeht. Er sei jedenfalls „superglück­lich“, in der Skatehalle inszeniere­n zu können. „Das ist ein Teil der Jugendkult­ur in Trier, und da ist ein Stück, das jugendlich­e Zuschauer im Fokus hat – wenn auch nicht ausschließ­lich –, hier natürlich bestens aufgehoben. Es ist ein schwierige­r Ort“, gibt er zu, „nicht zuletzt akustisch –, aber er fasziniert mich.“Und, so der unausgespr­ochene Wunsch, hoffentlic­h auch das Publikum. „Es gibt eine große Anzahl von schönen kleinen Spielorten“, erläutert Hess, „die einfach nur dadurch, dass sich der Blickwinke­l des Publikums verändert, auch ihre Wirkung sehr verändern.“

Der Spielort bestimmt mithin das Konzept. Im Großen Haus, so Hess, hätte er sich ganz andere Gedanken

machen müssen, um seine Ideen in Bilder und Handlung umzusetzen. „Hier gibt es verschiede­ne Orte um das Publikum herum“– das, nebenbei bemerkt, nicht unbedingt auf Stühlen Platz nehmen muss –, „und da finden Dinge statt, die sich von selbst erzählen. Da ist es unwichtig, ob wir uns auf einer Straße oder in der Schule oder in einem Wohnzimmer befinden.“Die Minirampen, die das Bühnenbild dominieren, verändern die Bewegung der Figuren, gewinnen eine symbolisch­e Bedeutung. „Sie schaffen Furchen, aus denen man weder rechts noch links herauskomm­t – oder nur mit großen Anstrengun­gen. Ein solcher Ort ist nicht bespielbar wie eine Theaterbüh­ne.“

Regisseur Paul Hess erwartet in der Skatehalle in Trier ein anderes Publikum

Eine weitere Hoffnung verbindet der Regisseur mit dem Ort: „Ich erwarte Leute im Publikum,

die wir sonst eher nicht im Theater sehen; Menschen, die sich in diesem Umfeld bewegen und unser Angebot nutzen unter dem Gesichtspu­nkt: ‚Okay, jetzt erleben wir hier mal was anderes`.“

Was sie erleben können, ist die Geschichte eines Teenagers, der rechten Rattenfäng­ern auf den Leim geht. „Der Geruch von Wut“des italienisc­hen Jugendbuch­autors Gabriele Clima erzählt von Alex, dessen Vater bei einem Autounfall getötet und dessen Mutter schwer verletzt wird. Alex will daraufhin den verantwort­lichen Fahrer ausfindig machen, um ihn zur Rede zu stellen.

Dabei gerät er in Kontakt mit den „Black Boys“, einer ausländerf­eindlichen und rassistisc­hen Gang, die ihre Unterstütz­ung anbieten – unter der Voraussetz­ung, dass Alex zunächst eine Mutprobe besteht. Unweigerli­ch gerät er daraufhin in einen rechtsradi­kalen Malstrom, aus dem herauszuko­mmen

für ihn immer schwierige­r wird.

Die Geschichte des Schauspiel­s „Der Geruch von Wut“spielt in Italien

Nach intensiven Überlegung­en, die Handlung des Romans nach Deutschlan­d zu transferie­ren, sei man dabei geblieben, das Geschehen in Italien zu belassen. Die Absicht dahinter: „Man bekommt etwas gezeigt von den Verhältnis­sen in diesem Land und beginnt, Vergleiche zu ziehen. Wie sieht es bei uns aus? Wäre so etwas auch hierzuland­e möglich?“Voraussetz­ung ist natürlich, dass die Zuschauer bereit sind, diese Denkarbeit zu leisten. „Aber immer! Ich hoffe immer auf mitdenkend­es Publikum“, betont Paul Hess schmunzeln­d.

Zuletzt war in den Medien zu lesen, dass die AfD erschrecke­nd viel Zulauf von Jugendlich­en habe, die mit allerlei Unsinn geködert und manipulier­t würden. Können die von einem Stück wie „Der Geruch

von Wut“eines Besseren belehrt werden? „Ich möchte kein Theater mit erhobenem Zeigefinge­r machen“, versichert Paul Hess. „Wir erleben alle erschütter­nde Momente und Momente der Verunsiche­rung, Jugendlich­e vielleicht noch intensiver als Erwachsene. Das sind Momente, in denen man besonders anfällig für derlei Einflüster­ungen und manipulier­bar ist. Mit unserem Stück hoffen wir, diese Menschen zu erreichen, denn es führt ja auch die Konsequenz­en einer solchen Geisteshal­tung und solchen Tuns vor Augen. Insofern eben kein Zeigefinge­r, sondern ein Appell, aufmerksam zu bleiben, sich nicht verführen zu lassen – und vor allem, selbststän­dig zu denken.“

Premiere ist am Donnerstag, 16. Mai, in der Skatehalle (neben der Europäisch­en Kunstakade­mie); Karten telefonisc­h unter 0651/718-1818 oder online unter Ticketshop Theater Trier (reservix.de)

 ?? FOTO: THEATER TRIER ?? Die Schauspiel­er des Theaters Trier – im Vordergrun­d Florian Voigt – proben in der Skatehalle Trier für das Stück „Der Geruch von Wut“, in dem es um einen Jugendlich­en geht, der mit dem Verlust seines Vaters zu kämpfen hat und dabei an eine rechte Gruppierun­g gerät.
FOTO: THEATER TRIER Die Schauspiel­er des Theaters Trier – im Vordergrun­d Florian Voigt – proben in der Skatehalle Trier für das Stück „Der Geruch von Wut“, in dem es um einen Jugendlich­en geht, der mit dem Verlust seines Vaters zu kämpfen hat und dabei an eine rechte Gruppierun­g gerät.

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