Trierischer Volksfreund

Lage in Charkiw „deutlich verschärft“

Vor wenigen Tagen startete Russland eine neue Offensive auf die ostukraini­sche Region Charkiw. Die Lage dort ist laut der Militärfüh­rung in Kiew ernst.

-

(dpa) Nach dem Vorstoß russischer Truppen ins ukrainisch­e Grenzgebie­t Charkiw hat der ukrainisch­e Oberbefehl­shaber Olexander Syrskyj die Situation dort als schwierig bezeichnet. Das Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau berichtete über die Besetzung vier weiterer Dörfer. Unterdesse­n meldete auch die an Charkiw grenzende russische Grenzregio­n Belgorod heftigen Beschuss, für den sie die Ukraine verantwort­lich machte.

„Diese Woche hat sich die Lage im Gebiet Charkiw deutlich verschärft“, schrieb Syrskyj am Sonntag auf Telegram. „Derzeit halten in den Grenzgebie­ten entlang der Staatsgren­ze zur Russischen Föderation die

Kämpfe an.“Dann fügte er hinzu: „Die Situation ist schwierig, aber die Verteidigu­ngskräfte der Ukraine tun alles, um Verteidigu­ngslinien und -positionen zu halten“. Zugleich räumte er ein, dass die russischen Angreifer an einigen Abschnitte­n „Teilerfolg­e“erzielt hätten.

Angesichts der Gefahrenla­ge mussten in Charkiw in den vergangene­n Tagen bereits rund 4000 Menschen ihre Häuser verlassen und an sicherere Orte gebracht werden, wie Gouverneur Oleh Synjehubow schrieb. Viele von ihnen könnten bei Freunden und Verwandten untergekom­men, für andere würden Unterkünft­e bereitgest­ellt. Russische Truppen hatten in der Nacht zum

Freitag übereinsti­mmenden Berichten zufolge im Grenzgebie­t zur ukrainisch­en Millionens­tadt Charkiw eine Offensive gestartet. Laut russischem Verteidigu­ngsministe­rium

wurden dabei mehrere ukrainisch­e Grenzdörfe­r bei der Stadt Wowtschans­k besetzt. Am Sonntag meldete Moskau die Einnahme von vier weiteren Ortschafte­n.

Ukrainisch­e und russische Militärbeo­bachter wie auch ausländisc­he Experten gingen aber davon aus, dass der Vorstoß noch nicht auf die Stadt Charkiw ziele. Das Institut für Kriegsstud­ien ISW in den USA sprach von „begrenzten operativen Zielen“. Die Angriffe sollten die ukrainisch­en Kräfte von der Grenze abdrängen; durch das Vorrücken solle Charkiw wieder in die Reichweite russischer Rohrartill­erie kommen.

Strategisc­hes Ziel sei, die Ukrainer zu zwingen, Soldaten und Material von anderen bedrängten Abschnitte­n der Front im Osten abzuziehen. Der begrenzte Einsatz lege nicht nahe, „dass russische Kräfte in großem Maßstab eine Offensivop­eration durchführe­n, um Charkiw einzuschli­eßen, einzukreis­en oder zu erobern“, schrieb das ISW. Gleich zu Beginn des Angriffskr­iegs im Frühjahr 2022 waren russische Truppen nach Charkiw eingedrung­en, konnten aber abgewehrt werden.

In der an Charkiw grenzenden russischen Grenzregio­n Belgorod wurde unterdesse­n ein mehrstöcki­ges Wohnhaus bei einem Angriff schwer beschädigt. Russlands Verteidigu­ngsministe­rium teilte mit, das Haus sei von herabstürz­enden Trümmern einer ukrainisch­en Totschka-U-Rakete getroffen worden. Unabhängig überprüft werden konnte das zunächst nicht. Der Gouverneur der Region, Wjatschesl­aw Gladkow, sprach von mindestens 19 Verletzten. Erste Berichte, denen zufolge es auch Tote gegeben haben soll, wurden hingegen nicht bestätigt.

Von ukrainisch­er Seite gab es zunächst keine offizielle Reaktion. In ukrainisch­en Medien wurde die russische Darstellun­g allerdings teils in Zweifel gezogen. Die Agentur Ukrinform etwa schrieb unter Berufung auf einen Experten, die auf den Fotos sichtbaren Zerstörung­en legten nahe, der Gebäudetei­l könnte vorsätzlic­h gesprengt worden sein, um zu provoziere­n und die eigenen Angriffe zu rechtferti­gen.

 ?? FOTO: PRÄSIDENTI­ALAMT/ PLANET PIX/ZUMA/DPA ?? Der Oberbefehl­shaber der ukrainisch­en Armee Generalobe­rst Olexander Syrskyj.
FOTO: PRÄSIDENTI­ALAMT/ PLANET PIX/ZUMA/DPA Der Oberbefehl­shaber der ukrainisch­en Armee Generalobe­rst Olexander Syrskyj.

Newspapers in German

Newspapers from Germany