Schwerer Hirnschaden nach Corona-Impfung: Trierer Familie kämpft um Schmerzensgeld
Gut eine Woche nach ihrer Corona-Impfung im März 2021 platzt im Kopf der Triererin Mandy Klöckner eine Vene. Ein großer Teil des Gehirns stirbt. Für das erlittene Leid will die Familie einen finanziellen Ausgleich. Ein neues Urteil könnte das möglich mach
Korsika. Oder Südfrankreich. Auf jeden Fall ans Meer. Da, wo man sich den Wind um die Nase wehen lassen kann und die Sonne das Salzwasser auf der Haut trocknet. „Meine Frau war immer eine absolute Wasserratte“, erzählt Alexander Klöckner. Aber im Meer schwimmen, weit weg in Urlaub fahren, wandern gehen – das ist vorbei. Und Sonne verträgt Mandy Klöckner schon gar nicht mehr. Denn dann erhitzt sich sofort die Kunststoffhaube, mit der die Ärzte im Trierer Brüderkrankenhaus vor rund drei Jahren die Schädelplatte der damals 46-Jährigen ersetzen mussten. Um durchlässig zu sein, ist die Haube gelocht. Durch die Löcher dringen aber auch die UV-Strahlen der Sonne bis zum Gehirn. Das kann auch die Kopfhaut nicht verhindern, die die Ärzte wieder über den künstlichen Schädelknochen ziehen konnten.
Die Schädelknochen mussten weg, weil das Blutgerinsel in Mandy Klöckners Kopf sonst noch mehr Gehirnmasse zerdrückt hätte. Ausgelöst wurde die Hirnvenenthrombose durch ihre Corona-Impfung am 5. März 2021 im Trierer Impfzentrum. „Meine Frau hat sich auch aus Pflichtgefühl impfen lassen“
An den Tag, als die Einladung zur Impfung im Briefkasten lag, erinnert sich Alexander Klöckner noch ganz genau. Als Erzieherin in der Kita Christ König in Trier-West gehörte seine Frau mit zu den ersten Bevölkerungsgruppen, die sich gegen das Virus immunisieren lassen konnten. „Wir waren schon etwas geknickt, als in dem Brief stand, dass meine Frau Astrazeneca bekommen sollte. Der Impfstoff galt ja schon damals als schlechter als der von Biontech.“Ganz wohl sei es seiner Frau damit nicht gewesen. „Das war auch Thema bei den Kolleginnen in der
Kita, also, ob man lieber abwarten soll, bis man den Impfstoff von Biontech bekommen kann“, berichtet Alexander Klöckner. „Aber meine Frau war mit Leib und Seele Erzieherin – sie hat sich auch aus Pflichtgefühl mit Astrazeneca impfen lassen.“
Eine Woche nach dem Pieks kommt Mandy Klöckner abends heim und hat Kopfweh. Obwohl es nicht kalt ist, fröstelt sie. Sie nimmt eine Schmerztablette. Am nächsten Morgen muss sie sich übergeben. Ganz komisch sei es ihr gewesen, erzählt ihr Mann am Esstisch im Haus der Familie in Trier
Kürenz. Alexander Klöckner war viele Jahre lang Rettungsassistent. Vielleicht ist es sowas wie Intuition aus Erfahrung, die ihn entscheiden lässt, Mandy ins Krankenhaus zu bringen.
Das Brüderkrankenhaus behält seine Ehefrau da. Die Thrombozytenwerte in ihrem Blut sind schlecht. Als die Schmerzen schlimmer werden, scannen die Ärzte ihren Kopf per MRT. Die verstopfte Hirnvene ist deutlich zu sehen. Blutverdünner können den Thrombus nicht auflösen. Die Vene platzt. Das Blut strömt in den Schädel, die Flüssigkeit presst das Gehirn zusammen. Um den Druck zu nehmen und das Blut abfließen zu lassen, wird Mandy Klöckner erst die linke Hälfte der Schädeldecke entfernt, dann die rechte.
Mehr als 20 Jahre sind Alexander und Mandy verheiratet. „Ich wusste nicht, ob und wie sie sich jemals wieder erholen würde“, sagt Alexander. Als seine Frau endlich wieder aufwacht, ist er da und drückt er ihre Hand. Sie kann nicht mehr sprechen, nicht mehr essen, nicht mehr gehen. Zu viele Gehirnzellen sind abgestorben, als dass sie noch verstehen könnte, was man zu ihr sagt. Die übrig gebliebene Gehirnhälfte muss neu lernen, wofür die toten Gehirnzellen vorher zuständig waren. Acht Monate liegt die Erzieherin im Brüderkrankenhaus. Dann geht es zur Reha nach Bad Godesberg. Die ersten Wochen schreit Mandy, sobald sie wach ist, nahezu ohne Unterlass. Ob vor Schmerz oder dem Grauen, das ihr widerfahren ist – wer weiß das. Eine Maschine hilft ihr dabei, sich aufrichten zu können. Einen Löffel in die Hand nehmen. Das erste Wort wieder sprechen, den ersten Satz. Alles ist mühsam. Alles dauert. Ihr Mann und ihr Sohn besuchen sie, so oft es geht – und kämpfen für sie und mit ihr. Das Haus in Trier-Kürenz wird umgebaut, Aufzug, rollstuhlgerechte Rampen, solche Dinge. Labortest beweist Impfschaden
Dass die schwere Hirnblutung eine Folge der Astrazeneca-Impfung ist, beweist ein Labortest: Die Thrombose bei gleichzeitigem Blutplättchenmangel ist eine Immunreaktion von Mandys Blut auf das Serum. „Trotzdem mussten wir erst einen Anwalt einschalten, damit ihre Impfschädigung anerkannt wird“, berichtet Sohn Jan.
Es braucht mehr als ein Jahr, bis Mandy Klöckner wieder sprechen kann, stockend zumindest. Nach fast jedem Wort muss sie suchen. Sich zu konzentrieren fällt ihr schwer. Der Blick ihrer braunen Augen ist starr. „Meine Mutter reagiert oft impulsiv, es kann sein, dass sie beim Spazierengehen einfach über die Straße läuft, dass sie vergisst, den Herd abzustellen.“Manchmal steht sie mitten in der Nacht auf. Mandy Klöckner ist wohl ihr Leben lang rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen.
Die Berufsgenossenschaft zahlt eine Verletztenrente und finanziert die Umbauten am Haus. „Insgesamt kommt meine Mutter durch die Zahlungen der BG und ihrer Rente auf rund 85 Prozent ihres ehemaligen Gehalts“, berichtet Jan Klöckner. Das sei nicht nichts. „Aber wir meinen, dass meine Mutter eine Entschädigung erhalten sollte für das, was ihr passiert ist, weil der Impfstoff offensichtlich doch nicht so sicher war, wie anfangs vermittelt“, sagt Jan Klöckner.
Wer schuld daran ist, dass jemand anderes einen schweren Hirnschaden erleidet, kann dafür auf Schmerzensgeld von mehr als 500.000 Euro verklagt werden. Hersteller von Arzneimitteln sind vor solchen Forderungen allerdings geschützt - auch im Fall des Impfstoffes, der binnen Monaten gestestet, zugelassen und wieder vom Markt genommen wurde.
Am 29. Januar 2021 – ziemlich genau ein Jahr nach dem ersten CoronaFall in Deutschland – erhält das Astrazeneca-Serum seine europaweite Zulassung. Als Mandy Klöckner am 5. März die Spritze bekommt, sind in Großbritannien, wo das Vakzin per Notfallzulassung schon früher eingesetzt wurde, bereits die ersten Hirnvenenthrombosen aufgetreten. Am 15. März berichtet das in Deutschland für die Dokumentation von Impfschäden zuständige Paul-Ehrlich-Institut von einer „auffälligen Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (...) in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit dem Covid19-Impfstoff Astrazeneca“. Über 13 Hirnvenenthrombose-Fälle sind da bekannt. Im Verhältnis zu den mehr als 1,6 Millionen insgesamt verabreichten Impfungen eine kleine Zahl. Rausgerechnet werden müssen aber alle Männer und zusätzlich alle Frauen
über 60. Denn die schwere Nebenwirkung tritt nahezu ausschließlich bei Frauen zwischen 20 und 60 Jahren auf. Was das vermeintlich niedrige Risiko für diese Gruppe relativiert. Klagen auf Schmerzensgeld sind ohne Aussicht
Trotzdem wird das Vakzin weiter auch an junge Frauen verimpft. Am 18. März werden die Aufklärungsbögen der Impfzentren um die offenbar erst nach der Zulassung des Arzneimittels aufgefallene Nebenwirkung ergänzt. Am 30. März sind 30 Hirnvenenthrombosen bekannt, bei insgesamt 2,3 Millionen Impfungen in der Gesamtbevölkerung. Am 1. April – nur drei Wochen nach Mandy Klöckners Impfung also – empfiehlt die Ständige Impfkommission, Astrazeneca nicht mehr an Frauen unter 60 zu verimpfen.
Dass es bei Arzneimitteln immer ein Risiko für Nebenwirkungen gibt, sei ihm durchaus klar, betont Jan Klöckner. „Aber zu dem Zeitpunkt, als meine Mutter sich impfen ließ, war keine Rede von Hirnvenenthrombosen, es hieß, die Impfung sei sicher. Gleichzeitig war der gesellschaftliche Druck riesig. Und meine Mutter hat sich ja auch nicht nur für sich impfen zu lassen – ungeimpften Erzieherinnen drohte damals schließlich ein Berufsverbot.“
Dass der AstraZeneca-Impfstoff ziemlich rasch wieder vom Markt genommen wurde, wertet Jan Klöckner als klares Zeichen dafür, dass das Vakzin erst gar keine Zulassung bekommen hätte, wenn die schwere Nebenwirkung schon in der Studienphase bekannt gewesen wäre.
Denn nur Medikamente, deren Nutzen für die Gesellschaft höher bewertet wird als die negativen Begleiterscheinungen, werden zugelassen. Wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis von den zuständigen Gesundheitsbehörden befürwortet, befreit das die Hersteller von jeglicher Haftung. Treten später doch noch unerwartete Nebenwirkungen auf, sind Schmerzensgeldklagen ohne Aussicht.
Grundsätzlich mache das auch Sinn, meint Christoph Pitsch, Trierer Fachanwalt für Medizinrecht und Rechtsanwalt der Klöckners. Müsste die Pharmaindustrie – selbst bei bestens getesteten Medikamenten – unabsehbare Schadensersatzforderungen fürchten, könnte das deren Engagement, Arzneien auf den Markt zu bringen, dämpfen. „Damit wäre dann auch keinem geholfen“, meint Pitsch.
Beim Astrazeneca-Serum sei es allerdings so, dass die positive Bewertung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses binnen weniger Wochen zerbröselt sei – sonst wäre das Vakzin für die RisikoGruppe ja nicht zurückgenommen genommen worden. „Außerdem ging der Impfung nicht wirklich eine freie Entscheidung voraus – dafür war der gesellschaftliche Druck viel zu hoch“, sagt Pitsch. Dass das Arzneimittelgesetz die Pharmaindustrie vor Klagen schütze, Impfgeschädigte dagegen sich selbst überlasse, sei „nicht patientenfreundlich“.
Bundesweit gibt es mehrere Menschen mit schweren Impfschäden, die auf Schmerzensgeld oder Entschädigung klagen. Seit Kurzem gibt es ein erstes Urteil. Erstritten hat das eine 1990 geborene Frau, die nach ihrer Impfung mit Astrazeneca am 10. März 2021 eine schwere Darmvenenthrombose erlitten hatte. Mehr als drei Meter Dünndarm schnitten die Ärzte aus ihr heraus, drei Tage lang lag die heute 33-Jährige im künstlichen Koma. Insgesamt fordert die Oberfränkin von Astrazeneca mehr als 850.000 Euro für die erlittenen Schmerzen, ihren Verdienstausfall und als Ausgleich für die Beeinträchtigung, die der dauerhafte gesundheitliche Schaden für ihr Leben bedeutet.
Das Landgericht in Hof hatte die Klage mit Hinweis auf das Arzneimittelgesetz abgewiesen. Das Oberlandesgericht in Bamberg macht es sich zumindest weniger einfach. Geld wurde der Klägerin zwar noch nicht zugesprochen. Das OLG hat aber Astrazeneca – kurzgefasst – dazu verurteilt, alle Daten zu allen bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen seines Corona-Impfstoffs Vaxzevria und sämtliche weitere Erkenntnisse über mögliche schädliche Wirkungen offenzulegen.
Ergäbe sich daraus tatsächlich ein Hinweis darauf, dass dem Arzneimittelhersteller die Thrombosen-Gefahr bereits bekannt war, als das Medikament zugelassen wurde, würde sich eine Tür für Schadensersatzforderungen öffnen. Auch die Trierer Familie Klöckner will Astrazeneca verklagen. Vielleicht wird das Leid, das Mandy, ihrem Mann Alexander und ihrem Sohn Jan durch die Folgen der Corona-Impfung widerfahren ist, ja zumindest finanziell doch noch mal abgefedert.
Im Esszimmer der Familie hängt ein großes Bild an der Wand. Mandy Klöckner hat es gemalt, Jahre vor ihrer Erkrankung. Acryl auf Leinwand. Brauntöne verlaufen ineinander zu einem Sandstrand, darauf Fußspuren. „Du hast der Fügung deine Stirn geboten. Hast ihn nie verraten, deinen Plan vom Glück“, steht in weißen Buchstaben daneben. Es sind Zeilen aus einem Grönemeyer-Lied. „Das Leben ist nicht fair“, singt Grönemeyer darin auch.
Jetzt steht der Sommer wieder vor der Tür. „Wenn ich meine Frau fragen würde, wohin sie in Urlaub fahren möchte“, sagt Alexander Klöckner, „ich bin mir sicher, sie würde sagen Korsika. Oder Südfrankreich.“
Nach jedem Wort muss Mandy Klöckner suchen. Sich zu konzentrieren fällt ihr schwer. Der Blick ist starr.
„Das Arzneimittelgesetz schützt die Pharmaindustrie vor Klagen, überlässt Impfgeschädigte aber sich selbst“Christoph Pitsch, Fachanwalt für Medizinrecht