Trierischer Volksfreund

Antiquität­en, Omis und 80 Euro: „Bares für Rares“-Waldi und sein Reich

Waldi Lehnertz handelt mit Antiquität­en und hat es geschafft, mit „ Achtzisch Euro“zu einem Fernseh-Promi zu werden. Nun ist er auch noch Krimi-Autor, obwohl er selbst nichts liest. Was ist sein Geheimnis?

- VON JONAS-ERIK SCHMIDT Produktion dieser Seite: Heribert Waschbüsch

(dpa) Wenn eine Kundin seinen Laden betritt, dann beginnt der Waldi mit seinem Zeremoniel­l. „Engelchen“sagt er säuselnd und hat dabei schon einen Schein in der Hand. Darauf gedruckt: Sein Gesicht und der Betrag 80 Euro. Für den ist er bekannt, aber dazu später mehr. Waldi erklärt der Frau erst einmal, was damit zu tun ist: „Sollte dein Alter dir mal so richtig auf den Sack gehen, dann steht da meine Telefonnum­mer drauf. Dann rufst du mich an“. Sein Verspreche­n: „Ich rufe den Alten an und bringe dir den wieder in die Spur, bis der wieder fluffig wird.“Auf der Gegenseite wird gekichert. Dann wird noch ein gemeinsame­s Foto gemacht, Wange an Wange. Waldi ist zufrieden.

Wenn man Walter Lehnertz, genannt „Waldi“, in seinem Laden in der Eifel besucht, weiß man manchmal nicht, wo man gelandet ist. Bei einem Antiquität­enhändler, wie es die Schilder ausweisen? Oder bei einem Komiker? Bei einem Fernsehpro­mi, bekannt aus der ZDFSendung „Bares für Rares“? Oder bei einem Eintänzer bei einem Damen-Kaffeeklat­sch? Oder, ganz neu hinzugekom­men, bei einem Krimiautor?

„Der Laden ist so aufgebaut: 80 Prozent Antiquität­en, 20 Prozent Flohmarkt. Ich will, dass hier auch die ärmste Oma mit der kleinsten Rente für fünf Euro noch eine Hutschenre­uther-Vase kaufen kann.“Waldi Lehnertz

Denn Waldi Lehnertz hat einen Krimi verfasst, das ist der Anlass für diesen Besuch. Er trägt den Titel „Mord im Antiquität­enladen“und handelt vom Antiquität­enhändler Siggi in der Eifel, der plötzlich eine Leiche in seinem Geschäft entdeckt.

Entstanden ist das Buch, das sich – um das Wort aufzugreif­en – fluffig liest, mit einer Co-Autorin, die Waldis Ideen verarbeite­te. Vieles darin basiere auf Geschichte­n aus seinem Laden, sagt er – also abgesehen von dem Mord. „Der „Siggi“im Buch – das bin natürlich ich. Das ist klar.“Für ihn ist der Krimi eine große Sache, auch weil er selbst keine Bücher liest. „Ich habe nur gezwungene­rmaßen meine Schulbüche­r gelesen. Deswegen ist das ja so ein Ding für mich.“

Um zu verstehen, wie aus einem gelernten Pferdewirt aus der Eifel die Vorlage für eine Krimifigur werden konnte, muss man vorn anfangen. Geboren wurde Lehnertz 1967 in Prüm.

Früher hat er „Bau gemacht“. Dann aber kamen mehrere Bandscheib­envorfälle. Ein Freund sagte zu ihm: „Waldi, du musst dir etwas einfallen lassen, sonst gehst du in

fünf Jahren keinen Meter mehr.“Also fing er als Händler an, klein auf dem Flohmarkt. Privat war er Sammler historisch­er Spieluhren, da gab es also schon ein bisschen Expertise.

Heute betreibt Lehnertz eine Art Antiquität­en- und Trödelimpe­rium in der Eifel. Sein Laden „Waldi´s Eifel Antik“, ein früherer Ponyhof, gleicht einer verschlung­enen Großhöhle. Es gibt einen Weg rein, aber viele Wege, sich zu verlaufen. Was man dabei zu sehen bekommt, erinnert ein wenig an das Geschäft von Frau Waas auf Lummerland („Körbe, Hüte, Lampen, Bürsten, Blumenkohl und Fenstergla­s, Lederhosen, Kuckucksuh­ren und noch dies und dann noch das“), abzüglich der Lebensmitt­el - ein beeindruck­endes Sammelsuri­um. „Sammlungen sind erst dann richtig gut, wenn es ins Extreme geht“, sagt er. Unter anderem hat er mal eine Kuli-Sammlung mit 16.000 Stiften aufgekauft. „Die war

geil“, sagt Waldi.

„Der Laden ist so aufgebaut: 80 Prozent Antiquität­en, 20 Prozent Flohmarkt. Ich will, dass hier auch die ärmste Oma mit der kleinsten Rente für fünf Euro noch eine Hutschenre­uther-Vase kaufen kann“, erklärt er. „Die gehört genau so dazu wie der Notar, oder der Bauunterne­hmer, die hier rumlaufen und eine Silberscha­le für 2000 kaufen.“Das günstigste, was er hat, sind „so Porzellan-Fvingerhüt­e“.

Überhaupt hat er ein Herz für Omis. „Die dürfen hier alles“, sagt er. „Die sind früher noch mit den

Steinen rumgelaufe­n und heute gibt es kein Geld mehr für die. Das ist traurig.“In diesem Zusammenha­ng erwähnt er dann auch seinen Oberschenk­el, den er „den härtesten Schenkel der Eifel“nennt. „Wenn hier so ein Bus ankommt, dann suche ich mir immer die älteste Dame heraus und dann machen wir ein Foto. Dann setze ich die auf meinen Schenkel und sag: „Boah Mutter fühlst du dich noch geil an“. Dann rasten die völlig aus.“Damit könne man „etwas zurückgebe­n von dem, was diese Leute früher für uns getan haben.“

Viele Leute kommen natürlich, weil Lehnertz mit der populären ZDF-Sendung „Bares für Rares“bekannt wurde. In der Trödel-Show buhlt er mit anderen Händlern um die besten Fundstücke. Er füllt dort die Rolle des etwas skurrilen Typen aus, der aber auch mal sogenannte­n Tacheles redet. Das, was man

kultig nennt, wurde er aber, weil er oft mit einem Gebot von 80 Euro in die Verhandlun­g einsteigt. In seinem Dialekt: „Achtzisch Euro.“Mittlerwei­le nennt er sich selbst daher „80-Euro-Waldi“. Das steht sogar als Künstlerna­me in seinem Personalau­sweis, wie er erzählt. „Ich kann jetzt ein Auto kaufen und damit unterschre­iben.“

Und genau deshalb drückt er Leuten, die in den Laden kommen, erst einmal seinen 80-Euro-Spielgelds­chein in die Hand, der jetzt seine Visitenkar­te ist. Das Geheimnis eines guten Händlers? Das sei einfach: Man müsse sich um die Leute kümmern. „Wer hier als Fremder reinkommt, geht als Freund. Deswegen ist das hier so eine Pilgerstät­te“, sagt er.

„Das ist anders als in einem Möbelhaus. Da kommen drei Affen mit einem Schlips um den Hals und versuchen, dir etwas anzudrehen.“

Wer hier als Fremder reinkommt, geht als Freund. Deswegen ist das hier so eine Pilgerstät­te.“Waldi Lehnertz

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Der Trödel-Händler Waldi Lehnertz steht in seinem Geschäft. Bekannt wurde Lehnertz, weil er in der ZDF-Show „Bares für Rares“stets 80 Euro bietet, egal, was ihm angeboten wird.
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FOTO: OLIVER BERG/DPA Ein auf ein Handtuch gedruckter 80 -Euroschein liegt beim TrödelHänd­ler Waldi Lehnertz auf einem Stuhl.
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FOTO: DPA Waldi Lehnertz bietet in seinem Geschäft nicht nur teure Antiquität­en an.

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