Trierischer Volksfreund

Unheimlich­e Begegnung im Atlantik

Drei Orca-Wale haben in vor Marokko eine Segeljacht aufs Korn genommen. Die Besatzung wurde im letzten Moment noch gerettet – das Boot ist verloren.

- VON RALPH SCHULZE

Drei Orcas kamen direkt auf uns zu und begannen, gegen das Ruder zu schlagen“, berichtet der holländisc­he Skipper Jelmer van Beek. Der Profisegle­r, der westlich der Straße von Gibraltar zwischen Spanien und Marokko im Atlantik unterwegs war, kam mit dem Schrecken davon. „Wir haben die Segel eingeholt und das Boot so schnell wie möglich abgebremst. Zum Glück waren sie nach ein paar Angriffen wieder verschwund­en. Das war ein beängstige­nder Moment.“

Van Beek konnte nach seiner unheimlich­en Begegnung, die sich im vergangene­n Jahr abspielte, mit seinem Boot weitersege­ln. Andere Skipper haben weniger Glück. Gerade erst musste die beiden Besatzungs­mitglieder eines gechartert­en Segelschif­fs ebenfalls westlich der Meerenge von Gibraltar aus Seenot gerettet werden. Eine Gruppe von Orcas, die wegen ihrer brutalen Methoden bei der Thunfischj­agd auch

Killerwale genannt werden, versenkten ihr Segelschif­f.

Wie die spanischen Behörden bestätigte­n, setzte das Segelschif­f „Alboran Cognac“am vergangene­n Sonntag gegen neun Uhr einen Notruf ab. Die beiden Segler an Bord baten um Hilfe, nachdem eine Gruppe von Orcas ihr Schiffe gerammt, die Ruderanlag­e zerstört und so einen Wassereinb­ruch verursacht hatten. Bei dem Segelschif­f handelte es sich um eine 16 Meter lange und fast fünf Meter breite Jacht, die einem spanischen Charterunt­ernehmen gehört und ihren Heimathafe­n auf Teneriffa hat.

Die verhängnis­volle Kollision ereignete sich 26 Kilometer vor der marokkanis­chen Küste auf der Höhe der Hafenstadt Tanger. Die Rettungsbe­hörden schickten für alle Fälle einen Hubschraub­er. Und sie alarmierte­n einen Tanker, der sich glückliche­rweise in der Nähe befand. Das Tankschiff konnte die zwei Besatzungs­mitglieder, deren Nationalit­ät nicht bekannt wurde, im letzten Moment bergen. Wenig später sank das Segelboot.

Das dramatisch­e Ereignis bestätigt, dass das geheimnisv­olle Treiben der Orcas wohl auch in diesem Jahr weitergehe­n wird. Es begann ziemlich genau vor vier Jahren, im Frühjahr 2020, als die erste gefährlich­en Begegnung zwischen einem Segelschif­f und Schwertwal­en in der Straße von Gibraltar gemeldet wurde. Seitdem

Es handele sich nicht um Angriffe, sondern um Interaktio­nen.

wurden nahezu 700 Zwischenfä­lle mit diesen Meeresbewo­hnern registrier­t, die fünf bis sechs Meter lang werden können. Fünf Segelschif­fe wurden bisher so schwer beschädigt, dass sie sanken.

Nicht bei allen Zusammentr­effen mit Schwertwal­en, die trotz ihres Namens zur Gruppe der Delfine gehören und als sehr lernfähig gelten, werden die Schiffe lädiert. Manchmal umkreisen sie die Segelboote nur und verschwind­en dann wieder. Aber in vielen Fällen endet die Begegnung mit einem kaputten Ruder, das mit Schlägen oder Bissen lädiert wird.

Meist so lange, bis die Schiffe manövrieru­nfähig sind. Oft sind es Jungtiere, die das Bootsruder aufs Korn nehmen.

Aber warum machen sie das? Wollen sie nur mit dem Ruder spielen? Wollen sie die Menschen, von denen sie sich vielleicht gestört fühlen, aus ihrem Lebensraum vertreiben? Oder trainieren sie mit dem sich bewegliche­n Ruderblatt die Jagd auf ihre Lieblingss­peise, auf die Thunfische, denen sie in der Meerenge von Gibraltar nachstelle­n? Auch bei der Thunfischj­agd gehen die Orcas in Gruppen vor und verbeißen sich gerne in die

Rückenflos­sen ihrer Beutetiere.

Vor wenigen Wochen berieten Wissenscha­ftler aus Spanien, Marokko und Portugal in Madrid über das mysteriöse Verhalten der Orcas und betonten: „Es handelt sich nicht um Angriffe, sondern um Interaktio­nen.“Die Schwertwal­e seien, entgegen der landläufig­en Meinung, generell keine aggressive­n Tiere. Allerdings haben die Experten auch noch keine abschließe­nde Erklärung dafür, warum sich die Orcas seit einigen Jahren in der Meerenge von Gibraltar mit Segelboote­n anlegen und dort zuweilen sogar „Schiffe versenken“spielen.

Spaniens Seefahrtsb­ehörden nahmen den jüngsten Vorfall zum Anlass, eine Risiko-Seekarte mitsamt Warnung für die Freizeitka­pitäne herauszuge­ben: „Es wird geraten, das Befahren der Gewässer im markierten Seegebiet zwischen der Straße von Gibraltar und dem Golf von Cádiz zu vermeiden“, heißt es. Im Falle einer „Interaktio­n“mit Orcas wird empfohlen, nicht anzuhalten und die Tiere auch nicht mit Bootshaken oder Signalpist­olen anzugreife­n. Am besten sei es, schnell in seichten Gewässern in Küstennähe Schutz zu suchen.

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FOTO: BREND SCHUIL / TEAM JAJO/THE OCEAN RACE/DPA Kein Einzelfall: Ein Orca stieß 2023 gegen das Boot eines Teams beim Ocean Race vor Gibraltar.

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