Umstrittene Pariser Olympia-Gastgeberin
Anne Hidalgo hat die Olympischen Spiele nach Paris geholt. Doch Müll und Baustellen machen die Bürgermeisterin äußerst unbeliebt.
Wer derzeit mit dem Auto durch Paris fährt, sieht vor allem graue Bauzäune. Sie stehen wie Inseln mitten auf den breiten Avenuen und verdecken, was dahinter erneuert oder ausgetauscht wird. 7533 solcher Baustellen zählte die Stadtverwaltung 80 Tage vor Beginn der Olympischen Spiele. Eine gigantische Verschönerungsaktion in letzter Minute, die an den Nerven der Pariserinnen und Pariser zehrt. „Das ist das Symbol der Amtszeit von (Anne) Hidalgo: Das Chaos im öffentlichen Raum“, kritisiert der konservative Stadtrat Philippe Goujon die Bürgermeisterin in der Zeitung „Le Figaro“.
Das Sportereignis weckt unter den Bewohnern der Hauptstadt bisher kaum Begeisterung. Nur 49 Prozent trauen den Organisatoren zu, das Spektakel auch richtig managen zu können. Bei den Persönlichkeiten, denen die Befragten Vertrauen entgegen bringen, rangiert die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (Parti socialiste) an letzter Stelle.
Die meisten Pariserinnen und Pariser dürften während der Spiele ohnehin in den Urlaub oder zu Verwandten außerhalb flüchten. Schließlich soll sich der Preis für das Metro-Ticket während der Wettkämpfe verdoppeln und wer in der Nähe der Sportstätten wohnt, kommt nur mit einem QR-Code in seine Wohnung. Hidalgo selbst goss noch Öl ins Feuer, als sie im vergangenen Jahr unkte: „Die öffentlichen Verkehrsmittel werden nicht bereit sein.“Dass ihre Landsleute die Stadt verlassen, will sie aber auch nicht. „Fahrt diesen Sommer nicht weg, das wäre eine Dummheit“, forderte sie im Februar bei der Einweihung der Adidas-Arena, der einzigen neu gebauten Sportstätte in der Hauptstadt.
Für die Sozialistin hängt die eigene politische Zukunft am Erfolg der Olympischen Spiele. Falls das Ereignis tatsächlich die ganze Stadt in Begeisterung versetzt, könnte sich Hidalgo noch einmal zur Wiederwahl stellen. Die heute 64-Jährige hatte 2014 den Sozialisten Bertrand
Delanoë abgelöst und war 2020 wiedergewählt worden. Seither sank ihr Stern allerdings. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 fuhr sie mit 1,7 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis für den Parti Socialiste ein.
Hidalgo wird vorgeworfen, Paris zunehmend selbstgefällig zu regieren. „Die Bürgermeisterin macht genau was sie will, wie sie es will und wann sie es will. Sie hört sich lieber selber reden als die anderen und mit der Zeit verfestigt sich diese
Methode“, schreibt die Zeitung „Le Monde“. Laut einer Ende März veröffentlichten Umfrage würde Hidalgos Dauerrivalin, die konservative Kulturministerin Rachida Dati, die nächsten Kommunalwahlen mit 38 Prozent vor dem Grünen-Kandidaten Yannick Janot mit 18 Prozent gewinnen. Hidalgo käme nur auf 14 Prozent.
Die gebürtige Spanierin ist zu Hause deutlich weniger beliebt als im Ausland, wo ihr Einsatz für mehr Radwege und mehr Grün in der Stadt Bewunderung erregt. In Paris verzweifeln die Einwohner dagegen an den an jeder Ecke stehenden ambulanten Straßenverkäufern, den heruntergekommenen öffentlichen Flächen und dem herumliegenden Müll, den die Bürgermeisterin nicht in den Griff bekommt.
Auch Kritik an ihrer Reise nach Tahiti im Herbst lässt die Bürgermeisterin an sich abprallen. Sie war mit einer großen Delegation in das französische Südseeparadies gereist, um dort die olympischen Sportstätten zu besichtigen. Auf einen Besuch der Surfanlage verzichtete sie allerdings, um statt dessen ihre in der Region lebende Tochter zu besuchen. Der Zweck der Reise, die rund 60 000 Euro kostete, ließ sich damit nur noch schwer rechtfertigen. Wegen Vorteilsnahme wurde im März ihr Büro durchsucht, doch nichts Belastendes gefunden. Hidalgo kann Olympia also gelassen entgegen sehen. Für die Pariser gilt das weniger.