Knuffelige Pandas und blaue Elefanten
Die Bilderbuchillustratorin Alexandra Prischedko schafft wunderbare Welten zwischen Fantasie und Realität.
Überall ist Wunderland“. Das wissen wir von Joachim Ringelnatz. Auch in den Bilderbüchern von Alexandra Prischedko. Man muss einfach nur mit dem Blick fürs Wunderbare unterwegs sein. So wie Sophie aus dem Buch „Was macht Ihr denn da?“. Kaum kann das kleine Mädchen den geplanten Besuch im Zoo erwarten. Aber dann stellt sie plötzlich fest, dass die Tiere von dort längst in der Stadt sind. Drüben am Tisch im Café sitzen zwei Pandas. Am Geländer hängt kopfüber ein Faultier. Und gerade geht ein blauer Elefant zum Rutschen auf den Spielplatz im Park. Was wollen die da alle, und ist das alles überhaupt wahr? Oder hat Sophia das alles nur geträumt?
Mit ihren poetischen Bilderbüchern nimmt die Trierer Kinderbuchillustratorin und -autorin ihr junges Publikum mit ins Land der Fantasie und fasst Träume in stimmungsvolle Bilder. Alexandra Prischedkos Wunderland ist allerdings ein Land, das in der Realität wurzelt. Nicht ohne Grund steht ihren
Bilderbüchern der Hinweis voran: „Für alle Träumer und Realisten“.
Im Erdgeschoss eines schmalen, tiefen Hauses in der Trierer Matthiasstraße hat die Künstlerin ihr Atelier eingerichtet. Der lichte Raum ist Kreativraum wie Arbeitsplatz mit seinen weißen Regalen voller Bücher, den Bildern, den Porträtbüsten und Figuren. Hinten steht ein Schreibtisch mit Computer. Im Flur hinter der Glastür wartet ein bunter Kindertisch mit allerhand Utensilien. Hier können die Jüngsten der Familie kreativ sein.
Alexandra Prischedko wurde 1989 in der Ukraine geboren. Dass sie sich für einen gestalterischen Beruf entschied, kommt nicht von ungefähr. Ihre beiden Eltern, die vor Jahren mit ihr nach Trier übersiedelten, sind beide Maler und Grafiker. „Kunst war bei uns Alltag“, erzählt die schmale dunkelhaarige Frau. Sie selbst habe zunächst nur das Schreiben interessiert. So ganz aber dann doch nicht. Angeregt von der internationalen Ausstellungstätigkeit ihrer Eltern, bewarb sich die 14-Jährige mit einem Bild bei einer Ausstellung in Belgien unter dem Pseudonym Alexandra P. und wurde angenommen. „Ich wollte schließlich unabhängig bewertet werden“, erinnert sich die Künstlerin. Längst hat sie inzwischen ihren eigenen Weg zur Kunst gefunden.
An der Hochschule Trier studierte sie Kommunikationsdesign. Im Rahmen eines Erasmusstipendiums verbrachte sie zudem einen Studienaufenthalt an der École nationale supérieure des Arts Décoratifs in Paris. Schon im Studium habe sie die Buchillustration begeistert, berichtet die Künstlerin. Nach ihrem Abschluss unterrichtete sie eine Zeit lang an der Trierer Hochschule Zeichnen und typografische Gestaltung. Inzwischen arbeitet sie freiberuflich. Prischedkos Arbeiten werden international gezeigt. Mehrfach wurde die Künstlerin ausgezeichnet.
Für renommierte Häuser wie den Carl Hanser Verlag hat sie Bücher illustriert. Der Idealfall bleibt für sie allerdings die Illustration eigener Texte. Zwei Bilderbücher sind so inzwischen entstanden, das
eingangs erwähnte „Was macht Ihr denn da?“sowie „So und anders“, eine Entdeckungsreise in die fantastische Welt des Meeres. Erschienen sind beide Bilderbücher bei der Edition Bracklo in Birkenwerder bei Berlin.
Mit ihrer Tätigkeit als Illustratorin und Autorin künstlerisch gestalteter Bilderbücher hat sich Alexandra Prischedko für ein eher kleines, aber nicht unbedeutendes Segment auf dem Buchmarkt entschieden. Laut Statistischem Bundesamt hat der Verkauf von Bilderbüchern 2022 immerhin 26,7 Prozent des Gesamtumsatzes an Büchern in Höhe von 9,7 Milliarden Euro ausgemacht. Etwa 60 Kinder- und Bilderbuchverlage weist die Statistik im deutschsprachigen Raum auf. Die Bilderbuchproduktion reicht vom reinen „Sachbuch“wie Bücher zum ABC oder zum Verstehen der Uhr, bis zur fiktiven Geschichte. Und auch in der künstlerischen Gestaltung
sind die zeitgenössischen Stilrichtungen zahlreich. Sie reichen von der Graphic Novel bis zur Malerei.
Wie in der restlichen Verlagslandschaft haben auch zahlreiche Kinderbuchverlage mittlerweile mit anderen Verlagen fusioniert. Am schwersten haben es auch hier die kleinen Verlage. Bereits 2018 hatte das „Tübinger Memorandum“der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger und Thomas Knubben gegen das Sterben kleiner Verlage gekämpft. Optimistisch, was das Überleben der Bilderbuchverlage angeht ist Anna Kleine vom Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf bei Bonn, dem einzigen europäischen Museum seiner Art. Im vorigen Jahr hat Alexandra Prischedko dort beim Troisdorfer Bilderbuchpreis den Preis der Kinderjury gewonnen.
Noch immer gebe es genügend Verlage, die künstlerisch wertvolle Bilderbücher auflegten, sagt die Leiterin der Sammlung moderner
Bilderbücher. Wert legt Kleine auf die Feststellung, dass Bilderbücher die einzigen Bücher seien, bei denen die Zielgruppe weder an der Gestaltung noch meist an der Kaufentscheidung beteiligt sei.
Bilderbücher sind für die textenden und gestaltenden Künstlerinnen und Künstler eine häufig unterschätzte Herausforderung. Verständlich und packend sollen sie Kindern neue Erfahrungen für Augen und Ohren, für Geist und Herz vermitteln. Nach Ansicht von Fachleuten, können auch ganz junge Kinder schon sehr gut zwischen „lehrreichen und ausdrücklich belehrenden“Bücher unterscheiden und entsprechend Vorlieben entwickeln. „Kindern wird zu Unrecht oft nicht soviel zugetraut“, findet auch Alexandra Prischedko. „Dabei sind sie freier als Erwachsene in ihren Vorstellungen und offen für Neues und Ungewohntes“. Auch was die Ästhetiken angeht. Allerdings seien es gerade die kleinen Verlage, die das Risiko künstlerisch hochwertiger Bilderbücher eingingen, die nicht als Bestseller über die Theke gehen, beobachtet Alexandra Prischedko. In ihren Büchern das Fantastische mit dem Alltäglichen verbinden, darin besteht die Idee der Künstlerin. „Ich liebe das Alltagsgeschehen in seiner Vielfalt“, sagt Prischedko. Eben in diesem Alltäglichen steckt für die Trierer Künstlerin ein schier unerschöpflicher Reichtum an Fantastischem, Wunderbarem und Unerwartetem. In ihren Bilderbüchern schafft sie die Synthese von fantastischem Raum und gegenwärtiger Wirklichkeit. Für Kinder, die ihre Bilderbücher anschauen und denen ihre Texte vorgelesen werden, werden mitgenommen in einen grenzenlosen Raum der Vorstellung und verlieren dennoch nicht ihre Bodenhaftung. Alexandra Prischedkos Illustrationen sind Mischtechniken aus Malerei und Zeichnung. Für die Realität ist in Prischedkos Bilderbüchern die Zeichnung zuständig, mit ihren klaren aber sparsamen Umrissen und Zeichen. Die Fantasie hingegen wird von der Farbe beflügelt, vom Traumblau oder leuchtenden Rottönen, von den dunklen Farben der Tiefsee oder dem fahlen Gelb versunkener Paläste und dem Grün verwunschener Gärten. Dass der Vorstellung dabei keine Grenzen gesetzt werden, dafür sorgt das Aquarell, der Technik, in der alle Bilder gemalt sind, mit seinen fließenden Farben und Formen. Bei alle dem gibt es viel zu erfahren, zum Beispiel über das Leben von Schildkröten und Fischen. Alexandra Prischedkos Bilderbücher sind fraglos lehrreich, gleichermaßen für Herz und Verstand, Und Empathie für ihr tierisches Bildpersonal bewirken sie allemal. Wer könnte schon den knuffeligen Pandas oder den vorwitzigen Zebras widerstehen? „Und was mache ich morgen?“fragt Sophie am Ende von „Was macht Ihr denn da?“Für Alexandra Prischedko ist die Sache klar. Sie arbeitet schon am nächsten Kinderbuch.
„Kindern wird zu Unrecht oft nicht soviel zugetraut. Dabei sind sie freier als Erwachsene in ihren Vorstellungen und offen für Neues und Ungewohntes.“Alexandra Prischedko