Einfache Regeln für komplexe Familienverhältnisse
Mit der geplanten Reform des Familienrechts will Bundesjustizminster Marco Buschmann mehr Gestaltungsspielraum schaffen. Doch es gibt auch Kritik.
(dpa) Die von der Ampel-Koalition angekündigten umfassenden Neuregelungen zu Adoption, Sorgerecht, Abstammung und Unterhaltsrecht sorgen schon vor Veröffentlichung des ersten Gesetzentwurfs für reichlich Gesprächsstoff. „Die Arbeiten am Gesetzentwurf zur Reform des Abstammungsrechts sind gut vorangekommen“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Hierzu stehe sein Haus mit dem Bundesinnenministerium in engem Austausch, um „noch ein paar technische Fragen zu klären“. Ernsthafte Probleme sehe er aber nicht, betont der FDP-Politiker. Er sagt: „Ich bin zuversichtlich, dass wir den Entwurf noch vor der Sommerpause fertigstellen und veröffentlichen können.“
Mit dem Familienministerium sei er zudem im Gespräch über die geplante Reform des Unterhaltsrechts. Das geltende Unterhaltsrecht führe zu ungerechten Ergebnissen, wenn sich beide Elternteile in der Betreuung ihrer Kinder engagierten. „Unser interner Gesetzentwurf für die Reform des Unterhaltsrechts ist fertig“, sagt Buschmann. Der Justizminister hatte bereits im August Vorschläge für ein neues Unterhaltsrecht vorgelegt. Danach soll sich die Betreuungsleistung getrennt lebender Elternteile künftig auch dann spürbar auf den zu leistenden Unterhalt auswirken, wenn die Betreuung ungleich verteilt ist.
Von der Änderung betroffen wären alle Fälle, in denen ein Elternteil das Kind in einem Umfang zwischen 30 Prozent und 49 Prozent mitbetreut. Für Ex-Paare, bei denen das 50:50-Wechselmodell zur Anwendung kommt oder beim sogenannten Residenzmodell, wo das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil lebt, soll sich dagegen nichts ändern.
Kritiker merken allerdings an, dass es mit Blick auf die Arbeitsmöglichkeiten des mehrheitlich betreuenden Elternteils nicht nur auf den Anteil, sondern auch auf die konkreten Zeiten und die Planbarkeit ankomme.
Das sind manchmal kleinteilige Fragen wie: Wenn die Betreuungszeit des Vaters am Montagmorgen endet und die Mutter das Kind um 16 Uhr aus der Ganztagsbetreuung abholt, was heißt es dann, wenn der Unterricht ausfällt oder das Kind am Montagmorgen Fieber hat. „Wir wirken darauf hin, dass die Reformvorhaben, insbesondere die Unterhaltsrechtsreform, nicht dazu führen, dass sich die Situation des hauptbetreuenden Elternteils verschlechtert“, sagt der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Helge Limburg. Hier müsse es darum gehen, Armutsrisiken – vor allem bei Müttern – zu verringern.
Die Eckpunkte zum Kindschaftsrecht hat Buschmann dann im Januar veröffentlicht. Sie würden es für Eltern, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder Patchworkfamilien leben, vereinfachen, die Verantwortung für das Kind nach ihren eigenen Vorstellungen zu verteilen. Ein Samenspender soll etwa schon vor der Schwangerschaft den Verzicht auf sein gesetzliches Umgangsrecht gegenüber den Sorgeberechtigten unabänderlich erklären können. Auch Kinder, die in einer Partnerschaft zweier Frauen geboren werden, sollten aus Sicht des Bundesjustizministers von Geburt an zwei Elternteile haben können.
Dass es mit dieser Reform vorangeht, wünscht sich auch Helge Limburg. Der Grünen-Politiker sagt: „Durch die Kindschaftsrechtsreform wollen wir die unterschiedlichen gelebten Familienrealitäten endlich im Recht abbilden.“
Für neue Partner getrennt lebender
Eltern plant der Bundesjustizminister eine Regelung zum „kleinen Sorgerecht“, die den Alltag erleichtern soll – damit beispielsweise auch die Stiefmutter oder der neue Freund der Mutter mit dem Kind zum Arzt gehen und eine Entschuldigung für die Schule schreiben kann. Auch Großeltern oder Freunden ohne familiären Bezug sollen Eltern solche Rechte einräumen können. Die Gewährung solcher Befugnisse an Dritte durch die Sorgeberechtigten muss schriftlich vereinbart werden.
Diejenigen, die Kritik an Buschmanns Vorschlägen geübt haben, räumen zwar ein, die Eckpunkte böten mehr Gestaltungsspielraum für kooperative Eltern. Sie vermissen allerdings Lösungen für die vielen strittigen Fälle, die Familiengerichte und Jugendämter beschäftigen.