„Toppi“redet Tacheles
Der FCK im Pokalfinale: „Ein Weltwunder“Deutschland bei der Heim-EM: „Wir sind Top-Favorit“Kritik an Sohn Dino:
RIVENICH (bl) Im nationalen und internationalen Fußball beginnen die Finalwochen. Und direkt danach steht die Heim-Europameisterschaft an. Im Gespräch mit dem TV zeigt ExTrainer Klaus Toppmöller klare Kante.
Bayer Leverkusen gegen den 1. FC Kaiserslautern im DFB-Pokalfinale: Für welchen Ihrer Ex-Vereine schlägt Ihr Herz?
Toppmöller: Für beide Mannschaften! Ich freue mich auf ein hoffentlich gutes Spiel.
Haben Sie eine Fantasie, wie der FCK eine Sensation schaffen könnte?
Toppmöller: Bayer Leverkusen ist natürlich Top-Favorit. Seit 50(!) Pflichtspielen ist die Mannschaft ungeschlagen. Eine traumhafte Serie. Aber dem 1 FC Kaiserslautern ist ja schon mal eine Überraschung geglückt, als er eine Woche nach dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga 1996 den DFB-Pokal durch einen Finalsieg gegen den Karlsruher SC gewonnen hat. Gleichwohl glaube ich nicht, dass Leverkusen jetzt verlieren wird.
Friedhelm Funkel hat den FCK vor dem Zweitliga-Abstieg bewahrt – was zeichnet ihn aus?
Toppmöller: Nun ja, ehrlicherweise muss man sagen, dass es aus meiner Sicht keine große Kunst war, Kaiserslautern in der Liga zu halten. Mit dem vorhandenen Kader ist das für mich eine Selbstverständlichkeit. Gleichwohl hat Friedhelm Funkel gezeigt, dass er nichts verlernt hat. Dass der FCK im DFB-Pokal nun um den Titel spielt, ist aber schon ein Weltwunder. Gegen die Klasse von Leverkusen wird er indes keine Chance haben. Bayer ist auf jeder Position besser besetzt. Da kann auch ein Trainer nichts machen.
Funkel ist mit 70 Jahren noch mal eingesprungen, beim FSV Salmrohr
ist Paul Linz mit 68 Jahren kurzzeitig zurück aus der TrainerRente. Juckt's bei Ihnen auch noch manchmal?
Toppmöller: Nein! Meine Zeit ist vorbei. Das würde ich nicht mehr in Betracht ziehen.
Leverkusen bestreitet drei Tage vor dem DFB-Pokalfinale das Endspiel in der Europa League in Dublin – inklusive Reisestrapazen. Ein Vorteil für den FCK?
Toppmöller: Mit Sicherheit ist das ein kleiner Vorteil. Leverkusen hat ein schweres Spiel zu bestreiten und muss reisen – das wird in den Knochen stecken. Aber Bayers Trainer Xabi Alonso kann aufstellen, wen er will. In der Mannschaft gibt es so viele gute Spieler, er kann ohne Qualitätsverlust wechseln.
Wie stehen Bayers Chancen im Europa-League-Endspiel gegen Atalanta Bergamo?
Toppmöller: Bergamo ist ein ganz unangenehmer Gegner. Ich habe ein paar Spiele der Italiener gesehen, sie sind unheimlich gut. Aber auch in diesem Duell sehe ich Leverkusen einen Tick besser aufgestellt.
Das Triple mit Meisterschaft, DFBPokal und Europa-Cup ist drin – was würde das für Bayer bedeuten? Toppmöller: Das wäre ein Riesenerfolg für den Verein, der sich damit noch mehr im europäischen Fußball etablieren würde. Und es würde auf dem Transfermarkt neue Türen öffnen. Leverkusen ist gerade dabei, ein schönes Kapitel FußballGeschichte zu schreiben.
Ist Bayers heutiges Team besser als das aus der Saison 2001/2002, als Sie als Coach mit der Mannschaft ebenfalls die Hand an drei Titeln hatten?
Toppmöller: Das ist schwer zu sagen. Fakt ist, dass wir damals in der Endphase der Saison mit Verletzungen
zu kämpfen hatten. Mein Libero Jens Nowotny ist zum Beispiel wegen eines Kreuzbandrisses ausgefallen. Das war ein schwerer Schlag. Mir haben zwei, drei Mann gefehlt, das hat uns schon geschwächt, sodass wir leider titellos geblieben sind.
Leverkusen im Europa-LeagueEndspiel, Borussia Dortmund im Finale der Champions League. Ein deutsches Doppelfinale gab es zuletzt in der Saison 2001/02 – damals waren Sie als Trainer von Leverkusen im ChampionsLeague-Finale gegen Real Madrid mittendrin. Seinerzeit verloren
Sie mit 1:2 – und auch Borussia Dortmund im damaligen UefaCup unterlag Feyenoord Rotterdam (2:3). Wie sieht`s diesmal aus? Toppmöller: Diesmal werden beide deutschen Mannschaften gewinnen! Wobei Real Madrid gegen Dortmund unbestreitbare Vorteile hat. Wenn ich alleine Vinicius Junior sehe, er ist nicht zu halten. Er geht an den Gegnern vorbei, als wären sie Luft. Der Brasilianer ist schnell, trickreich, torgefährlich. Auch Nacho Fernandez hinten – er ist ein Weltklasse-Abwehrspieler, eine Granate.
Sollte Dortmund gewinnen, würde auch Eintracht Frankfurt – trainiert von Ihrem Sohn Dino – als aktueller Bundesliga-Sechster noch in die Champions League einziehen. Wie verrückt wäre das? Toppmöller: Das sind die Möglichkeiten, die sich durch die neuen Regeln ergeben. Ehrlich gesagt wusste ich bis zuletzt nicht, dass es diese Hintertür gibt. Aber Frankfurt muss auch erstmal noch Platz sechs am letzten Bundesliga-Spieltag absichern. Das ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern.
Wie zufrieden sind Sie mit Dino, der mit Frankfurt eine durchwachsene erste Saison als Cheftrainer in der Fußball-Bundesliga bestreitet? Toppmöller: Durchwachsen? Diese Formulierung empfinde ich als eine Frechheit! Vor der Saison hat die Eintracht wichtige Spieler abgegeben – etwa Randal Kolo Muani, Jesper Lindström, Evan Ndicka, Daichi Kamada und Djibril Sow. Dino hat
es geschafft, mit einer neuen, verjüngten Mannschaft einen Spieltag vor Schluss auf Rang sechs zu liegen. Die vor der Saison höher gehandelten Teams aus Freiburg oder Wolfsburg liegen dahinter. Ich habe vor der Saison gesagt: Wenn Frankfurt mit dem neu formierten Kader, der sich erst finden muss, Platz zehn erreicht, hat die Eintracht eine Riesen-Saison gespielt. Platz sechs zu schaffen, wäre eine große Leistung.
Wie bei Dino war auch für Sie vor 30 Jahren Frankfurt die erste Cheftrainer-Station in der Bundesliga. Wie präsent sind noch die turbulenten Zeiten von damals, die nach dem Top-Start mit 20:2 Punkten sowie der Herbstmeisterschaft in der Demission von Uli Stein und Ihnen im April 1994 gipfelten? Toppmöller: Vieles stand und fiel mit meinem Stürmer Anthony Yeboah. Anfangs hatten wir einen Lauf – auch dank ihm. In den ersten sieben Bundesliga-Spielen traf er neunmal. Im Herbst zog er sich eine Sprunggelenkverletzung zu und fiel elf Partien aus. In dieser Phase holten wir nur drei Siege. Grundsätzlich hatten wir in der Mannschaft damals eine gute Mischung, die nahezu unschlagbar schien. Ich bin überzeugt: Wenn Yeboah nicht ausgefallen wäre, hätten wir auch im Rest der Saison nicht viele Spiele verloren.
Wie ist Ihr Austausch mit Dino: Ist Ihr Rat gefragt? Und wie sieht der aus?
Toppmöller: Natürlich sprechen wir immer über Fußball. Dabei hat jeder seine Meinung. Manchmal stimmen unsere Ansichten überein, manchmal gehen sie auseinander. Er ist in Frankfurt selbst verantwortlich für sich. Da kann ich ihm Ratschläge geben, wie ich will. Ich will ihm nicht reinreden. Er muss seinen Job alleine tun. Ich bin auch zu weit weg von den dortigen Verantwortlichen und den Spielern. Ich war in dieser Saison noch kein Spiel live in Frankfurt schauen.
Wie das? Warum?
Toppmöller: Ich habe Probleme an beiden Knöcheln und in einem Knie. Ich muss aufpassen, wenn ich Treppen hinauf- und heruntergehe. Meine Gesundheit ist mir wichtiger, als bei einem Stadionbesuch etwas zu riskieren.
Wie wichtig wären EuropapokalErfolge deutscher Teams auch für die anstehende Europameisterschaft hierzulande?
Toppmöller: Ich freue mich auf die EM, hoffentlich gewinnt Deutschland den Titel. Das traue ich der Mannschaft zu. Das ist absolut möglich.
Woher rührt Ihr Optimismus?
Toppmöller: Einerseits aus den beiden jüngsten Länderspielen, die im März gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) siegreich gestaltet wurden. Bei den Spielen stand auch das Publikum wieder hinter der Mannschaft – für die Heim-EM ist das ein wichtiges Signal. Wir haben sehr gute Fußballer in der Nationalmannschaft. Wir sind kein Außenseiter, sondern Top-Favorit.
Ist Bundestrainer Julian Nagelsmann im Tandem mit Sportdirektor Rudi Völler eine gute Wahl an der Spitze der DFB-Auswahl? Toppmöller: Natürlich! Rudi war ein super Fußballer. Und Julian hat nachgewiesen, dass er ein sehr guter Trainer ist. Die Basis für eine erfolgreiche EM ist absolut gegeben.
Erstmals bei einer EM dabei ist Georgien, wo Sie von 2006 bis 2008 Nationaltrainer waren. Was kann das Team des heutigen Coaches Willy Sagnol in der Vorrundengruppe mit Portugal, Tschechien und der Türkei schaffen?
Toppmöller: Ich habe zuletzt georgischen Medien schon ein paar Interviews gegeben. Es war für mich damals eine wunderschöne Zeit in Georgien. Wir hatten eine gute Mannschaft. In Freundschaftsspielen haben wir Uruguay (2:0) und die Türkei (1:0) geschlagen. Das Spiel gegen die Türkei war ein hochemotionales Duell. Ich musste den türkischen Trainer Fatih Terim während des Spiels einmal festhalten, damit er nicht auf den Platz rennt. In der Qualifikation zur EM 2008 hatten wir es unter anderem mit Italien und Frankreich zu tun. Wir haben uns gut gewehrt und teilweise nur knapp verloren. Der georgische Fußball ist auf einem guten Weg. Bei der EM jetzt in Deutschland traue ich der Mannschaft absolut eine Überraschung zu.