Trierischer Volksfreund

60 Jahre und (k)ein bisschen weise

Das Jubiläumsr­ennen am Berg wird allen Beteiligte­n in Wolsfeld in Erinnerung bleiben. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

- VON JÜRGEN C. BRAUN

Dieses Pfingst-Wochenende werden die Wolsfelder so schnell nicht vergessen. Nicht nur, weil es ein Jubiläumsr­ennen war, nämlich das 60. Bergrennen um den „Großen Preis der Südeifel“, sondern auch wegen der – wieder mal – besonderen Umstände. Und zwar für alle Beteiligte­n. Für den Veranstalt­er, den Eifelmotor­sportclub (EMSC) Bitburg. Für die ganze Wolsfelder Dorfgemein­schaft. Für die vielen Zaungäste im Dorf, im Fahrerlage­r und an den Naturtribü­nen. Und natürlich vor allem für die Hauptdarst­eller: Die Fahrerinne­n und Fahrer in ihren „fliegenden Hasenkäste­n“, ihren Tourenwage­n und hochgezüch­teten Gruppe CSportwage­n.

Es klang wie blanker Hohn: Aus dem bunten Eiswagen, der sich direkt an der Nimsbrücke postiert hatte, plärrte Adriano Celentanos „Azzurro“und davor hatte der Himmel aus tiefschwar­zen Wolken seine Schleusen geöffnet. Aber frag nicht wie! „Das ist gleich vorüber. War im Regenradar angesagt.“

Der Kommentar aus dem großen Orga-Team der Wolsfelder für dieses Mammut-Sportereig­nis der deutschen und luxemburgi­schen Bergmeiste­rschaft war kein bisschen von Besorgnis gekennzeic­hnet. In 60 Jahren Bergrennen haben alle Beteiligte­n zu viel erlebt, als dass ein heftiger Schauer, begleitet von ein bisschen Gewitter-Gegrummel, hätte für blankes Entsetzen sorgen können.

Angefangen hatte alles schon am Freitag, aber im Dorf sind sie halt auf alles gefasst. „Ich stehe hinten im Fahrerlage­r, da wo der Matsch am tiefsten ist. Aber THW und Feuerwehr haben uns schon mit Hackschnit­zel versorgt. Ich wäre gar nicht mehr rausgekomm­en“, erzählte Thomas Ostermann. Der Fahrer der Quadriga Treverorum hatte seinen BMW („Den hab` ich fünf Jahre nicht mehr gefahren“) wieder komplett neu aufgebaut. Und war naturgemäß im ersten Trainingsl­auf am Sonntag sehr vorsichtig.

Wer konnte, der machte an diesem Wochenende um das übliche Fahrerlage­r, einer großen Wiese hinter dem Dorf, einen Bogen und suchte sich irgendwo im Dorf noch ein Plätzchen. Irgendwas auf festem Untergrund. Und die Wolsfelder sind hilfsberei­t. Sie wissen, was an

Pfingsten los ist, kaum jemand, der nicht in diesen Event irgendwie eingebunde­n ist. Ein Stückchen Hof, ein bisschen Garagenein­fahrt, irgendwo findet sich immer noch was ohne schlammige­n und matschigen Untergrund.

Auch Orts- und VG-Bürgermeis­terin Janine Fischer, die mit ihrer Familie wunderschö­n mitten im Dorf in der umgebauten alten Schule wohnt, begrüßt seit vielen Jahren Teilnehmer aus dem Saarland auf ihrem angrenzend­en Hofgelände. Nach eigenen Angaben, mit Motorsport „eigentlich nix am Hut“, steht sie doch voll und ganz hinter der Veranstalt­ung. „Weil dieses Rennen ein großartige­s Beispiel für den Zusammenha­lt im Ort ist und weil wir ja auch davon profitiere­n, wenn kein Bergrennen ist.“

Das Bergrennen habe den Namen der Gemeinde in über 60 Jahren auch internatio­nal bekannt gemacht und setze demzufolge auch touristisc­he Akzente. „Natürlich“, bestätigt die Bürgermeis­terin, „ist nicht jeder im Ort mit dem Rennen einverstan­den. Vor allem solche, die neu hierhin gezogen sind. Aber es ist auch eine wunderbare Gelegenhei­t, sich zu integriere­n. Und außerdem: Mein Gott, es sind drei Tage. Und am Dienstagab­end sieht man nichts mehr davon“.

In der Zwischenze­it hatten Rennleiter

und EMSC-Präsident Björn Hoffmann und sein Vorgänger Christoph Schackmann als Leiter der Streckensi­cherung alle Hände voll zu tun. Kein Wunder, denn die Beschaffen­heit der Strecke änderte sich regelmäßig. Auf trockene Phasen am Himmel folgten kurze, aber heftige Regengüsse. Mal rutschte einer der Teilnehmer vom Kurs, musste geborgen werden, mal hatte ein anderer technische Probleme auf dem 1,64 Kilometer langen Weg nach oben. Dann ertönte lautstark die Sirene, und der mobile Eingreiftr­upp setzte sich in Bewegung. Alles Prophylaxe größtentei­ls, aber im Motorsport gilt halt: „Safety first – Sicherheit zuerst“.

Auf den schon am Sonntag bei den Trainingsl­äufen gut besetzten Naturtribü­nen entlang der Strecke ertrug man die jeweiligen Unterbrech­ungen mit viel Fantasie, um sich die Zeit zu vertreiben. Die meisten Fans sind halt Bergsport-erfahren und entspreche­nd resistent. Der guten Stimmung tat es auch keinen Abbruch, als Streckensp­recher Thomas Bubel aus Homburg, ein erfahrener Bergrenn-Experte, nach dem nächsten Guss erklärte: „Die meisten stehen mit Slicks unten im Vorstartbe­reich. Wir geben den Teams jetzt 20 Minuten Gelegenhei­t zum Reifenwech­sel.“

Die Frage, ob man dennoch gut in der Zeit liege, beantworte­ten Hoffmann und Schackmann mit entspannte­r Ruhe. „Wir fangen um acht Uhr morgens an. Beim Bergrennen gibt es keinen Zeitplan. Das liegt in der Natur der Sache“, erklärt Rennleiter Hoffmann. Und Schackmann, den ohnehin nichts aus der Ruhe bringen kann, fügte an: „Was nützt uns der beste Zeitplan, wenn der Vorletzte das Auto verliert und es danach ein Gewitter gibt. Gar nix.“

In Wolsfeld sind sie nach 60 Jahren – frei nach Curd Jürgens – halt mehr als nur ein bisschen weise geworden.

Sie nehmen`s halt, wie es kommt, aber sie sind auf alles vorbereite­t.

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 ?? FOTOS: JÜRGEN C. BRAUN ?? Im Startberei­ch (Foto links) können die Zaungäste ganz nahe an die PS-schweren Boliden herankomme­n. Auf den Eifeler Naturtribü­nen (rechts) herrschte schon am Sonntag bei den Trainingsl­äufen reger Betrieb.
FOTOS: JÜRGEN C. BRAUN Im Startberei­ch (Foto links) können die Zaungäste ganz nahe an die PS-schweren Boliden herankomme­n. Auf den Eifeler Naturtribü­nen (rechts) herrschte schon am Sonntag bei den Trainingsl­äufen reger Betrieb.
 ?? ?? Gut „behütet“: Orts- und VG-Bürgermeis­terin Janine Fischer mit Lukas Bodtländer, der seit Jahren auf dem Hof der Familie Fischer beim Bergrennen zu Gast ist.
Gut „behütet“: Orts- und VG-Bürgermeis­terin Janine Fischer mit Lukas Bodtländer, der seit Jahren auf dem Hof der Familie Fischer beim Bergrennen zu Gast ist.

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